Glühwein to go

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Maribu

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Glühwein to go

Die drei Freunde trafen sich vor ihrer Stammkneipe, in der sie vor zehn Monaten
zuletzt Skat gespielt hatten.

"Ich hatte mich schon gefreut, mein Kurzarbeitergeld zu verdienen, und nun ist
schon wieder Schluss!!", klagte Thomas, der einzige Mitarbeiter, den Charly der
Wirt, behalten konnte.

"Es ist doch nur Alkoholverbot", antwortete Ralf. "Dann verkauft ihr eben Kaffee und Kakao!"

Thomas widersprach: "Nein, es geht um das enge Beisammensein! - Wollt Ihr noch einen
Glühwein?"

Walter schüttelte den Kopf. "Ich gehe mal ein paar Schritte. Dahinten sehe ich den Mann vom
Ord
nungsamt. Zu dritt sind wir ja eine Gruppe."

Karl und Ralf ließen sich noch eine Kelle nachschenken, und Thomas meinte lachend:
"Ihr könnt ja sagen, Ihr lebt in einer WG."

Der Mann von der Behörde ging aber vorbei, ohne sie zu beachten.

Walter kam zurück unter den großen 'Jever-Sonnenschirm'. "Ist das ungemütlich!
Ich hätte nie gedacht, im Dezember hierunter vor dem Nieselregen Schutz zu suchen."

"Bei mir in der Straße hat jetzt ein Speiselokal dicht gemacht", sagte Thomas.
"Der 'Ausser-Haus-Verkauf' wurde nicht angenommen. Ein paar Tage hatte der Wirt ihn
noch nach draußen verlagert. An seinem Schirm hing ein Schild mit der Aufschrift:
'Erbsensuppe to go'"

"Ja, wo jetzt noch alles verschärft werden soll, bleiben wir Weihnachten allein."
Walter trank den Rest aus seinem Becher. "Aber nicht nur deswegen! Am Nikolaustag
habe ich im Kostüm Süßigkeiten für meine Enkelkinder vorbeigebracht. Der Vierjährige
und die ein Jahr Jüngere haben mich sofort erkannt und sagten 'Hallo Opa, der richtige
Nikolaus war schon da!' Sie zeigten auf zwei vollgestopfte Schuhe.
Meine Schwiegertochter schimpfte, weil ich die falsche Maske tragen würde."

"In dieser Zeit ist es gut, wenn man keine Kinder hat", meinte Ralf. "Selbst Brigitte,
die gerne welche gehabt hätte, sieht es so!"

"Ja!" stimmte Karl zu. "Die Pandemie öffnet uns die Augen! Unser Enkelsohn hatte vorher
immer Ausreden, uns nicht zu besuchen. Jetzt sagt er bedauernd am Telefon: 'Ich würde
euch ja gerne besuchen, habe aber Angst, dass ich euch anstecken könnte.' - Ist das nicht
rührend?!"

"Ja, mir kommen die Tränen!", ging Walter darauf ein. "Bertha hat sich immer einen Kopf
über die passenden Geschenke gemacht, schwere Einkaufsbeutel nach Hause geschleppt
und stundenlang am Bratofen die Gans behandelt. Diesmal kann es richtig langweilig werden!"

"Bei uns wird es wie immer!",erwiderte Ralf lakonisch. "Wir werden Kartoffelsalat mit Würstchen
essen und dabei die Musik von der Platte aus den 50iger Jahren genießen. Und für euch habe
ich eine Botschaft: "Ihr seid zum Glück nicht positiv, solltet es aber so sehen! Heiligabend nicht
als Tag der Geschenke, sondern als Zurück an den Ursprung, den Abend der Besinnung!
Und nun Thomas, bitte für jeden noch eine Kelle! Morgen ist alles vorbei!"
 



 
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