Glühwürmchen

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leo.schreibt

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Die Glühwürmchen schwirrten sacht über die kleine Wiese und tanzten über den Büschen an deren Ende, dort wo die Wiese langsam in den jungen Laubwald überging und die ersten Bäume aus dem Boden ragten. Die letzten Sonnenstrahlen tauchten das Bild in ein sanftes dämmriges Licht und beleuchteten das Gesicht des kleinen Jungen, der dort auf der Wiese stand und staunend die leuchtenden Insekten beobachtete. Die Glühwürmchen flogen nah an seiner Nasenspitze vorbei und streiften behutsam seine geröteten Wangen. Ein kleines Lächeln hatte sich auf die Lippen des Jungen gelegt und er streckte vorsichtig seinen Zeigefinger nach den Leuchtkäfern aus. Eines der Glühwürmchen schwebte schon bald auf seine Fingerspitze und summte leise. Der Junge gluckste leise und strich sich die roten Locken aus dem Gesicht, um das Insekt besser betrachten zu können. Es hatte zwei lange Fühler auf dem tiefschwarzen Insektenkopf sitzen und starrte ihn aus dunklen Facettenaugen an. Seine Flügel flatterten noch immer ein wenig und am Ende seines Körpers konnte man ganz deutlich das typische grüne Leuchten erkennen. Der Junge spitzte die Lippen und pustete vorsichtig in die Richtung des Tieres. Sofort fing es wieder an heftiger mit den Flügeln zu schlagen und schwirrte mit den anderen Leuchtkäfern um ihn herum. Schon bald hatte sich ein ganzer Schwarm um den Rothaarigen versammelt und summte in leisen Tönen. Flink zogen die grünen Punkte ihre Kreise um ihn. Die Luft schien durch das Leuchten der Insekten geheimnisvoll zu glitzern und der Junge drehte sich fasziniert im Kreis, um ihr gesamtes Strahlen betrachten zu können. Immer schneller zischten sie um ihn und schon wirbelte der Junge um seine eigene Achse, damit er ihnen noch mit den Augen folgen konnte. Das Summen wurde lauter und legte sich stumpf in die Ohren des Kindes. Die Welt zog in Schemen an ihm vorbei und verschwamm zu einzelnen Farbflecken, die ineinander verflossen. Immer unwirklicher schien die Welt, aus der er kam und das grüne Leuchten überlagerte sein Denken. Es fühlte sich an als wäre er kurz davor dieses Sein zu verlassen und eine neue Welt mit neuen Geschichten zu betreten. Beherzt atmete der Junge ein, lachte sacht und trat mit Schwung auf die grüne Wand aus Leuchtkäfern zu, die ihm einladend entgegen funkelte.
„Jonas!“, erhob sich plötzlich eine helle Frauenstimme über das Summen der Tiere. Es folgten rasche Schritte und noch bevor der Junge weiter vortreten konnte stoben die Glühwürmchen auseinander und verschwanden zwischen den dichten Blättern des Laubwaldes. Seine Mutter stand inzwischen neben ihm und griff nach seiner Hand.
„Was machst du denn so später hier draußen?“ Ihr Blick war besorgt und sie drehte Jonas Kopf zu sich, der immer noch suchend in den Wald blickte. Der Junge zog nur die Schultern hoch und wendete seinen Kopf wieder ab. Seine Augen musterten sehnsüchtig die Baumkronen ab. Seine Mutter zog ihn nun langsam in Richtung des Hauses, welches nicht weit entfernt von der Wiese stand. Zügig drückte sie ihn in den Hausflur und begleitete ihn in sein Zimmer, wo er sich umzog und sich von ihr zudecken ließ.
„Es ist gefährlich so spät alleine draußen zu sein.“ Seine Mutter sah ihn liebevoll an und drückte ihm einen kleinen Kuss auf die Stirn. Dann ließ sie ihn alleine. Jonas starrte an die kahle Zimmerdecke und stellte sich das grüne Leuchten der Insekten vor. Vor seinem inneren Auge tanzten sie noch immer um ihn herum und summten ihm mitreißende Geschichten vor, die ihn erneut aus dem Bett und in den fernen Wald locken wollten. Mit einem Seufzer schloss Jonas die Augen und stellte sich vor, wie sie ihn mitnahmen auf eine Reise, in den Zeiten, in denen er nicht schlafen konnte. Vor seinem Fenster war mittlerweile der Mond aufgegangen und die Äste der alten Eiche vor ihrem Haus warfen Schatten auf sein Gesicht. Man konnte noch ein müdes Gähnen hören bevor der Raum in Stille gehüllt wurde und Jonas leise darauf wartete einzuschlafen und in seinen Träumen den Rufen der grünen Leuchtkäfer zu folgen. Der Wind rauschte vor dem Fenster und als Jonas endlich schlief bewegte sich sein Körper von ganz alleine. Seine Beine schwangen sich aus dem Bett und ein paar Momente später konnte man unten die Haustüre zufallen hören.
 
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Da die kleine Geschichte auf mich sehr realistisch wirkt, bin ich nicht unbedingt der Meinung, dass sie die Kriterien einer Fantasiegeschichte oder eines Märchens erfüllt, dennoch hat sie beim Lesen durchaus ihren Reiz auf mich ausgeübt und lebhafte und stimmungsvolle Bilder in mir entfachen können. Zudem gefiel mir auch der gebotene Lesefluss. Dieser holperte lediglich im vorletzten Absatz einmal, als es hieß: „Seine Augen musterten … Seine Mutter zog in … (hier muss es heißen: „ihn“). Ferner würde der Interpunktion hier und da noch das eine oder andere Komma gut stehen.
 

leo.schreibt

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Da die kleine Geschichte auf mich sehr realistisch wirkt, bin ich nicht unbedingt der Meinung, dass sie die Kriterien einer Fantasiegeschichte oder eines Märchens erfüllt, dennoch hat sie beim Lesen durchaus ihren Reiz auf mich ausgeübt und lebhafte und stimmungsvolle Bilder in mir entfachen können. Zudem gefiel mir auch der gebotene Lesefluss. Dieser holperte lediglich im vorletzten Absatz einmal, als es hieß: „Seine Augen musterten … Seine Mutter zog in … (hier muss es heißen: „ihn“). Ferner würde der Interpunktion hier und da noch das eine oder andere Komma gut stehen.
Danke für das Feedback!
 



 
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