Glühwürmchen und Kröte

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Tula

Mitglied
Glühwürmchen und Kröte
(für eine von diesen ...)


Ein Sternchen trägt heiter und unbedacht
den Glanz über Wiesen und Hain.
Elysisch und märchenhaft dringt der Schein
im Tanz durch die schweigende Nacht.

Da kriecht unerwartet aus dunklem Schacht
die Kröte – abscheulich, gemein;
und schlägt auf das flimmernde Würmchen ein,
mit giftigem Speichel und lacht.

„Was hab‘ ich getan, dass ich sterben muss?
Warum ist mein Licht Dir Verdruss?
Die Funken hab‘ ich auch für Dich gesprüht!“
So klagt es mit fliehendem Hauch.

Die Schleimige zischt, als der Schein verglüht,
nur hämisch: „Weil ich es nicht brauch’ ...“


aus dem Portugiesischen frei übertragen
Marquesa de Alorna (1750 – 1839), O pirilampo e o sapo
Link zum Original
 
Zuletzt bearbeitet:

James Blond

Mitglied
Warum versteckt sich diese Übertragung im Lupanum?

Mir sind folgende Schwächen aufgefallen.

Inhaltlich:

  • Das Glühwürmchen gleich zu Beginn als "Sternchen" auftreten zu lassen sorgt für Verwirrung, insbesondere wenn es den "Glanz" über die Wiesen trägt, denn Glanz ist stark reflektiertes Licht, dazu reicht's beim Glühwurm nicht.

  • "Elysisch und märchenhaft " sind (im Gegensatz zu abscheulich, gemein) Bewertungen aus einer höheren Distanz , die einer direkten Handlungsschilderung entgegenstehen.

  • Die Charakterisierung der Kröte als abscheulich und gemein sollte in einem Fabelgedicht besser unterbleiben, diese Kenntnis wird vorausgesetzt.

  • Mit giftigem Speichel auf etwas "einschlagen" - wie sollte das gehen?

  • S3, wörtliche Rede: Zunächst verwirrend, wer hier spricht. In S2 war zuletzt die Kröte das handelnde Subjekt.

  • Ein "zischende" Kröte? Vielleicht hier besser "lacht".

  • Die Pointe wird durch den Hinweis "nur hämisch" geschwächt, weil sie das vorweg nimmt und ausdrückt, was der Leser besser selbst erschließen sollte. Es würde hier reichen, die Kröte als unberührten, gleichmütigen Ignoranten zu charakterisieren.

Ich weiß zwar nicht, wie eng du dich hier an das Vorbild gehalten hast, doch würde ich zum Zwecke einer leichteren Verständlichkeit, einer treffenden Beschreibung und einer besseren Pointe mir immer gewisse Freiheiten erlauben.

Metrum:

Daktylen haben ihren Charme, lesen sich jedoch doch ungewohnt im Deutschen und sollten daher möglichst nicht noch mit anderen Versfüßen gemischt werden, denn der Mix stört gleich ihre Wirkung. Du hast in den 4-hebigen Versen stets auf die letzte unbetonte Silbe verzichtet, was zwar metrisch ok, aber einer tänzelnden Wirkung nicht gerade förderlich ist, da hier jedesmal auf die Bremse getreten wird. Die Bremse hat lediglich im vorletzten Vers ihre inhaltliche Berechtigung.

Ein Sternchen trägt heiter und unbedacht
den Glanz über Wiesen und Hain.
Elysisch und märchenhaft dringt der Schein
im Tanz durch die schweigende Nacht.

Da kriecht unerwartet aus dunklem Schacht
die Kröte – abscheulich, gemein;
und schlägt auf das flimmernde Würmchen ein,
mit giftigem Speichel und lacht.

„Was hab‘ ich getan, dass ich sterben muss?
Warum ist mein Licht Dir Verdruss?
Die Funken hab‘ ich auch für Dich gesprüht!“
So klagt es mit fliehendem Hauch.

Die Schleimige zischt, als der Schein verglüht,
nur hämisch: „Weil ich es nicht brauch’ ...“


Insgesamt jedoch eine gute Arbeit, die noch einige Verbesserung verdient hat.

Übrigens: Es wäre (nach wie vor) wünschenswert, wenn es in der Lyrik für Gedichtübertragungen eine eigene Kategorie gäbe. Das Lupanum ist hier keine gute Lösung. ;)

Grüße
JB
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, James,
leider haben wir kein Übersetzungsforum.

Ich bin aber dafür, Übersetzungen zu ermöglichen.
Ich bin noch nicht sicher, wie wir mit Übersetzungen verfahren werden.
Es gibt auch schon einige.

Ich habe das Werk vorerst ins Lupanum verschoben.

Urheberrecht ist hier kein Problem, das Werk ist genügend alt.
Viele Grüße von Bernd
 

Tula

Mitglied
Hallo Bernd
kein Problem. Hier im Lupanum kann man es noch in drei Jahren lesen ☺

LG
Tula

////////////////////
Hallo James
Danke für deinen ausführlichen Beitrag, dem ich als Einladung nun auch mit Fleiß nachkommen möchte.

Zunächst muss ich betonen, dass das Gedicht keine Übersetzung im eigentlichen Sinne ist, sondern eine freie Übertragung. Wer mal ins Original schaut, wird feststellen, dass es kürzer, oder besser: kompakter ist. Das hat hier eher stilistische Gründe; das Original wirkt auch im Portugiesischen sprachlich etwas reduziert. Beim ersten Versuch stellte ich damals (vor einiger Zeit) fest, dass die Kürze in der direkteren Übersetzung eher unbeholfen wirkt, weshalb ich mich für die verwendete Variante entschied, sowohl in der Form, als auch in der inhaltlichen Gestaltung.

Zum Stil: die Verwendung der Daktylen und die „Bremse“ (sie zwingt den Leser dazu, die Silbe vor der ausgelassenen Silbe zu dehnen, in etwa wie ein Spondeus bei Hexametern) sollen gerade das ausgelassene und ziellose „Herumflattern“ des Glühwürmchens sprachlich herüberbringen. Dieses mag im optischen Vergleich (nicht die Schrift, ich meine das fliegende Sternchen) etwas "ungeschickt" wirken. Wie bei einem fröhlich über die Wiese springenden Kind zum Beispiel. Im vollkommen regelmäßigen Daktylus würde das dann wieder etwas leiern bzw. einem Galopp ähneln. Das war zumindest mein Gedanke dabei.

Inhaltliche Gestaltung:
  • Das Glühwürmchen gleich zu Beginn als "Sternchen" auftreten zu lassen sorgt für Verwirrung, insbesondere wenn es den "Glanz" über die Wiesen trägt, denn Glanz ist stark reflektiertes Licht, dazu reicht's beim Glühwurm nicht.
Im Original steht da “astro volante” - ein fliegender Stern oder genauer:

Lustroso um astro volante
Rompera as humildes relvas:
Com seu voo rutilante
Alegrava à noite as selvas.


In etwa:
Glänzend, ein fliegender Stern
durchbrach das bescheidene Gras.
Mit seinem strahlenden Flug
beglückte er die nächtliche Wildnis.


Gehen wir mal davon aus, dass in poetischer Hinsicht der Glanz des Würmchens hier übertrieben dargestellt werden darf oder sogar „muss“. Natürlich leuchtet es nicht wie eine Taschenlampe :)
  • "Elysisch und märchenhaft " sind (im Gegensatz zu abscheulich, gemein) Bewertungen aus einer höheren Distanz , die einer direkten Handlungsschilderung entgegenstehen.
  • Die Charakterisierung der Kröte als abscheulich und gemein sollte in einem Fabelgedicht besser unterbleiben, diese Kenntnis wird vorausgesetzt.
Das muss ich annehmen, d.h. im Original findet solch eine weitere Charakterisierung nicht statt. Wohl aber in einer zweiten Version eines brasilianischen Dichters (das Glühwürmchen ist wirklich beliebt!): Original - brasilianischer Autor

Dort heisst es: Feio sapo repelente – die hässliche, abstoßende Kröte

Hier mag man geteilter Meinung sein. Mir ging es ja nicht nur um den Inhalt, sondern die poetische Wiedergabe. Da war der Vergleich natürlich Absicht.

Gute Frage! - Im Original (wie auch in der zweiten Version des brasilianischen Autors) steht das so da: die Kröte speit ihr Gift über das Opfer ! Im verwendeten Original:

E despediu-lhe um sopapo
Que o ensopou em veneno.


In etwa:
und gab ihr einen Schlag (sinngemäß ein „Schlag“, gemeint ist ein „Speichel-Schuss“)
welcher es in Gift badete (einweichte usw.)

und beim zweiten Original:
Cospe a baba de repente
Sobre o insecto luminoso.


In etwa:
spuckte und schleimte plötzlich
über das leuchtende Insekt


Ich gehe davon aus, dass man in der damaligen Zeit wirklich diese Vorstellung hatte, d.h. der Gift-speienden Kröte, auch wenn das heute aus wissenschaftlicher Sicht nicht korrekt ist.
Eine Idee wäre V4 dieser Strophe an den Anfang zu setzen. Dann hätten die etwas verkappten Terzette die Struktur: ceef fc – ja, könnte man irgendwie umbauen. Siehe meinen letzten Kommentar unten.
Sie lacht bereits in S2. Wobei ich durchaus überlegte, ob die Kröte hier im Kontext „zischt“, das deutet etwas auf Schlange hin. Aber noch besser aus "faucht" oder anderes.
  • Die Pointe wird durch den Hinweis "nur hämisch" geschwächt, weil sie das vorweg nimmt und ausdrückt, was der Leser besser selbst erschließen sollte. Es würde hier reichen, die Kröte als unberührten, gleichmütigen Ignoranten zu charakterisieren.

Ok. da müsste man diese drei Silben sinnvoll ersetzen, ohne dass es dann hilflos als Lückenfüller wirkt.

Nun ja, besser geht immer. Meine eigene Sicht war die, dass es schöner wäre, zwei sich wirklich ergänzende Terzette zu gewinnen, um auch dem klassischen Sonett näher zu kommen. Beim nächsten Versuch, den ersten gab es schon 2016. Ich werde wieder auf dieses zurückkommen, vor allem, wenn mich eine Foren-Kröte allzu doll ärgert :)

Dankenden Gruß
Tula
 
Zuletzt bearbeitet:

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Danke, Tula.

Als freie Übertragung kann es in "Feste Formen" zurück.
Leider ist es noch keine generelle Lösung für Übersetzungen, sondern meine Einzelfallentscheidung.

Viele Grüße von Bernd
 

James Blond

Mitglied
Lieber Tula,

hab Dank für deine ausführliche Antwort. Sie macht das Gedicht mit seinen zwei Portugiesisch sprechenden Autoren noch interessanter!
Vielen Dank auch für Bernds Rückholaktion, denn erst jetzt ist mit die Sonettnähe überhaupt klar geworden.

Allein mit den "abgebremsten" Daktylen bin ich noch nicht so glücklich. Deine Absicht ist zwar nachvollziehbar, aber es kostet schon genug Mühe, überhaupt zu erkennen, dass es sich hier um Daktylen handelt, denn die entsprechende Betonung ist an vielen Stellen nicht so leicht ersichtlich, wie es der Dichter oft vermeint, weil er "sein" Metrum ja bereits im Kopf hat. Auch macht der 3- und 4-hebige Verswechsel die Sache nicht gerade leichter. Kurz gesagt, ist mir zuviel Wechsel innerhalb des kurzen Textes, der ja nicht nur formgebunden, sondern auch inhaltlich seine Tücken hat. Dabei spielt die wissenschaftliche Korrektheit eigentlich kaum eine Rolle, giftiger Krötenschleim ist hier nicht das Problem. Ich würde aber versuchen, diese einfache Geschichte trotz (oder wegen) der engen Form auf möglichst einfache Weise mit einfachen Worten zu erzählen und den Rest dem Leser zu überlassen.

Als allseits bekannte und gefürchtete Forenkröte kann ich verständlicherweise kaum darauf verzichten, auch dieses Gedicht mit meinem Giftschleim zu überziehen und damit hat es jetzt auch schon zwei deutschsprachige Co-Autoren. Ich hoffe, das Resultat verdeutlicht meine boshaften Absichten: ;)


Ein Lichtlein blinkt sorglos und wenig bedacht
im Flug über Wiesen und Hain,
es ruft seinesgleichen mit lockendem Schein
zum Tanz durch die ruhende Nacht.

Da kriecht eine Kröte aus erdigem Stein,
von jeglicher Schönheit verlacht
gebraucht sie im Nu ihre tödliche Macht,
speit Gift auf das Glühwürmelein.

„Was hab‘ ich getan, dass ich so sterben muss?
Warum ist mein Licht dir Verdruss?
Ich habe die Funken für Dich auch gesprüht!“

So klagt es mit fliehendem Hauch.
Die Schleimige lacht, als der Schein schon verglüht:
„Ganz einfach: Weil ich es nicht brauch’ ...“




Hier sei noch einmal wiederholt:

Übertragungen, auch Übersetzungen von Gedichten sind eine wunderbare Herausforderung und eine lohnenswerte Aufgabe. Ich würde es sehr begrüßen, wenn es in der LeLu dafür eine entsprechende Lösung gäbe.

Liebe Grüße
JB
 

Tula

Mitglied
Hallo Label

Vielen Dank!

LG
Tula

*********

Hallo James

Danke für deine Version. Was die Metrik angeht, d.h. allgemein bei Übersetzungen, sollte man ebenso bedenken, dass da jede Sprache ihren eigenen Fluss hat. Auch das macht solch ein Anliegen (Poesie zu übersetzen) zur echten Herausforderung, ganz zu schweigen von Hintersinn, doppelten Bedeutungen, jede Art von Eigenheiten des 'anderen Sprachraums'.
Im Deutschen ist es relativ leicht, Taktgefühl vorausgesetzt, im jambischen Zweiertakt zu schreiben. Je nach Absicht ist die Perfektion für uns (deutsche Leser) in dieser Hinsicht sehr wichtig. Siehe zum Beispiel Formen der komischen Lyrik.
Die metrischen Aspekte würde man in den Leselupen-Foren anderer Sprachen unter Umständen etwas gelassener diskutieren, andere wahrscheinlich mehr.
In diesem Fall (das portugiesische Original) wäre die erste Zeile "schön jambisch", der Rest dann nicht mehr. Um eine schwingende Wirkung (beim Vortragen) zu erzielen, muss man im wahrsten Sinne des Wortes das Tempo stetig wechseln bzw. anpassen, mit kurzen Pausen hier und schnellerem Lesen (fast Silben verschluckend) dort. Zumindest gibt es im Portugiesischen keinen "jambischen Leierkasten" :)

LG
Tula
 

James Blond

Mitglied
Wieso jambisch? Wir haben es hier doch mit Daktylen und ihrer Wirkung im Deutschen zu tun. Ich habe mir erlaubt, zum Vergleich durchgängig Daktylen zu verwenden. Und würde bei diesem Gedicht auch dabei bleiben. Es macht die Sache interessanter, wie ich bei aller Gelassenheit finde. Einen Taktwechsel empfinde ich wie in einem Musikstück eher störend aber nicht grundsätzlich schlecht, es müsste eben nur seinen guten Grund haben.

Übrigens:
Der "jambischen Leierkasten" wird oft als Argument gegen Verse mit durchgängigen Jamben vorgebracht. Ein Vorurteil, denn dies ist ein Problem des falschen Vortragens, nicht der Dichtung. Auch wenn sie's ermöglichen: Jamben müssen nicht geleiert werden. Im Gegenteil: Sie geben eine sichere Grundlage für einen ausdrucksvollen Vortrag, denn sie gestatten Improvisationen, ohne dabei aus dem Tritt zu kommen. Das sie sich im Deutschen geradezu anbieten, macht sie nicht schlechter, wie auch die schwierigeren Metren nicht automatisch besser. Es ist eher eine Frage der Angemessenheit.

Grüße
JB
 

Tula

Mitglied
James
Das war allgemein gedacht, als Teil der Herausforderung der Übersetzter. Dass andere Sprachen einen ganz anderen Sprachfluss haben, wird schnell und gern übersehen.

Grüße
Tula
 

James Blond

Mitglied
Die Herausforderungen einer Übertragung sind mannigfaltig und steigen mit der intimeren Kenntnis der Quellensprache. Das meint schon der Begriff. Eine Übersetzung lehnt sich enger an das Vorbild an als eine Übertragung, die sich spezifischer Mittel der Zielsprache bedient, um den Gehalt eines fremdsprachigen Textes zu erschließen. Die größere Freiheit verlangt dabei nicht nur eine höhere Kreativität, sondern auch eine sensible Auswahl, denn es kann in der Regel nicht alles in die andere Sprache hinübergerettet werden.

Bei einem Fabelgedicht wie diesem sehe ich die Sache allerdings weniger kompliziert. Da kommt es in erster Linie darauf an, die Fabel humorvoll, flott und leicht verständlich nachzuerzählen und die Pointe gut herauszustellen. Auf Sprachflüsse und -klänge würde ich erst in zweiter Linie schauen, der Singsang des Portugiesischen lässt sich im Deutschen ohnehin kaum nachbilden. Deshalb halte ich die Daktylen für eine gute Lösung, denn ihr "Trallala" verleiht dem ganzen eine fröhliche Beschwingtheit, wie sie hier angemessen ist.

Grüße
JB
 



 
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