Göttliche Ironie?

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Mein Verstand schreit nach etwas, das mich befriedigt – oder zerstört.
Ich will Ruhe. Ich will die Absolution eines wildgewordenen Samurai. Eines Kriegers, der das Ende seines Kampfes nicht mitbekommen hat.
In meinen Gedanken kursieren Gefühle. Teilweise triebgesteuert, teilweise entmachtet von meinem rationalen Wesen.
Draußen regnet es. Ich höre es an den unregelmäßigen Tropfen auf das Fenster, das zur Schräge des Daches angebracht ist.
Mein Geist und mein Verstand schreit nach dir. Ich will nur dich. So tief und so endlos innig spüren, wie man überhaupt einen Menschen spüren kann. Alles andere ist gleichgültig.
So viele Gedanken und Blockaden und Ängste und Kräfte wirken gegen diesen Wunsch. Auch Vernunft und Logik, Überlegungen und Gefühle.
All das bewirkt, dass ich mir gerne das letzte Lebenslicht auslöschen möchte. Um deinen Geruch nicht mehr zu riechen. Diesen wundervollen, ja fast göttlichen Duft. Um dich nicht mehr sehen zu müssen, Du wundervolles Geschöpf. Und um dich nicht mehr berühren zu müssen.
Ich werde verrückt – in diesem Moment. All die Dinge haben sich gegen mich verschworen. Dass ich schon ein wenig viel Alkohol zu mir genommen habe, ändert gar nichts. Es hat mich gerade erst auf dies alles gebracht.
Verdammt! Ich möchte dir näher sein, als es das Ultimativ Sex überhaupt bewirken kann. Verschmelzung möchte ich erleben... mit dir!
Der Regen spielt weiterhin ununterbrochen sein Lied auf dem Dachfenster. Er beruhigt mich. Vermutlich wird er mich in den Schlaf tragen. Unbefriedigt aber müde. Zu müde, um noch etwas Schlechtes anzurichten.
Was könnte ich schon Schlimmes bewirken, frage ich mich in diesem Augenblick.
Das Übelste, was passieren könnte, wäre, wenn ich mir noch zwei Gläser von der abscheulichen Cocktail- Fertigmischung holen würde, die mich zu diesem beinahe erkenntnisreichen Punkt gebracht hat.
Nein, so weit wollte ich es nicht kommen lassen.
Zugleich bemerke ich in meiner letzten Aussage, dass ich einfach nicht für grandiose Skandale geschaffen bin.
Alkohol, Drogen und Sex sind für mich nur Ausdrücke, die manchmal mehr, manchmal weniger von meiner Gefühlslage gefordert werden. Meistens ist mein Geist durch eines dieser drei Dinge schon abgeschaltet.
Doch jetzt sitze ich hier. Alkohol im Blut, aber den Duft dieses unvergleichlichen weiblichen Geschöpfes in meiner Nase. Die Anvertraute, die eigentlich nicht hier, nicht im meinem Leben oder sonst wo sein sollte.
Meine Frau. Unsere Eheringe an einem gemeinsamen Platz verstaut. Näher zusammen als wir es sind. Gravuren. Ihr Name, mein Name, und die Jahreszahl im November.
Zurück zum Thema. Eigentlich will ich keinen Sex. Was ich möchte liegt zwischen dem besten Kuss meines Lebens und der totalen Verschmelzung mit dieser Frau. Ein Punkt, der für das dumme menschliche Gefühlswesen wohl noch zu weit weg ist.
Doch ich empfinde es ganz tief in mir. Vergraben zwischen den Steinen, die mein Leben und meine Bestimmung ausmachen. Immer wieder muss ich mir aus dem Grund einreden, dass ich nicht das Wesen bin, dass diesen Punkt überschreiten könnte.
Und sollte ich das doch sein, habe ich mir viel zu oft deswegen einen Whiskey oder eine Cocktailmischung in ein Glas gefüllt mit Eiswürfeln gegossen. Dann habe ich viel zu oft gezweifelt, und ich mich mit ihr mehr als hundert Male unnötigerweise die Frage gestellt, ob es mit uns beiden gut gehen wird – wenn auch nur im Geiste.
Ich liebe sie. Und verdammt, ich empfinde es ununterbrochen.
Keine Alkohol und kein Geschlechtsverkehr der Welt kann mich von diesem Gefühl ablenken oder draufstoßen...
Der Alkohol fährt ganz langsam aus. Der Blutspiegel gewöhnt sich an den Rausch. Ich möchte keinen Nachschub, weil ich so kontrolliert bin.
Der Regen auf dem schrägen Dach sagt mir, dass ich zurück bin. Zurück in der Welt der Realität.
Ich lache leise in mich hinein, als dieser Gedanke meinen Verstand vollends erfüllt hat.
Diese Welt versucht mir den Schein einer göttlichen Ironie zu vermitteln – oder ich habe sie einfach nicht verstanden... und werde das auch nie.
 



 
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