Golf

Gue

Mitglied
Golf - Verrückt



Ich ging zum ersten Abschlag meines Lieblingsgolfplatzes, im Norden der Stadt wunderbar gelegen, mit dem Vorsatz, alles anders und insbesondere besser zu machen als beim letzten Mal.

Das letzte Mal war Gestern. Ich hätte diese Golfrunde, wie so viele Andere, am Liebsten für immer aus meiner Erinnerung gestrichen. Heute aber ist ein neuer Tag und Herrengolf, ein wöchentlich stattfindendes clubinternes Turnier.

Seit 12 Jahren betreibe ich diesen Wahnsinn namens Golf. Was habe ich mich schon über diese so unscheinbar wirkende weiße kleine Kugel und den unverzichtbaren Schlagutensilien geärgert. Mehr als 30 Schläger verschiedenster in der Branche etablierter Hersteller habe ich mittlerweile im Keller zu stehen, die dort die Möglichkeit bekommen, über ihre schlechte Zusammenarbeit mit mir in der Dunkelheit nachzudenken. Ab und zu erhält einer von ihnen eine zweite Chance, die er dann gewöhnlich auch schnell verspielt. Herrengolf ist da so etwas wie ein Bewährungsfeld für in Ungnade gefallene Golfschläger.

Der erste Abschlag auf einem Golfplatz ist übrigens immer der Wichtigste. Er entscheidet nicht nur über den Gemütszustand der Anfangsminuten, nein manchmal über den Fortgang der nächsten vier Stunden, des Abends, der Nacht oder auch der Zukunft. Die Folgen sind stark vom Charakter des Spielers abhängig. Entsprechend ist der Anspannungsgrad des Einzelnen vor diesem entscheidenden ersten Schlag.

Da ist der Angeber, der zuerst das Handicap der anderen Mitspieler abfragt, mit der Hoffnung, dass Beste von allen zu haben und es umgehend verkünden zu können. Der Unsichere stellt sich kurz als blutiger Anfänger vor, mit dem Zusatz dankend die Herausforderung anzunehmen mit den restlich anwesenden „Profis“ spielen zu dürfen. Der Konzentrierte macht zehn Probeschwünge abseits der Anderen und kommt als letzter zum Abschlag, wo er gleich noch einige Stretchübungen folgen lässt. Ich selbst bin eine Mischung von allen und deshalb schlecht einzuordnen, sagt Rosi (Rosi ist meine Frau, die meinen Frust ertragen muss).

Man kennt sich gewöhnlich bei diesen internen Turnieren. Heute war das anders. Der Angebertyp war neu. Mit „Doktor Michael von Brügge“ schleuderte er mir seine Hand entgegen. Das kann ja heiter werden, dachte ich und entgegnete kurz mit „Günter“.

Endlich war es soweit. Spinner Doktor Michael hatte tatsächlich das beste Handicap von allen und somit, wie es die Regeln vorsehen, die Ehre des ersten Abschlages. Er schritt diese Tatsache sichtlich auskostend zur Tat. „ Ich spiele Titles 2 mit meinem eigenen Firmenlogo“ verkündete er. „Nun hau schon drauf.“ Das erste Mal machte sich Kutte, wie ihn alle im Club nannten, bemerkbar. Kutte, Kurt Mansfeldt, war selbstständiger Handwerksmeister, der mit der Dachdeckerei schon so manchen Euro verdient und zur Seite gelegt hatte. Jetzt mit 66 rannte er mindestens zwei Mal in der Woche um den Platz mit mehr oder weniger Erfolg. Kutte, der Herz und Zunge am rechten Fleck hatte, war vom Doktorchen bereits leicht angenervt.

„Ja, ja jetzt lassen wir den Adler mal fliegen. Ist das Grün frei? Kleiner Scherz meine Herren.“ Er holte aus, schlug wie ein Wahnsinniger auf den Ball und der flog etwa 50 Meter weit rechts in eine größere Ansammlung von Büschen. Mit „Kommt in den besten Golferfamilien vor“ verließ er den Abschlag mit doch etwas errötetem Kopf.

Mein Abschlag lag, wie der der Anderen, im Normalbereich zwischen 160 und 180 Meter. Doktorchen war nach seinem zweiten Schlag, der nachdem er gedroppt hatte, nur 80 Meter weit links dahin hoppelte, merklich ruhiger geworden, was alle in der Runde dankend zur Kenntnis nahmen.

Maxi Pfeifer der Vierte in unserer Runde, schlug seinen Ball kurz vor das Grün. Im wirklichen Leben war Maxi, der eigentlich Maximilian hieß, aktiver Frauenversteher und im Club seit fast zehn Jahren im Vorstand für die Finanzen zuständig, was der ehemalige Bänker in vollen Zügen genoss.

Bis auf den Birdie von Maxi und den Trippelbogey von Doktor Michael verliefen die nächsten Löscher unspektakulär. Dann kam das Par 3, welches den Tag zu einem Unvergesslichen machen sollte. Die neunte Bahn liegt sehr idyllisch in einem Waldstück und ist von anderen Golfbahnen nicht einsehbar. Mit ihren 170 Metern Länge und den vielen Bunkern rings um das Grün herum, gehört sie zu den Schwierigeren auf dem Platz.

Nach seinem Birdie am Loch zuvor hatte Maxi beim Abschlag die Ehre. Im Leben war es meistens um Einiges schwieriger die Ehre zu haben, wie Maxi bei so mancher Kreditablehnung die er aussprach am eigenen Laib zu spüren bekommen hatte. Er nahm sein Eisen 5 und schlug den Ball im hohen Bogen in einen der Bunker.

Als nächster war ich an der Reihe. Ich mochte diese Bahn überhaupt nicht. Selten hatte ich in der Vergangenheit mit dem ersten Schlag das Grün getroffen und noch seltener besser als ein Bogey gespielt. Um mit Sicherheit die Länge bis zum Grün zu überbrücken wählte ich das Holz 4, holte aus und schlug den Ball genau 170 Meter…in den Wald auf der linken Seite. Kutte setzte seine gute Serie der letzten Löcher fort und lag etwa einen Meter vor dem Grün in guter Position. Herr Doktor Michael von Brügge hatte sich zwischenzeitlich einigermaßen sozialisiert. Er machte weniger dumme Sprüche, spielte besseres Golf und versuchte vergeblich auf der Sympatieskale von Platz vier weg zu kommen. Sein Abschlag flog genau Richtung Fahnen und blieb etwa zwei Meter vor dieser liegen. Mein Ball musste einen Baum getroffen haben und lag besser als ich befürchtet hatte. Ich hatte freier Sicht zum Grün und schlug ihn mit dem Wedges die schätzungsweise 15 Meter im hohen Bogen auf das Grün, er sprang kurz auf, rollte, rollte und fiel ins Loch. Ein lautes „Jaaa“ konnte ich nicht zurückhalten, worauf ein etwas leiseres „Pardon“ folgte. Maxi der als nächster an der Reihe war ging in den Bunker und schaute mit einem kurzen „Klasse Günni“ zu mir herüber. Alle guten Freunde und Bekannten nannten mich Günni. Am Anfang fand ich diese Verniedlichung meines Namens echt blöd. Zwischenzeitlich habe ich mich nicht nur daran gewöhnt, sondern mag ihn sogar und finde ihn alle Male besser als Günter, Jünta oder Jünne.

Maximilian traf seinen Ball optimal und was soll ich sagen, er schlug hörbar an den Fahnenstock und ging ins Loch. Maxis geballte Faust schoss parallel zu seinen Glückshormonen nach oben. Fast hätte er das Harken des Bunkers vergessen, woran ihn Doktorchen mit einem „Hey“ und einem deutlichen Fingerzeig sofort erinnerte. Angestachelt von unseren guten, ja sensationellen Schlägen konzentrierte sich Kutte. Vom Vorgrün bis zur Fahne waren es vielleicht acht Meter. Es sah aus, als streichelte er seinen Putter als er ihn aus seinem Bag nahm, stellte sich an den Ball, holte mit viel Gefühl aus und versenkte den Ball zum Birdie. „Leichte Übung meine Herren“, lachte und ging zum Doktor hinüber. „In ihrer Haut möchte ich jetzt nicht stecken Herr von Brügge.“ Jeder der schon einmal einen Golfschläger in der Hand hatte weiß wie lang zwei Meter sein können. Sollte man ihm den Erfolg wünschen oder wäre die Schadenfreude über den Misserfolg die bessere Option? In den Köpfen von uns Dreien, die sich am Rand des Grüns zusammengestellt hatten, herrschte wahrscheinlich keine Einigkeit darüber.

Dokterchen ging zur der Stelle an der er seinen Ball markiert hatte und legte ihn vorsichtig hin. Dann hockte er sich hinter den Ball und versuchte die Linie zu lesen, die der Ball Richtung Loch nehmen würde. Um seine Erkenntnisse abzusichern, lief er noch zweimal um das Loch herum. Als er endlich am Ball stand, verging eine gefühlte Ewigkeit bis er puttete. Der Ball rollte in einer kleinen Schlangenlinie zum Loch und viel…nicht hinein. Als wir näher kamen sahen wir, dass der Ball genau auf der Kante zum Loch liegen geblieben war. Halb draußen, halb drin. Gemäß den Golfregeln hat man 30 Sekunden Zeit, wie der Ball sich entscheidet - rein oder nicht. Kutte schaute mich kurz an „Na los.“ Ich wusste gleich was er meinte und wir stampften gleichzeitig mit den Füßen auf den gepflegten Rasen. Als Maxi sich an unserem kleinen Stepptanz beteiligte, viel der Ball ins Loch. „Super Putt Michael.“ Lachend klatschten wir uns ab und beschlossen die Runde an dieser Stelle zu beenden und im nahe gelegenen Clubhaus auf das Geschehende anzustoßen, das uns sowieso niemand glauben würde.
 

Vagant

Mitglied
Hallo Gue,

Na na, den Lochrand zertrampeln. Wenn ich's gesehen hätte, hätt's euch 'ne Runde gekostet.

Aber mal im Ernst: Golf ist schwierig in den Foren. Ich hatte es auch mal mit einer Golfgeschichte versucht - 'ne schlechte, wie ich heute weiß - und bin damit hier nicht weiter aufgefallen. Golf ist beim Schreiben sowas wie Inzucht; Finger davon!

Andere Sache: Aber gerade weil man mit seinen Golffreunden im Laufe der Jahre so viel Zeit verbringt, ist der Platz natürlich ein unerschöpfliches Reservoir für wirklich gute Geschichten. Kein menschlicher Abgrund, der sich da nicht auftut; denn irgendwann im Laufe der Jahre rücken sie alle mit ihrer Lebensgeschichte raus, und dagegen ist so ein zertrampeltes Grün nun wirklich ein Kindergeburtstag.

Warte, bis du völlig unvermittelt in Dinge verwickelt wirst, was du eigentlich gar nicht wissen willst, und versuch dann einfach nochmal eine gute Story daraus zu entwickeln; und um Himmelswillen nicht auf dem Golfplatz ansiedeln, denn Golf geht in den Foren gar nicht.

Gruß, Vagant.
 

Gue

Mitglied
Hallo Vagant,
vielen Dank für den Hinweis "Golf geht gar nicht".
Ein Hobby, das viele Geschichten schreibt und oft als Sport leider verkannt wird.
Ich schreibe von allen Dingen die mich interessieren oder inspirieren.
Es freut mich, wenn ein paar Menschen an meinen Gedanken teilhaben. Kann ich dabei, wenn vielleicht auch bei wenigen, ein Lächeln sehe, dann habe ich mein Ziel erreicht.
Gruß Gue
 

Apolonia

Mitglied
denn Golf geht in den Foren gar nicht.
Hallo Vagant, danke für die Vorwarnung ;). Ich wollte auch eine Geschichte über das Spiel mit den viel zu kleinen Bällen, die Frau immer suchen muss, schreiben. Ich kann mich auch an viele lustige Geschichten erinnern. Bedaure nur, dass man noch keine App für verlorene Bälle hat.

Hallo Gue, deine Geschichte finde gut. Wie oft habe ich mit solchen Spielerinnen Bekanntschaft gemacht.
Gut, dass ihr das Spiel abgebrochen habt. So hat deine Story auch die passende Länge und ein gutes Ende.

LG Apolonia
 

Vagant

Mitglied
Apolonia,
ok. Nur los mir dem Schreiben, denn jetzt, da die Plätze geschlossen sind, ist ja die richtige Zeit zum Schreiben; aber das darf dann eben nicht einfach nur so eine weitere lustige Geschichte rund ums Spiel sein, die übrigens meist wirklich nur die Eingeweihten lustig finden, nein, dieses kleine Spiel darf dann praktisch nur Bühne und Kulisse für die wirklich großen Dinge im Leben sein; und es muss dann natürlich auch alles mit rein: der Frust, das Zweifeln, aber auch die Liebe und natürlich das ewige Scheitern an all dem; halt so, wie im richtigen Leben.
Es gibt da diese wunderbare Textsammlung von Updike - Golfträume -, dort hat er mal alle Texte zusammengetragen, die er zum Thema so verfasst hat: Kolumnen, Texte für Golfzeitschriften, Erzählungen - darunter so Klassiker 'Farrell's Caddy', Kurzgeschichten sowie Harry Armstrongs Runden aus den Rabbit-Romanen, und in dem Buch versammelt sich meines Erachtens wohl so das beste, was man literarisch zum Golfspiel so sagen kann. Wenn nicht gar noch mehr, denn bei allem Respekt: soviel ist ja da gar nicht dran: man schlägt den Ball weg, latscht hinterher, schlägt ihn wieder weg, geht wieder hinterher: und man muss wahrscheinlich schon ein Autor von Updikes Format sein, um diesem ja eigentlich so strunzdummen Spiel literarisch all das zu entlocken, was Updike ihm in diesen Texten entlockte.
Viel Glück beim Schreiben, Vagant. ( ...freu mich jetzt schon aufs Lesen...)
 

Apolonia

Mitglied
Viel Glück beim Schreiben, Vagant. ( ...freu mich jetzt schon aufs Lesen...)
Hallo Vagant, ich bin irgendwie nicht in der Stimmung überhaupt etwas zu schreiben. Bis noch vor einer Woche war unser Golfplatz gesperrt, weil es zu nass war. Ich freute mich schon auf gutes Wetter und ein paar Runden zu zweit.
Jetzt alles verschoben wegen Corona.

Aber ich empfehle dir das Buch von Ulrich Kaiser "Es ist nicht alles Golf, was glänzt". Witzig geschrieben und sehr gut beobachtet.

LG Apolonia
 

Gue

Mitglied
Hallo Apolonia, hallo Vagant,
schön zu wissen, dass es noch mehr Golfer unter den Schreibern im Forum gibt. "Strunzdumm" keine schlechte Wortschöpfung Vagant, aber leider für diesen schönen Sport, bei dem ich viele interessante Menschen kennen lernen durfte, nicht zutrifft. Bleibt gesund.
Gruß Gue
 

Vagant

Mitglied
Werter Gue,
hast schon recht, deshalb sorry für mein "strunzdumm", wobei das "dumm" hier eigentlich nur das Spiel in seiner Grundanlage meint; also Ball von a nach b, aufnehmen und nach selben Prinzip weiter verfahren, so lange bis einem die Füße weh tun; das scheint in seinem Grundprinzip ja erstmal so simpel wie Kegeln oder Schangeln. Da bei diesem Spiel die Dimensionen aber nun fast schon unmenschlich sind, stellt es einen meist vor Aufgaben, die einen doch manchmal irgendwie an verschiedenen Situation des Daseins erinnern: nur schwer erfolgreich zu meistern und schon gar nicht zu erzwingen. Und da bin ich dann doch mal wieder beim Eigentlichen, bei deiner Geschichte. Eine nette Episode, fast schon eine Schrulle, die aber weder von diesen räumlichen Dimensionen noch von den emotionalen Dimensionen erzählt.
Bleib gesund und 'Schönes-Spiel', Vagant!
 



 
Oben Unten