Gotteslästerung

petrasmiles

Mitglied
Vielleicht ging es den Christen-Menschen besser
als sie noch an einen Gott glaubten
und man ihnen sagte
alles Elend und Unrecht sei von Gott gewollt

Es sei die Sünde seiner Geburt
die sich über Generationen nicht gut machen ließe
Es sei das Streben nach Erkenntnis und die Anmaßung der Frau
die seinen Zorn erweckte und bis zum Jüngsten Gericht gebüßt werden müsse

Es sei sein Wille, der die einen zu Sklaven mache
und die anderen zu Herren
und der seine Liebe zeigte
indem er seinen Sohn martern und töten ließ

Aber vielleicht ist auch das die Erbsünde
dass der Mensch glauben kann und will
wo er nach Erkenntnis streben
und sich die Herrschaft über sein Leben anmaßen sollte
 

Matula

Mitglied
Hallo Petra,
mir war nie klar, was der Begriff "Erbsünde" zu bedeuten hat. Etwas Sündiges, das vom Vater auf den Sohn und von der Mutter auf die Tochter vererbt wird, hört sich nach einer Naturgesetzlichkeit an, die irgendjemandes Missfallen erregt. Der Schöpfergott kann es nicht sein, weil er ja auch für die Naturgesetzlichkeiten verantwortlich ist. Bleibt also die Menschheit als solche, die ihre Natur als sünd- und schuldhaft betrachtet, wenn sie sich zum Richter in eigener Sache aufschwingt. Der Mensch als Tier, das es nicht geben sollte. Ein bedenklicher Standpunkt, der aus meiner Sicht mit dem Thema "Erkenntnis" nur am Rande zu tun hat. Aber eine interessante Frage, wie die "Erbsünde" in die Köpfe gekommen ist.

Schöne Grüße,
Matula
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo Matula,

na, der Begriff ist schon eindeutig - zumindest für jemanden, der wie ich - wenn auch nicht zu Hause - katholisch erzogen worden ist: Auf die Erbsünde - den Griff nach dem Apfel der Erkenntnis - folgte die Vertreibung aus dem Paradies, und diese Verfehlung, nicht Gottes Gebot befolgt zu haben, war der immerwährende Makel der Menschen. Erkenntnis nicht erwünscht!
Naturgesetzlichkeit und Christentum habe ich jetzt nicht als die dicksten Freunde in Erinnerung - und die Logik, dass Gott auch alles schuld ist, wenn er alles erschaffen hat, ist entweder zu hoch oder Blasphemie.
Und wie das in die Köpfe kommt: Wie heute auch, Propaganda und Wiederholung, Mangel an Breitenbildung und alternativen Quellen :)

Liebe Grüße
Petra
 

Matula

Mitglied
Hallo Petra,

jetzt versteh ich Deinen Zugang besser. Du nimmst die Erbsünde ganz biblisch. Für mich ist sie eine Metapher für die Bereitschaft des Menschen, sich auf eine nebulose Weise schuldig zu fühlen - vielleicht, weil er sich andererseits so erhaben vorkommt.

Herzliche Grüße,
Matula
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo Matula,

das ist auch eine Lesart.
Aber mir ging es tatsächlich darum, ob man im Stande der gnädigen Einfalt nicht manchmal besser dran ist - und was sich für den Menschen im Vergleich eigentlich geändert hat.
Viel zu wissen - und auch wissen zu können - hat immer auch moralische Implikationen und irgendwann hat man das Leid der Welt auf den Schultern.
Da ist man dann schon bei Deinem Schuld- und Erhabenheitsgefühl. Auf jeden Fall psychisch ungesund, aber das ist eine andere Geschichte.

Liebe Grüße
Petra
 

Hans Dotterich

Mitglied
Hallo Petra,

Ich bin beim lesen deines Texts ebenfalls über die Erbsünde gestolpert. Ein merkwürdiger Begriff, nicht wahr? Aber literarisch umso interessanter. Ich habe ein wenig recherchiert. Jeder macht daraus das Seine.
Bei Goethe (Faust I) ist es die Unverbesserlichkeit eines alten Manns: "Es irrt der Mensch so lang er strebt" (Als armer Doktor Faust wäre ich jetzt ausgerastet!) . Bei Dürrenmatt wäre die Erbsünde vermutlich ein sprachliches Missverständnis zwischen zwei telefonierenden Schweitzern aus Basel und aus dem Tessin. Bei Kishon die Folge der Verwechslung von Druckklischees durch einen überarbeiteten Zeitungssetzer. Und bei Chandler das unverzichtbare Merkmal jeder attraktiven Frau.

Summa summarum muss ich also einwänden: die Sache steht doch gar nicht so schlecht.

Liebe Grüße

Hans
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo Hans,

das gefällt mir. Wenn ich nicht gerade dem Hausputz frönen würde, fühlte ich mich angestiftet, mir selbst Lesarten einfallen zu lassen.
Aber Deine Beispiele sind schon varientenreich und hinreichend.
Lassen wir die Sünde abtropfen und treten das (literarische) Erbe an :)
Also summa summarum gebe ich Dir recht.
Einen schönen Sonntag noch und liebe Grüße
Petra
 
Geschätzte Petra,

erst deine Kommentare haben mir, nicht katholisch erzogen und mit christlichen Inhalten wenig vertraut, einen Zugang zum Text ermöglicht. Bei Folgendem
Viel zu wissen - und auch wissen zu können - hat immer auch moralische Implikationen und irgendwann hat man das Leid der Welt auf den Schultern.
musste ich an die Folgen jüngerer Naturwissenschaft (20. Jahrhundert) denken. Im Juni war ich einige Zeit in Halle und passierte dort häufig den Joliot-Curie-Platz (auch Straßenbahnhaltestelle). Da mir der seltsame Name unbekannt war, machte ich mich kundig. Des Ehepaares Joliot-Curie (Physiker und Chemikerin, Atomforschung, Nobelpreis, Pazifisten) wird wohl aus politischen Gründen im westlichen Teil Deutschlands bis heute kaum gedacht. Dagegen sind in Ostdeutschland zahlreiche Straßen, Plätze, Schulen nach ihnen benannt. Tatsächlich ist ihr Dilemma (Grundlagenforschung mit nicht mehr kontrollierbaren Folgen) bis heute ein universelles geblieben. Hier sehe ich einen modernen Anknüpfungspunkt für die traditionelle Glaubenslehre. Sind Fälle wie diese nicht die Brücke, die Naturwissenschaft und Religion heute wieder verbinden können? Ich frage mich oft, wie sich eine Gattung entwickeln konnte, die mit äußerster Verstandesanspannung die Möglichkeit vollständiger Selbstauslöschung ertüfteln konnte. Als ob ein Fluch über uns läge ...

Danke für den vertiefenden Anstoß durch deinen Text.

Freundlichen Morgengruß
Arno Abendschön
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Arno,

danke für die Blumen.

Da sprichst Du (u.a.) drei wichtige Aspekte an, die ich aufgreifen möchte.

Es ist ein Jammer, dass im Zuge der Wiedervereinigung durch die Unrechtsstaat-Debatte keine Auseinandersetzung mit diesen unterschiedlichen Traditionen stattfand. Überhaupt sind wir alle dadurch brutal daran gehindert worden, notwendige Diskurse auf Augenhöhe zu führen. Das merkt man diesem Land an und insbesondere der Stadt Berlin, wenn westdeutsche Befindlichkeiten immer noch ostdeutsche überbügeln können.

MIt der Potenz der Selbstauslöschung ist meines Erachtes wiederum ein biblischer Auftrag 'übererfüllt' worden: Macht Euch die Erde untertan. Selbst bei den nicht religiös verdächtigen Naturwissenschaften sehe ich diesen Impetus am Werk, weil er über die Jahrhunderte in die tiefsten Schichten unseres Selbstverständnisses eingesickert ist. Wo soll man da anknüpfen? Wer soll mit wem reden? Zumal mittlerweile dort die Macht des Geldes an die Stelle irgendeiner Moral getreten ist.
Ich habe nur einmal im meinem Leben erfahren, dass eine Person aus 'Einsicht in die Notwendigkeit', wenn man es nicht Selbstlosigkeit nennen will, im Bewusstsein des persönlichen Risikos etwas Großes getan hat: Michail Gorbatschow! Ich sehe bei keinem machtvollen Akteur auch nur den Hauch einer Anmutung von Einsicht in die Notwendigkeit.

Und da sind wir bei den Werten. Wir sind gut darin, schlechte Resultate anzuprangern und die Verursacher abzustrafen, wie dies seit Jahrzehnten mit der katholischen Kirche passiert. Aber wer hat einen Bauplan, wie man Werte "installiert"? Ich habe für mich eine Entscheidung getroffen, einen Glauben an sich abzulehnen. Aber ich sehe sehr wohl, dass insbesondere 'Glaube, Liebe, Hoffnung' und die mit der Jesusfigur übermittelten Werte, dass alle Religionen, einen befriedenden Einfluss auf das menschliche Miteinander haben, Demut lehren, Nächstenliebe. Respekt!

Da das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, haben Werte eine Beliebigkeit erfahren, in deren Namen man das Gegenteil eines Wertes an sich am Werk sieht. Wenn ich schreibe, "sich die Herrschaft über sein Leben anmaßen", dann meine ich auch genau das, und nicht, dass andere dem auch folgen sollen oder müssen. Diese Selbstbescheidung ist gründlich auf der Strecke geblieben.

Das ist kein Fluch, sondern Hybris.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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