Gras

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mondnein

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Gras
kâl-hab-bâshâr châzîr / we-kâl-chaßeddô ke-zîz hash-shâdäh
Alles Fleisch ist Gras /
und all seine Anmut wie die Blume des Feldes


Wie wichen vor des Windes Hand
Vor seinen Zärtlichkeiten
Die Gräserwogen weit zurück
Gespiegelt weiß im nächtgen Teich!

Wie zitterten von seinem Hauch
Steil aufgestellt die Haare
Metallne Farben spielten durchs
Verwaschne Stroh verblaßt und bleich

Wer zahlte seines Lebens Wert
Mit Mondes fahlem Silber?
Wer säh denn seines Lebens Saat
Von sonnenbraunem Gold so reich?

Wer läse schon die Schrift im Nest
Vernetzter Purpurschatten?
Wer kämmte wie ein Sturm den Draht
Der zähen Strähnen glatt und weich?

Ach wäre alles Fleisch doch nur
Wie Gras und Feldes Blume!
Ach käme doch des Menschen Glanz
Dem Wogenglanz des Feldes gleich!

 
Zuletzt bearbeitet:

seefeldmaren

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Hallo mondnein,

die Flüchtigkeit menschlichen Lebens im Spiegel der Natur: Tröstend und stoßseufzend, mündend in einem Wunsch und in einer Klage, zusammen in Hoffnung, der letzten Strophe, der Mensch möge sich im Besungenem wiederfinden.

Gefällt mir sehr.

Mit freundlichen Grüßen Maren
 

mondnein

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Dankeschön, Maren,

für Deine freundlichen Zeilen, den Trost und die Stoßseufzer.

Was mich besonders bewegt hat beim Schreiben dieser Verse, ist die Umwertung des Jesaja-Gedichts: Gemeinhin gilt der Gras-Vergleich als Vergänglichkeits-Parabel, weil Gras und Feldblumen so jahreszeitlich wechseln und wie billiges Kroppzeug weggemäht oder verbrannt werden.
Ich habe aber die drahtzähen Halme und ihren Silberglanz gewissermaßen über das angeblich wertvollere Fleisch der beseelten Empfindungswesen gehoben, ja über den Menschen, und habe damit die Wertung gegen den Konventions-Strich der heiligen Propheten-Tradition und des Selbstmitleids der Sterblichen gebürstet.

grusz, hansz
 

mondnein

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Gespiegelt weiß im nächtgen Teich!
ist einer meiner eindrücklichsten Eindrücke im Moor: das schwarze Wasser in den Gräben mit seiner Spiegeloberfläche. Deshalb habe ich schon überlegt, ob es nicht "im schwarzen Teich" heißen müßte. "Nächtig" ist eine Metapher für die tiefe Schwärze der Torfgräben.

Danke den Sternespendern!

grusz, hansz
 

petrasmiles

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Ich habe aber die drahtzähen Halme und ihren Silberglanz gewissermaßen über das angeblich wertvollere Fleisch der beseelten Empfindungswesen gehoben, ja über den Menschen
Ja, das kommt sehr gut rüber. Der Mensch, der arme Drops, muss immer was 'darstellen', einfach so dastehen und sich vom Winde wiegen lassen - das gestehen wir ihm - uns - einfach nicht zu. Im Grunde also ein Loblied auf die Einfachheit.
Ein sehr beseeltes Stück Naturerleben!

Hat mir sehr gefallen!

Liebe Grüße
Petra
 



 
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