Sheila McLane
Mitglied
Grasland-Saga
Fantasy Roman
© Sheila McLane
„Lass es gut sein, Boleskar.“ Mit einer Drehung wich Bojan dem Schwert aus. Er spürte den Luftzug, als die Klinge einen Fußbreit neben ihn in den Boden fuhr.
„Erst wenn du kämpfst, Bruder.“ Erneut hob Boleskar das Schwert zum Schlag. „Oder kannst du dich nur wie eine Schlange winden?“
Stahl traf auf Stahl.
„Ich will nicht gegen meinen Bruder kämpfen.“ Mit einer weiteren Drehung wich Bojan dem schnellen Stich zur Hüfte aus.
„Du hüpfst herum wie eine Jungfer beim Tanz. Bleib stehen und kämpfe wie ein Mann!“
Die umstehenden Zuschauer lachten.
Boleskar führte einen Streich zu den Knie. Bojan übersprang die Klinge.
„Komm’, lass uns etwas essen.“ Ein neuer Hieb folgte, den Bojan parierte.
„Sobald ein Sieger feststeht.“ Wie ein Steppentiger umkreiste Boleskar ihn.
‚Ohne mich.’ Mit einigen Hieben drängte Bojan den Bruder ab.
„Betrachte dich als Sieger, Boleskar. Ich habe Wichtigeres zu tun.“ Bojan drehte sich um. Er kam nur wenige Schritte weit. Den Angriff ahnte er, ehe das Aufstöhnen des zuschauenden Gesindes ihn warnte. Geduckt wirbelte er herum. Boleskars Schwert sauste über ihn hinweg.
„Hast du dich endlich entschlossen, zu kämpfen?“ Boleskars blaue Augen leuchteten triumphierend.
„Spar’ deinen Atem, du wirst ihn brauchen“, erwiderte Bojan.
Mit einem Schrei griff Boleskar an. Die Hiebe kamen mit einer Kraft, die einem Bullen den Schädel spalten konnten. Bojan ließ Boleskar ins Leere laufen oder dessen Klinge am Schwert abgleiten.
Boleskars Kräfte ließen nach; seine Bewegungen verloren an Geschmeidigkeit, die kupferfarbenen Haare wurden schweißdunkel und der mächtige Brustkorb pumpte unter dem Lederpanzer.
„Bisher sah ich nur Ausweichmanöver und Finten von dir. Ist das alles, was du in den letzten Jahren gelernt hast?“ Boleskar spuckte auf die Erde. „Das passt zu dir.“
Bojan parierte den nächsten Schlag, dann griff er an. Sein Schwert webte ein silbernes Netz und trieb Boleskar Schritt für Schritt über den Platz, bis dieser über eine Deichsel stolperte und fiel.
„Du hattest deinen Übungskampf, Boleskar. Lass es gut sein.“
„Es ist zu Ende, wenn ich es sage.“ Boleskar schleuderte Bojan Dreck in die Augen.
Bojan sprang zurück und versuchte, mit dem Ärmel die Augen auszuwischen. Dann spürte er, wie Boleskar sich anschlich. Bojan hielt inne, schloss die Augen und konzentrierte sich. Nur von Instinkt und Gehör geleitet, wehrte er Boleskars neue Angriffe ab.
Über dem Platz lastete eine Stille, die nur durch das Keuchen der Kämpfenden und das Klirren von Stahl unterbrochen wurde. Bojan parierte einen Stich, machte eine schnelle Drehung aus dem Handgelenk und schlug damit das Schwert aus Boleskars Hand.
„Gibst du jetzt auf, Boleskar? Oder muss der Bruder erst dem Bruder den Kopf abschlagen?“ Bojan blinzelte. Die Augen brannten und tränten. Seine Schwertspitze zielte auf Boleskars Kehle, der widerwillig nickte.
„Wer lehrte dich, so zu kämpfen?“
Die Antwort auf das Offensichtliche blieb Bojan schuldig. Er ging einige Schritte. Die Bediensteten machten ihm Platz; vermieden es, ihn anzusehen. Kein Murmeln, kein Lächeln, kein freundlicher Gedanke folgte ihm. Um ihn herum fühlte sich die Luft dick an. Safin, einer der Bärenhunde, gesellte sich an seine Seite und begleitete ihn zum Brunnen.
Bojan zog einen Eimer Wasser hoch, tauchte den Kopf darin unter und verharrte, bis sein Atem verbraucht war.
„Ein Gerücht wurde heute zur Gewissheit.“
Mit einer heftigen Bewegung schleuderte Bojan die langen Haare aus dem Gesicht und sah den Waffenmeister an. Weißsilbern wie die Wolken leuchteten dessen Bart und Haare in der Morgensonne; die Augen spiegelten das klare Blau des Himmels und die wettergegerbte Haut hatte die Farbe der gebrochenen Erde.
‚Er ist wie ich’, dachte Bojan. ‚Er gehört hierher. Ist Teil des Graslandes. Meister Samail wird mich verstehen.’
„Ihr wusstet davon?“
„Wissen? – Nein, ich wusste es nicht. Niemand an Fürst Yermolais Hof wusste davon. Und doch machen Gerüchte die Runde, wenn sich des Fürsten jüngster Sohn des Nachts davonstiehlt oder nach der Ernte für mehrere Großmonde verschwindet.“
„Ich habe meine Pflichten stets erfüllt.“
Um Meister Samails Augen kräuselten sich tausend Fältchen.
„Ein Grund mehr für Fürst Yermolai vor dem Geplapper des Gesindes die Ohren zu verschließen.“
‚Fürst Yermolai!’ Bojan ließ sich neben Meister Samail auf dem Brunnenrand nieder. „Vater - weiß er es?“
„Wenn er es nicht gesehen hat, wird Boleskar es ihm erzählen. Vor den Worten seines ersten Sohnes kann der Fürst nicht die Ohren schließen.“
„Nein, das kann er nicht.“ Bojan seufzte und suchte mit den Augen alle Winkel der kleinen Siedlung ab. Nirgends konnte er den aufgeschossenen Stalljungen mit dem schwarzen Lockenkopf entdecken.
„Arkhip! Bei allen Dämonen der Unterwelt – wo steckst du? Ich prügle dich wie einen Hund, wenn du nicht sofort vor mir stehst!“
Die Tür vom Pferdestall wurde aufgestoßen und Arkhip kam heraus. Im holpernden Lauf eilte er über den Hof.
„Wann hat der junge Herr jemals einen Hund geprügelt?“ Arkhips Grinsen brachte die sprießenden Sommersprossen auf der Nase zum Tanzen.
„Zügle deine Zunge, Bursche, sonst übergehe ich den Hund und fange bei dir an.“ Bojan stemmte die Fäuste in die Seite, zog die Brauen zusammen und hoffte, seinem Blick die nötige Strenge zu geben. Safin wedelte.
„Verräter“, zischte Bojan und Safins buschiger Schwanz wackelte noch heftiger. Ist der Wagen beladen? Die Pferde angespannt?“
Arkhip schüttelte den Kopf.
„Entschuldigt, junger Herr. Doch der Herr Boleskar hat angeordnet, dass ich seinen Hengst für einen Ausritt bereithalten solle“, verteidigte sich Arkhip. „Ich hab’ auch nur zwei Hände.“
Seine Zungenspitze schob sich durch eine Zahnlücke im Oberkiefer, die er einer Prügelei mit dem Schmiedsohn Torip, um die Gunst von Brianka, der Tochter der Köchin, verdankte.
„Und einen Kopf, der zudem noch leer ist“, entgegnete Bojan. „Merke dir: Anordnungen für den Hof haben Vorrang vor den Anordnungen des Vergnügens.“
Arkhips Grinsen verschwand und seine Augen verdunkelten sich.
„Jetzt spute dich. Sattle das Pferd für Herrn Boleskar und spann’ anschließend den Wagen an.“
„Ja, junger Herr.“ Erleichterung darüber, dass Bojan Geduld zeigte, spiegelte sich in Arkhips Gesicht wieder. „Ich eile mich, junger Herr.“ Er rannte zum Stall.
„Zwei Herren in einem Reich haben noch nie gut getan“, sagte Meister Samail in seinem Rücken. „Sieh’ es Arkhip nach, Bojan.“
„Ihr solltet mich besser kennen, Meister Samail.“
„Ich kenne dich, Bojan. Und ich kenne Boleskar. Ihm sitzen Peitsche und Knute locker in der Hand und du hast Arkhip gerade eine saftige Tracht Prügel erspart.“
Bojan wusste das. Trotzdem wollte er keine Wertung über seinen Bruder hören. Auch nicht vom Waffenmeister Samail, dessen Freundschaft zu seinem Vater Yermolai tief und die Treue zum Hause Timofei unerschütterlich war.
„Schweigt, Meister Samail!“ Er schloss die Augen und hielt sein Gesicht den Sonnenstrahlen entgegen; spürte die erste Wärme nach einem langen Winter, roch den Geruch der tauenden Erde.
‚Warum ist Boleskar zurückgekommen, wenn er die Städte und das Leben im Süden so sehr liebt? Grundbesitz und Titel hätte Boleskar trotzdem haben können. Ich wäre zufrieden, hier leben und die Geschicke des Gutes leiten zu dürfen.’
„Boleskars Herz ist von Neid zerfressen“, sagte Meister Samail leise, als ahne er Bojans Gedanken.
„Neid? Wegen mir?“ Bojan lachte. „Ihr träumt, Meister Samail. Wieso sollte Boleskar auf mich neidisch sein? Er ist der Erstgeborene. Wenn die Zeit da ist, gehen Titel und Besitz an ihn.“
„Er wird nie die Liebe und den Respekt der Menschen genießen.“
„Respekt? Ihr habt eben das lose Mundwerk von Arkhip gehört. Wo soll ich Respekt genießen, wenn ein Stallbursche solche Widerworte für seinen Herrn hat?“
„Arkhip wollte deine Anordnung befolgen, obwohl er den Zorn Boleskas fürchtet. Respekt zeigt sich nicht in einer kriecherischen Gesinnung.“ Meister Samail stand auf. „Denk an meine Worte, Bojan: Sei auf der Hut.“
Fantasy Roman
© Sheila McLane
„Lass es gut sein, Boleskar.“ Mit einer Drehung wich Bojan dem Schwert aus. Er spürte den Luftzug, als die Klinge einen Fußbreit neben ihn in den Boden fuhr.
„Erst wenn du kämpfst, Bruder.“ Erneut hob Boleskar das Schwert zum Schlag. „Oder kannst du dich nur wie eine Schlange winden?“
Stahl traf auf Stahl.
„Ich will nicht gegen meinen Bruder kämpfen.“ Mit einer weiteren Drehung wich Bojan dem schnellen Stich zur Hüfte aus.
„Du hüpfst herum wie eine Jungfer beim Tanz. Bleib stehen und kämpfe wie ein Mann!“
Die umstehenden Zuschauer lachten.
Boleskar führte einen Streich zu den Knie. Bojan übersprang die Klinge.
„Komm’, lass uns etwas essen.“ Ein neuer Hieb folgte, den Bojan parierte.
„Sobald ein Sieger feststeht.“ Wie ein Steppentiger umkreiste Boleskar ihn.
‚Ohne mich.’ Mit einigen Hieben drängte Bojan den Bruder ab.
„Betrachte dich als Sieger, Boleskar. Ich habe Wichtigeres zu tun.“ Bojan drehte sich um. Er kam nur wenige Schritte weit. Den Angriff ahnte er, ehe das Aufstöhnen des zuschauenden Gesindes ihn warnte. Geduckt wirbelte er herum. Boleskars Schwert sauste über ihn hinweg.
„Hast du dich endlich entschlossen, zu kämpfen?“ Boleskars blaue Augen leuchteten triumphierend.
„Spar’ deinen Atem, du wirst ihn brauchen“, erwiderte Bojan.
Mit einem Schrei griff Boleskar an. Die Hiebe kamen mit einer Kraft, die einem Bullen den Schädel spalten konnten. Bojan ließ Boleskar ins Leere laufen oder dessen Klinge am Schwert abgleiten.
Boleskars Kräfte ließen nach; seine Bewegungen verloren an Geschmeidigkeit, die kupferfarbenen Haare wurden schweißdunkel und der mächtige Brustkorb pumpte unter dem Lederpanzer.
„Bisher sah ich nur Ausweichmanöver und Finten von dir. Ist das alles, was du in den letzten Jahren gelernt hast?“ Boleskar spuckte auf die Erde. „Das passt zu dir.“
Bojan parierte den nächsten Schlag, dann griff er an. Sein Schwert webte ein silbernes Netz und trieb Boleskar Schritt für Schritt über den Platz, bis dieser über eine Deichsel stolperte und fiel.
„Du hattest deinen Übungskampf, Boleskar. Lass es gut sein.“
„Es ist zu Ende, wenn ich es sage.“ Boleskar schleuderte Bojan Dreck in die Augen.
Bojan sprang zurück und versuchte, mit dem Ärmel die Augen auszuwischen. Dann spürte er, wie Boleskar sich anschlich. Bojan hielt inne, schloss die Augen und konzentrierte sich. Nur von Instinkt und Gehör geleitet, wehrte er Boleskars neue Angriffe ab.
Über dem Platz lastete eine Stille, die nur durch das Keuchen der Kämpfenden und das Klirren von Stahl unterbrochen wurde. Bojan parierte einen Stich, machte eine schnelle Drehung aus dem Handgelenk und schlug damit das Schwert aus Boleskars Hand.
„Gibst du jetzt auf, Boleskar? Oder muss der Bruder erst dem Bruder den Kopf abschlagen?“ Bojan blinzelte. Die Augen brannten und tränten. Seine Schwertspitze zielte auf Boleskars Kehle, der widerwillig nickte.
„Wer lehrte dich, so zu kämpfen?“
Die Antwort auf das Offensichtliche blieb Bojan schuldig. Er ging einige Schritte. Die Bediensteten machten ihm Platz; vermieden es, ihn anzusehen. Kein Murmeln, kein Lächeln, kein freundlicher Gedanke folgte ihm. Um ihn herum fühlte sich die Luft dick an. Safin, einer der Bärenhunde, gesellte sich an seine Seite und begleitete ihn zum Brunnen.
Bojan zog einen Eimer Wasser hoch, tauchte den Kopf darin unter und verharrte, bis sein Atem verbraucht war.
„Ein Gerücht wurde heute zur Gewissheit.“
Mit einer heftigen Bewegung schleuderte Bojan die langen Haare aus dem Gesicht und sah den Waffenmeister an. Weißsilbern wie die Wolken leuchteten dessen Bart und Haare in der Morgensonne; die Augen spiegelten das klare Blau des Himmels und die wettergegerbte Haut hatte die Farbe der gebrochenen Erde.
‚Er ist wie ich’, dachte Bojan. ‚Er gehört hierher. Ist Teil des Graslandes. Meister Samail wird mich verstehen.’
„Ihr wusstet davon?“
„Wissen? – Nein, ich wusste es nicht. Niemand an Fürst Yermolais Hof wusste davon. Und doch machen Gerüchte die Runde, wenn sich des Fürsten jüngster Sohn des Nachts davonstiehlt oder nach der Ernte für mehrere Großmonde verschwindet.“
„Ich habe meine Pflichten stets erfüllt.“
Um Meister Samails Augen kräuselten sich tausend Fältchen.
„Ein Grund mehr für Fürst Yermolai vor dem Geplapper des Gesindes die Ohren zu verschließen.“
‚Fürst Yermolai!’ Bojan ließ sich neben Meister Samail auf dem Brunnenrand nieder. „Vater - weiß er es?“
„Wenn er es nicht gesehen hat, wird Boleskar es ihm erzählen. Vor den Worten seines ersten Sohnes kann der Fürst nicht die Ohren schließen.“
„Nein, das kann er nicht.“ Bojan seufzte und suchte mit den Augen alle Winkel der kleinen Siedlung ab. Nirgends konnte er den aufgeschossenen Stalljungen mit dem schwarzen Lockenkopf entdecken.
„Arkhip! Bei allen Dämonen der Unterwelt – wo steckst du? Ich prügle dich wie einen Hund, wenn du nicht sofort vor mir stehst!“
Die Tür vom Pferdestall wurde aufgestoßen und Arkhip kam heraus. Im holpernden Lauf eilte er über den Hof.
„Wann hat der junge Herr jemals einen Hund geprügelt?“ Arkhips Grinsen brachte die sprießenden Sommersprossen auf der Nase zum Tanzen.
„Zügle deine Zunge, Bursche, sonst übergehe ich den Hund und fange bei dir an.“ Bojan stemmte die Fäuste in die Seite, zog die Brauen zusammen und hoffte, seinem Blick die nötige Strenge zu geben. Safin wedelte.
„Verräter“, zischte Bojan und Safins buschiger Schwanz wackelte noch heftiger. Ist der Wagen beladen? Die Pferde angespannt?“
Arkhip schüttelte den Kopf.
„Entschuldigt, junger Herr. Doch der Herr Boleskar hat angeordnet, dass ich seinen Hengst für einen Ausritt bereithalten solle“, verteidigte sich Arkhip. „Ich hab’ auch nur zwei Hände.“
Seine Zungenspitze schob sich durch eine Zahnlücke im Oberkiefer, die er einer Prügelei mit dem Schmiedsohn Torip, um die Gunst von Brianka, der Tochter der Köchin, verdankte.
„Und einen Kopf, der zudem noch leer ist“, entgegnete Bojan. „Merke dir: Anordnungen für den Hof haben Vorrang vor den Anordnungen des Vergnügens.“
Arkhips Grinsen verschwand und seine Augen verdunkelten sich.
„Jetzt spute dich. Sattle das Pferd für Herrn Boleskar und spann’ anschließend den Wagen an.“
„Ja, junger Herr.“ Erleichterung darüber, dass Bojan Geduld zeigte, spiegelte sich in Arkhips Gesicht wieder. „Ich eile mich, junger Herr.“ Er rannte zum Stall.
„Zwei Herren in einem Reich haben noch nie gut getan“, sagte Meister Samail in seinem Rücken. „Sieh’ es Arkhip nach, Bojan.“
„Ihr solltet mich besser kennen, Meister Samail.“
„Ich kenne dich, Bojan. Und ich kenne Boleskar. Ihm sitzen Peitsche und Knute locker in der Hand und du hast Arkhip gerade eine saftige Tracht Prügel erspart.“
Bojan wusste das. Trotzdem wollte er keine Wertung über seinen Bruder hören. Auch nicht vom Waffenmeister Samail, dessen Freundschaft zu seinem Vater Yermolai tief und die Treue zum Hause Timofei unerschütterlich war.
„Schweigt, Meister Samail!“ Er schloss die Augen und hielt sein Gesicht den Sonnenstrahlen entgegen; spürte die erste Wärme nach einem langen Winter, roch den Geruch der tauenden Erde.
‚Warum ist Boleskar zurückgekommen, wenn er die Städte und das Leben im Süden so sehr liebt? Grundbesitz und Titel hätte Boleskar trotzdem haben können. Ich wäre zufrieden, hier leben und die Geschicke des Gutes leiten zu dürfen.’
„Boleskars Herz ist von Neid zerfressen“, sagte Meister Samail leise, als ahne er Bojans Gedanken.
„Neid? Wegen mir?“ Bojan lachte. „Ihr träumt, Meister Samail. Wieso sollte Boleskar auf mich neidisch sein? Er ist der Erstgeborene. Wenn die Zeit da ist, gehen Titel und Besitz an ihn.“
„Er wird nie die Liebe und den Respekt der Menschen genießen.“
„Respekt? Ihr habt eben das lose Mundwerk von Arkhip gehört. Wo soll ich Respekt genießen, wenn ein Stallbursche solche Widerworte für seinen Herrn hat?“
„Arkhip wollte deine Anordnung befolgen, obwohl er den Zorn Boleskas fürchtet. Respekt zeigt sich nicht in einer kriecherischen Gesinnung.“ Meister Samail stand auf. „Denk an meine Worte, Bojan: Sei auf der Hut.“