Grelle Mutte

Betcy

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Grelle Mutte
In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts war der Glaube an Wunderheilungen noch weit verbreitet. Wer irgendwelche Beschwerden hatte, fuhr zu Horstmann. Jeden Abend nach dem anstrengenden Tagwerk auf seinem Bauernhof saß der gute Mann in der besten Stube und empfing die Menschen der näheren Umgebung. Er hörte sich die Leidensgeschichten an, sprach einige aufmunternde Worte, und schon ging es den Patienten besser. Gelegentlich wurde ein kleines Pöttchen weißer Salbe verschrieben, das in der Apotheke besorgt werden musste. Die Behandlung war natürlich umsonst. Aber es hatte sich herumgesprochen, dass 20 DM als angemessene Entlohnung angesehen wurden. Das Sparschein auf dem kleinen Tisch in der Nähe der Tür hatte eine entsprechend große Öffnung.

Sicher ist es möglich, mit einem festen Glauben, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. Doch mit der Zeit trieb der Glaube an die Heilungskräfte des Mannes seltsame Blüten. So kam es, dass Mia ihren Ehemann Hermann eines Tages auf die Reise zu Horstmann schickte, weil sie eine "grelle Mutte" nicht mehr bändigen konnte. Diese, ganz offensichtlich verhaltensgestörte Sau, hatte bereits zwei ihrer frisch geborenen Ferkel zu Tode getrampelt.

Allein wollte Hermann aber nicht fahren. Also verabredete er sich mit zwei guten Freunden in der Stammkneipe bei Hodes Jan. Nach jeweils drei Bier und den dazugehörigen Kurzen brachen Hermann, Franz und Aloys zu ihrer Reise nach Lindern auf. Schon in Neuvrees bekam das Trio erneut großen Durst. Also unterbrach man die Fahrt und trank bei Diekmann noch ein Bier und zwei Schnäpse. Weiter ging die Fahrt. Aber schon nach wenigen Kilometern verspürte Franz großen Blasen-Druck. Notgedrungen kehrte man also bei Grotegeers ein. Hermann verzichtete diesmal auf die Klaren, schließlich war er der Fahrer. Nächster Halt war beim Dorfkrug in Markhausen. Es wurden aber nur noch Kurze mit etwas Wasser getrunken. Im Dreimädelhaus kurz hinter Peheim versackte das inzwischen gut gelaunte Trio endgültig. Da die Zeit schon mächtig fortgeschritten war, beschloss man nach kurzer Diskussion, die Heimreise anzutreten.

Es war schon spät, als Hermann endlich zu Hause ankam. Mia war bereits auf dem Sofa eingenickt. Als sie ihren Ehemann hörte, begrüßte sie ihn freudestrahlend: "Du kunns noch nich ganz dor wän, doa was dei Mutte so froam, du glöwst dat nich."
(Du konntest noch nicht ganz da sein, da war die Sau so brav, du glaubst es nicht.)

 



 
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