Großes Wutgedicht

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rotkehlchen

Mitglied

Ha! Schurkischster aller Schurken!
Scheußlicher Schreck, schamloses Scheusal!
Schlimm-schlimmster aller Egomanen!
Unhold über schaurig scheckiger Schüssel!

Scheiß dich endlich aus, Nachfahre grausamen
Timurs, dass dein hornig-hassendes Hirn
sich endlich entleert vom unsäligen Unflat
lügenhaft krass-blähender Beleidigungen!

Die Sirenen heulen wie hungrige Wölfe,
in kalten Kellern kümmern keuchende Kinder
Mütter und Väter. Es mordet der Bruder
den Bruder in schrillenden Nächten.

Schimmernder Stahl schürft schändlich
die kostbare Haut der Erde. Häuser zerfallen
in schwarze Ruinen sowie die letzten Kirchen.
Das Geschrei der Krähen auf blutigen Zinnen

übertönt das dumpfe Dröhnen glühender Glocken.
O schändlicher Schurke, Schicksalsschuft!
Schwarzer Schanker schände deine Schar!
Doch schon blühen Blumen auf den Gräbern.
 

sufnus

Mitglied
Hey rotkehlchen!
Von Deinem Topic, wenn ich das so nennen darf, bin ich schwer begeistert! Die Beschimpfung in Gedichtform ist eine uralte Disziplin. Lange vor Monty Pythons "Tödlichem Witz" gab es bereits das tödliche Gedicht. Ein antiker Poet namens Archilochos (er hieß wirklich so) hat mit einem Beschimpfungsgedicht einmal eine ganze Familie ausgelöscht und auch der walisische Dichter Dafydd ap Gwilym hat ein Gedicht verfasst, in dem er einen Kollegen (der zuvor behauptet hatte mit Dafydds Mutter geschlafen zu haben) so übel beleidigte, dass dieser als ihm Dafydds Verse zu Gehör gebracht wurden, tot zu Boden ging. Man sieht, beim Umgang mit aischrologischen Texten (so der Schlau-Ausdruck für wüste literarische Beschimpfungen) ist Vorsicht geboten.
Eine meiner Lieblingsbeschimpfungen entstammt übrigens keinem Gedicht sondern ist einem Gemälde beigegeben: Die saporoger Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief - diesem Gemälde sieht man an, wieviel Spaß die schriftliche Fixierung von Unflat bereiten kann. :)
Also - Dein Text ist insofern bei mir auf fruchtbaren Boden gefallen. Ich mag auch seine klangliche Verspieltheit sehr. Was mich vielleicht noch ein kleines bisschen stört, ist, dass die Sprache teilweise etwas altmodisch-exaltiert rüberkommt - ein bisschen klingt es wie eine Arie aus einer klassischen Oper (hochdramatischer Sopran). Es macht durchaus gute Laune das zu lesen (sofern man sich einigermaßen sicher sein kann, nicht der Adressat zu sein), aber vielleicht könnte es sprachlich bei einigen Wendungen noch etwas Heut-zeitlicher rüberkommen? Schurke, Schuft und Scheusal sind jetzt schon recht alt-ehrwürdige Invektive und Timur kommt auch nicht unbedingt sehr aktuell rüber.
Naja.. wenn ich so drüber nachdenke, nehme ich an, das war insgesamt sogar Absicht... dann würde ich vielleicht versuchen, dass etwas Opernarien-artige des Gedichts noch ein bisschen zu betonen. Vielleicht noch ein paar mehr Opern-typische (ggf. italienische) Interjektionen einbauen (weh mir, oimè, mah, ahi, ach-ach, Dio - alles mit reichlich Ausrufezeichen garniert)? Und eine Art Refrain könnte es außerdem noch etwas "arioser" gestalten?
LG!
S.
 

Tula

Mitglied
Hallo
Als Zusatz, als noch sehr junger und poetisch ahnungsloser Mensch las ich eine Übersetzung der überlieferten Catull-Gedichte und war begeistert. Viel geistreicher und natürlich direkter als die modernen Versuche, den politischen Gegner mal so richtig ... ;)

LG
Tula
 

rotkehlchen

Mitglied
Hallo sufnus
halloTula
das ist die alte Crux: Was man auch immer macht: Einer war schon vorher da, z. B ein altrömischer Satiriker, der es besser konnte. Brech mir allerdings keinen Zacken aus der Krone. Ich tröste mich mit denen, die es schlechter machen. Schurke, Schuft und Scheusal nahm ich wegen der Alliteration auf Sch. Eis drauf. Des Catulls Gedichte kenn ich nicht, dem Archilochos widme ich mein nächstes Gedicht aus meiner Sammlung "Latrinen-Lyrik."
Danke und LG
rotkehlchen
 



 
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