Grundschule (3)

Scal

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Das mag ich, wenn der Opa die Stalltüre aufmacht. Er hat es nämlich gar nicht eilig dabei, und den Kühen, glaube ich, ist das auch recht so, die schauen so zufrieden aus, wenn sie ihn sehen. Lisi macht meistens muh, und Opa redet dann mit ihr und mit den andern auch.

Gestern, in der Stube, da hat Papa zu Mama gesagt: „Das kann man nicht erklären, das muss man spüren!“ Und Mama hat daraufhin gesagt: „Ich spür nix.“ Da hat Papa nur mit den zwei Schultern gezuckt. Das war wegen Fußball, da ist er begeistert davon, der Papa, darum schaut er sich öfter im Fernsehen so ein Fußballspiel an, und die Mama geht dann meistens hinauf zum Opa.

Meine Mama hat sehr gute Augen und ist sehr ehrlich. Einmal hat sie den Kommentator vom Fußballspiel sagen hören: „und der Ball zappelt im Netz,“ und das hat sie neugierig gemacht und sie hat sich darum die Wiederholung angeschaut und dann hat sie gesagt: „Stimmt ja gar nicht.“ So ist sie halt, sehr echt.

In der Schule, da sitzt neben dem Stefan der Ulrich. Der Ulrich ist ein bisschen so wie der Opa, aber nicht beim Gehen und beim Aufmachen von der Tür, sondern beim Reden. Heute hat die Lehrerin den Ulrich wieder einmal was gefragt. Mir ist immer ein bisschen bange wenn sie das tut. Also wirklich, heute ist es mir so gegangen, wie gestern dem Papa mit der Mama und der Mama mit dem Kommentator.

Aber, das muss ich schon noch genauer sagen, wegen dem Unterschied. Weil, das sieht man ja, dass der Ulrich im Netz zappelt. Und ich seh auch, dass die Lehrerin das nicht sieht, wenn ich zu ihr hinschau. Nein, die ist nicht so echt wie Mama! Sehr schade ist das.

Aber freuen tut's mich, dass ich wahrscheinlich so gute Augen wie die Mama habe!
 
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petrasmiles

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Ich mag diese Texte!
Ob das mit der Kindersprache/-denke so gut klappt, ich weiß es nicht. Scheint so. Finde ich aber auch nicht so wichtig.
Ich mag die veränderte Perspektive!

Liebe Grüße
Petra
 

fee_reloaded

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das sieht man ja, dass der Ulrich im Netz zappelt
Ja, mit den richtigen Augen schon. Ich frage mich (als Lehrerin, die wohl selbst nie ganz erwachsen geworden ist), was es ist, das zu dieser Form von "Alterns-Blindheit" führt...

Sehr fein beobachtet und perfekt "verwachsen" präsentiert! Wieder gernst gelesen!

LG,
fee
 

Scal

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Lieben Dank, fee!

Dass mich der Phantasiepfad während des Schreiben zur Schule führte, hat einfach mit dem Titel „Grundschule“ zu tun. Ich bin mir einigermaßen sicher, dass das „nicht-sehen des Zappelns“ oder das „sehenden Auges Zappeln-lassen“ in der heutigen „Lebenswelt“, zumindest in der Grundschule, zu den eher selteneren Ereignissen gehört. Gelegentlich passiert das vielleicht, manchmal wohl auch der momentanen Befindlichkeit oder einer stressigen Situation geschuldet.

Es ist also keine allgemeine „Kritik“ am Schulwesen oder Lehrerverhalten intendiert. Die episodische Szene skizziert einfach einen allgemeinen Verlust des situativ-poetischen Weltempfindens, dem ja, im Idealfall, ein intuitives Erfühlen- und Sehen-Können, also eine gewisse seherische Blickkraft innewohnt.

„Nüchtern-unschmeichlerisch“ gemeint, ergibt sich für mich z.B. der Eindruck, dass du – wenn ich deine Kommentare und Dichtungen lesend auf mich wirken lasse – eigentlich genau jene Tugenden repräsentierst, die ich persönlich für den Lehrerberuf als pädagogisch-wesentlich empfinde.

Dass daneben jeder mehr oder weniger noch allerlei andere „Seelenorte“ in sich hat, ist klar.

Lieben Gruß
Scal
 

fee_reloaded

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Gelegentlich passiert das vielleicht, manchmal wohl auch der momentanen Befindlichkeit oder einer stressigen Situation geschuldet.
....am meisten wohl leider den völlig überfüllten Klassen und der mangelnden Unterstützung der LehrerInnen - und der daraus resultierenden (seelischen und körperlichen) Erschöpfung.

Danke für's nette "nüchtern-unschmeichlerische" Kompliment. Ich war immer mehr die Pädagogin als die Lehrerin (zu meinem Glück fällt das aber in Fächern wie Bildnerischer Erziehung und Werken nicht so schrecklich ins Gewicht ;) ). Wohl auch deshalb, weil ich nicht vergessen habe, worunter ich selbst in meiner eigenen Schulzeit und als empfindsameres Kind gelitten habe.

Du hast es mit
die ist nicht so echt wie Mama!
glaube ich, ziemlich treffsicher er-sehen. Nicht jede/r LehrerIn tut sich leicht mit Autorität und dem "Führen" einer sehr heterogenen "Meute", wie man das als Laie wohl annehmen möchte. Und in den Ausbildungen wird einem da nicht viel Hilfreiches an die Hand gegeben (vor allem nicht in der Ausbildung für die Grundschullehrkräfte).

Liebe Grüße!
 



 
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