Guten Appetit!

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Klaus K.

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Guten Appetit!

Der römische Kommandant der "Saalburg", dem großen Militär-Kastell im Taunus nahe dem heutigen Bad Homburg, war außer sich. Sein Name war Programm, lautete "Immer drauf", im hessischen Dialekt blieb er später dann als "Alls druff!" bekannt. Ein Haudegen, der schon vier Germanen gleichzeitig mit den bloßen Händen so verprügelt hatte, daß diese heute nur noch Bogen schnitzen, aber nie mehr damit einen Pfeil abschießen wollten.
Jetzt gab es schlechte Nachrichten. Vor der Saalburg befanden sich unter anderem auch römische Einrichtungen. Eine Kneipe und Geschäfte, damit die Soldaten während ihrer kargen Freizeit auch etwas Zerstreuung hatten. Ja, auch Germanen waren dort, Grenzgänger am Limes, von den Römern geduldet, und des Vulgär-Lateins jetzt bereits mächtig.
Und jetzt war einer von ihnen dort tot aufgefunden worden.
Das bedeutete Unruhe, denn die Nachricht von seinemTod schwirrte bereits durch die Wälder. Schnell, zu schnell, und das war schlecht. Aufruhr, Ärger und Terror waren zu befürchten. Ein toter Germane vor dem Eingang eines römischen Kastells. Schlecht. Richtig schlecht, vor allem in Friedenszeiten.

Der Kommandant ließ seinen Centurio namens "Glaubnix" zu sich kommen.
"Hör' zu, Glaubnix! Schaff' mir das weg! Du bist dafür mein bester Mann! Klär' das auf! Vielleicht waren andere Germanen beteiligt, diese Chatten hier sind ja zu allem fähig und hängen uns das noch an, dann haben wir den Salat! Du weißt, daß ich übermorgen zweihundert Legionäre nach Mainz entsenden muß.....wir sind dann verdammt unterbesetzt hier! Nimm' dir, was du brauchst, wen du brauchst. Sorge dafür, daß wir unschuldig sind, damit Ruhe einkehrt. Mach' hin, bei Minerva!"

Glaubnix ließ seinen Legionär Sherholmus kommen, ein verdienter und vor langer Zeit romanisierter Kämpfer aus Britannien - der war schlau, und beide waren zudem seit langem befreundet. Dazu den Medicus des Kastells, ein eher immer etwas nervös wirkendes Huhn, aber er war gut, sehr gut, der Hoffnix. Bei jeder seiner Behandlungen hörte man zuerst zwar alle römischen Götter - die männlichen - singen, die wurden aber dann irgendwann von den göttlichen Damen abgelöst, und man befand sich auf dem Weg der Genesung.
Wer hingegen aus seiner Behandlung nicht mehr aufwachte, der hatte halt auf dem Weg zu den Göttinnen die Abzweigung verpasst, da konnte man nichts mehr machen. Hoffnix, der Name sagte doch alles.

Die Drei begutachteten den Toten. Der lag auf dem Rücken, war eindeutig ein Chatte, das verriet bereits auch seine Kleidung.
Hoffnix ging ans Werk. Er hüpfte um den Toten herum, der keinerlei äussere Verletzung aufwies. Er fühlte den Puls, untersuchte die Augenlider, die Mundhöhle, dann den Oberkörper, wozu er die Kleidung öffnete. Dabei grummelte er laufend unverständliches Zeug vor sich hin. Dann überprüfte er die Beweglichkeit von Armen und Beinen des Mannes. Glaubnix wurde ungeduldig.
"Der will nicht mehr weglaufen, Medicus! Was ist, was erzählt dir der Bursche? Wir wollen wissen, wie lange ist der tot? Wann ist der gestorben? Und woran?"
"Also, männlich, maximal dreissig Jahre alt, keine Verletzungen. Die Leichenstarre ist noch nicht vollständig eingetreten, also ist er höchstens seit vier oder fünf Stunden tot. Keine Fremdkörper im Mund- und Rachenraum, aber Geruch nach irgendetwas, das ich noch nicht bestimmen kann. Da keine Fremdeinwirkung erkennbar ist: Entweder totgesoffen, natürliche Todesursache wie ein schwaches Herz, oder Vergiftung. Ich würde ihn gerne aufschneiden und mir seinen Mageninhalt ansehen, vielleicht kann ich dann mehr sagen..."
"Bist du verrückt? Gleich sind die Chatten hier, und dann geht der Ärger los! Wenn dann der Kerl nicht unversehrt hier liegt, dann haben wir ein richtiges Problem! Deine Untersuchung ist erst einmal beendet, Hoffnix! Jetzt sind wir dran!"
Sherholmus hatte bislang geschwiegen.
"Der ist also abgetreten, nachdem hier bereits alles geschlossen war, also frühestens zwei Stunden später. Der Wirt ist einer von uns, mal hören, ob er irgendetwas mitbekommen hat.
Und dann müssen wir erfahren, wo er herkam, wie er hieß und wo er hinwollte. Und vor allem, ob er zu Fuß unterwegs war oder ein Pferd besaß, das jetzt nicht mehr da ist. Ich fang' mal an und frage nach.." meinte Sherholmus und öffnete die Tür zur Taberna, der einzigen Lokalität vor Ort. Der Wirt dort hatte den Mann gefunden und dann sofort die Wachen am Eingang des Kastells verständigt. Aber er wußte nichts über ihn, hatte ihn auch noch nie vorher gesehen, der Tote war auch nicht bei ihm gewesen und hatte entsprechend bei ihm auch nichts getrunken.
Dann wurden die Legionäre befragt, die am vergangenen Abend Ausgang gehabt hatten. Sie hatten alle ihre Zeit in der Kneipe verbracht, bis zur Sperrstunde, Würfelspiele, Met und Wein waren ihre Zerstreuung gewesen. "Der Kerl ist an dem Fusel verreckt, den der Wirt ausschenkt, das ist kein Wunder", solche und ähnliche Sprüche waren zu hören.
Neue Erkenntnisse gab es nicht, niemand kannte den Toten oder hatte ihn vorher bereits einmal gesehen. Die Nachforschungen stockten, die beiden Chefermittler steckten in einer Sackgasse.

Dann kamen die Chatten, fünfzig Mann stark. Grimmig, kurz angebunden. Sie untersuchten den Toten, unterhielten sich in ihrer Sprache. Sie kannten den Mann, kannten auch seinen Namen. Er war vor zwei Tagen aus einem ihrer Dörfer auf Einkaufstour gegangen, wollte bis zum Main herunter, um dann dort Kontakte herzustellen und das mit den Schiffen herangebrachte römische Warenangebot zu prüfen. Ein harmloser Handlungsreisender, allerdings ohne jegliches Gepäck, der jetzt tot vor dem größten Limes-Kastell nördlich des Flusses auf dem Boden lag. Er war unverletzt, das sahen sie auch. Und jetzt erfuhren sie, daß ihr Landsmann nachts dort angekommen war, daß ihn niemand vorher je gesehen hatte. Die Römer waren offensichtlich unschuldig. Zudem wäre ein Mord von ihnen dumm gewesen, gerade jetzt, nachdem sich das Verhältnis zu den Chatten längst völlig entspannt hatte.

Der Centurio Glaubnix war am Ende, ein ungeklärter Fall, das war nicht gut. Zumindest gab es aber keinen Streit mit den Besuchern.
"Hatte euer Mann denn etwas Besonderes im Sinn, als er sich aufmachte?" fragte er.
"Er wollte euer Garum kaufen! Das hatte er bereits einmal probiert, er war begeistert. Wir kennen das nicht....." lautete die Antwort.
Garum! Die römische Würzsauce, in erster Linie unter anderem bestehend aus Thunfisch, Sardellen, Salzlake und viel Sonne! Ein sehr aufwändiger Herstellungsprozeß, verbunden mit einer starken und ekelhaften Geruchsentwicklung, nach der Filtrierung dann aber eine klare, bernsteinfarbene Flüssigkeit. Garum war verfügbar im gesamten römischen Reich, jede Speise wurde damit schmackhaft. Ohne Garum ging nichts, es war schlicht das Wundermittel der antiken Kochkunst.
"Ich ahne etwas....." meinte Sherholmus. "Lass' uns seinem Weg folgen! Wir sollten Richtung Süden gehen, mal sehen...."

Zwischen der Saalburg und dem Main lag "Bona Mansio", der heutige Stadtteil von Frankfurt, genannt Bonames.
Das war eine Herberge, eine "gute Raststätte". Sie befragten den Wirt nach dem Mann. Der erinnerte sich sofort. "Er aß, trank und redete dann mit einem der Händler. Was ich davon mitbekam? Er wollte von ihm Garum kaufen, konnte aber den Preis nicht bezahlen. Dann fragte er mich danach. Ich brauche aber das Garum ja für mich und konnte ihm nichts davon abgeben, wollte das auch nicht. Er trank noch einen Krug Wein und zog dann weiter. Das war kurz vor dem Sonnenuntergang. Mehr weiß ich nicht.....auch nicht wohin er ging, er war aber zu Fuß unterwegs...."

Sie kamen zurück zur Saalburg. Dort angekommen empfing sie ein wütender Kommandant. "Nichts? Ihr habt nichts herausgefunden? Die verdammten Chatten sind zum Glück wieder abgezogen und haben den Kerl mitgenommen, da sind wir erst einmal an einer Katastrophe gerade noch so vorbeigekommen! Ein Aufstand, das hätte uns gerade noch gefehlt! Bei Minerva! Trotzdem, ein junger Bursche, vor unserem Tor, und mausetot...ich will so etwas nie wieder sehen, verstanden?"

Zwei Tage später traf erneut eine Gruppe von Chatten ein.
"Wir haben die Leiche untersucht. Bevor er bei euch vor dem Tor lag, war er noch wieder in seinem Dorf gewesen. Er hatte dort versucht, eure Rezeptur für dieses Zeug nachzumachen, mit dem ihr alles so schmackhaft macht. Sein Bruder ist auch tot, der hatte es zuerst probiert. In seinem Haus fanden wir dann die Zutaten. Neben ein paar toten Fischen und etwas Salz lagen da auch seine verwendeten Kräuter und Gewürze. Da hat er wohl etwas verwechselt...."
"Und dabei hat irgendetwas erbärmlich gestunken?" fragte Sherholmus.
"Genau! Woher weißt du das?"
"Ich vermute, daß er zusätzlich und versehentlich Schierling verwendet hat - absolut tödlich, auch ein kleiner Dosis! Schierling anstelle von Schafgarbe, beide Pflanzen sehen sich sehr ähnlich! Nur, daß Schafgarbe ein völlig harmloses Kraut ist, sehr den Appetit anregend, neben seinen ätherischen Ölen. Beide Gewächse unterscheiden sich fast nur durch durch die roten Punkte am Stiel des Schierlings, die Schafgarbe hat diese nicht. Und sie unterscheiden sich durch den Gestank des Schierlings! Und von diesem Gestank bei der Zubereitung hatte er gehört und deshalb ist ihm die Verwechselung dann auch nicht aufgefallen!"
Der Besucher fuhr jetzt fort:
"Sein Bruder lag dann kurz darauf tot im Haus - da ist er sofort hierhin aufgebrochen, um euren Medicus zu befragen. Er hatte aber bereits von seinem Teufelszeug selber gekostet. Dann schaffte er es wohl nur noch bis kurz vor euren Eingang, ist dort zusammengebrochen und gestorben!"
Der Anführer des Trupps ergriff jetzt das Wort: "Also, Römer, ihr habt mit unserem Toten nichts zu tun. Es war ein Unglück. Der Versuch, eure Speisewürze nachzumachen ist gescheitert. Es war ein Unfall, mehr nicht! Valete, lebt wohl!" Sie zogen ab.

"Hoho, da haben wir noch mal Glück gehabt, Fortuna sei Dank!" meinte Centurio Glaubnix. "Ich werde gleich unserem Chef berichten, der wird begeistert sein! Fall gelöst, besser geht es nicht! Wo steckt eigentlich unser Medicus, den wird das doch auch interessieren?"
"Angeblich ist er in seinem Labor und probiert irgendetwas aus. Dann ist er nicht ansprechbar, du kennst ihn doch. Ach, da kommt er ja..."
"Glaubnix und Sherholmus, euch beide habe ich gesucht! Setzt euch hin, ich habe was für euch. Hier!"
Triumphierend hielt er ein Fläschchen in der rechten Hand, das Glas war nicht völlig durchsichtig, man konnte jedoch erkennen, daß sich eine dunkle Flüssigkeit darin befand. Er zog den kleinen Stöpsel heraus.
"Hier, riecht mal!"
Beide hielten nacheinander ihre Nasen über die Öffnung. Es roch nicht schlecht.
"Und was soll das sein?" fragte der Centurio.
"Die Götter waren mir gewogen! Das ist Hoffnixum, ich habe es so genannt! Es wird mich berühmt machen, und es macht uns von der Herstellung, dem Handel und Transport völlig unabhängig! Es ist eine Sensation! Hier, ich habe euch etwas Brot mitgebracht, ihr seid die ersten, die es probieren dürfen!"
"Hoffnix, Medicus, hör' auf! Sag', was ist das?"
"Es ist Garum, Glaubnix! Mein Garum! Ich habe die griechische Originalrezeptur in einem Buch gefunden, es ist bestimmt großartig, ganz einfach herzustellen, mit allem, was hier so wächst..."
"Hau ab! Hoffnix, hau bloß ab.....ganz schnell!"
 
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Hagen

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Hallo Klaus,
wieder mal eine küfomentale Geschichte, welche die Wunderbare Ulriike, mit manchem Schmunzeln auf ihren schönen Lippen, und ich gerne gelen haben.
Nun ja, so kann's kommen, wenn das Rezept fürr den Schierlingsbecher in falsche Hände gerät!
Das übertrifft sogar meine Geschichte mit der 'Hexengalle' ( Stonehenge, ein Ring und eine Hexe an der ScheinBAR ).

Nun denn, in diesem Sinne, wir sehen uns in der ScheinBAR!
Zudem lesen wir uns weiterhin!
... und bleib' schön fröhlich, gesund und munter!
Herzlichst
Yours Hagen
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Es hilft nichts, die Vergangenheit zurückrufen zu wollen,
außer sie wirkt noch in die Gegenwart hinein.


Gilbert Keith Chesterton
 



 
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