gynophobie (sonett)

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Mimi

Mitglied
er streicht mit seinen händen über haut
die glatt und willenlos sich an ihn schmiegt
schon seit vier tagen hat er eine braut
und weiß wie weich es sich auf kunststoff liegt

im kopf da blüht die phantasie im stillen
er schmeckt sie gierig auf der rauen zunge
und lobt sich frauen ohne freien willen
denn seine braucht nur luft aus seiner lunge

es stören weder bauchweh noch migräne
das liebesspiel zu jeder späten stunde
und selbst beim anblick ungepflegter zähne
sagt sie nicht nein zu einer zweiten runde

dann schläft er selig bis zum morgengrauen
erträumt sich insgeheim mehr selbstvertrauen
 
Zuletzt bearbeitet:

wüstenrose

Mitglied
Hallo Mimi,
bis zu den beiden Schlusszeilen gefällt mir dein Sonett in jeder Hinsicht sehr gut. Dann aber empfinde ich es als Manko, dass noch einmal explizit herausgestellt wird, was hier belächelt werden darf. An dieser Stelle geht die schöne Leichtigkeit flöten. Worum es geht, hat jede*r längst verstanden. Am Ende wird quasi der Witz noch einmal erklärt, das stört.

lg wüstenrose
 

Aufschreiber

Mitglied
Hallo Mimi,

ich würde mich @wüstenrose hier anschließen.

"dann schläft er selig bis zum morgengrauen
und träumt von einer welt aus plastik-frauen"

Eine andere Wendung wäre hier schön, etwa:
"... und träumt, es gäb nur diese Sorte Frauen."

Das ist freilich eine "Aufschreiber-Idee", aber vielleicht fällt Dir etwas ein?
Ein Witz, den man erklärt, ist gestorben, ja, mehr noch, trifft die Leser, die sich bis eben noch seiner erfreuten.

Beste Grüße,
Steffen
 

Mimi

Mitglied
Lieber wüstenrose, lieber Steffen,
Ihr habt nicht ganz unrecht bezüglich der letzten beiden Zeilen...
Es klingt wie eine (nervige) Wiederholung.

Ich habe das Sonett dahingehend etwas abgeändert, um in der Schlusszeile eine Wiederholung zu vermeiden und um dem Gedicht eine andere "Wendung" zu geben.

dann schläft er selig bis zum morgengrauen
erträumt sich insgeheim mehr selbstvertrauen

...



Danke für die Kommentare und Anregungen!

Gruß
Mimi
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Also da masturbiert einer mit einer Plastikpuppe.

Was ist denn daran mysogyn oder gynophob?
 

James Blond

Mitglied
Liebe Mimi,
das Thema erinnert mich natürlich gleich an ein Lied von Roxy Music: 'In Every Dream Home a Heartache',
ein wunderbares Stück übrigens, in dem es unter anderem heißt:
...
I bought you mail order
My plain wrapper baby
Your skin is like vinyl
The perfect companion
You float my new pool
De luxe and delightful
Inflatable doll
My role is to serve you
Disposable darling
Can't throw you away now
Immortal and life size
My breath is inside you
I'll dress you up daily
And keep you till death sighs
Inflatable doll
Lover ungrateful
I blew up your body
But you blew my mind


Das hat nach meinem Dafürhalten weit mehr Biss und tiefer sitzende Power, dein Sonett kommt mir dagegen etwas altbacken moralisierend vor, auch wenn es sich um Ironie bemüht. Allein schon der Titel zeigt den psychologisierenden Erklärblick. Wüstenrots Vorschlag für den Schluss ist wunderbar.

Grüße
JB
 
Zuletzt bearbeitet:

Aufschreiber

Mitglied
Nun, wenn wir diesbezügliche andere Werke betrachten wollen, dann fiele mir sofort Tim Minchin ein, der das Ganze auch thematisiert hat:
nämlich hier.

Aber ich möchte Mimis Text nicht vergleichen (müssen), weil auch über Gänseblümchen schon Menschen unterschiedliche Texte kreiert haben ...
Mir persönlich gefällt dieser recht gut, obgleich die Idee schon sehr offensichtlich ist, was meinem Humor ein wenig "entgegen" steht.

Mein Fazit:
Nicht der Superhit, aber recht ansprechend. ;o)

Beste Grüße,
Steffen
 

Henrik

Mitglied
Die Idee ist nett, formal schön umgesetzt und gut lesbar, jedoch wertet das Sonett zu stark.
Es ist immer schwer sich detailliert in die Empfindungen des anderen Geschlechts hineinzuversetzen.
Das mit der rauen Zunge verstehe ich nicht ganz.

Eine typische männliche Eigenschaft ist z.B. Pragmatismus. Es ist billiger als Prostituierte zu bezahlen und deutlich sportlicher als reine Handarbeit. Mann bleibt so in Übung - man weiß ja nie. Die inzwischen immer angesagteren Sexpuppen sind übrigens aus Silikon usw. und sehen überraschend realistisch aus.

Gerne meine 2Cent eingeworfen,
LG
Henrik
 

Mimi

Mitglied
Liebe LeLu-Mitglieder,
Dankeschön für die Anregungen, Vorschläge und Kommentare zu meinem Sonett.
Humorvolle Gedichte zu schreiben, ist alles andere als eine leichte Sache.
Das habe ich schon bei meinem letzten Limerick-Versuch feststellen müssen...

Der Vorschlag von @wüstenrose hat im direkten Vergleich deutlich mehr Biss.
Auch der spöttisch-sarkastische Ton wird hier gut getroffen.
Für mich klingt es aber an der Stelle zu überspitzt.
Sicherlich ist das in diesem Genre auch immer Ansichtssache ...



Was ist denn daran mysogyn oder gynophob?
Nun ja, Misogynie und Gynophobie sind ja nicht identisch...
Während Misogynie Frauenfeidlichkeit bis hin zu Frauenhass bedeutet und oftmals eine angelernte kulturelle Einstellung ist, liegt bei der Gynophobie eine krankhaft irrationale Angst vor Frauen vor, die unterschiedliche Ursachen oder Auslöser haben kann.
Auffällig ist, dass die meisten Männer, die unter Gynophobie leiden, oftmals ein niedriges Selbstwertgefühl sowie starke sexuelle Unsicherheiten gegenüber Frauen zeigen.


Das hat nach meinem Dafürhalten weit mehr Biss und tiefer sitzende Power, dein Sonett kommt mir dagegen etwas altbacken moralisierend vor, auch wenn es sich um Ironie bemüht. Allein schon der Titel zeigt den psychologisierenden Erklärblick. Wüstenrots Vorschlag für den Schluss ist wunderbar.
Was den Song angeht, stimme ich @James Blond zu. Da sind gewisse (inhaltlich) Parallelen erkennbar, die allerdings nicht beabsichtigt sind.
Den "psychologisierten Erklärblick" empfinde ich eigentlich nicht als solchen.
Ich glaube aber, verstanden zu haben, was damit gemeint ist und wie ich das zukünftig vermeiden oder reduzieren kann.
Ob das Sonett nun "altbacken" klingt oder eher "klassisch" daherkommt, auch darüber kann man natürlich diskutieren.
"Altbacken" im Sinne von altmodisch finde ich es persönlich nicht.


Das mit der rauen Zunge verstehe ich nicht ganz.

er schmeckt sie gierig auf der rauen zunge

Gemeint ist hier die Phantasie, die er förmlich auf der Zunge schmeckt ...
(Ähnlich wie beim Anblick eines leckeren Gerichts)

Die inzwischen immer angesagteren Sexpuppen sind übrigens aus Silikon usw. und sehen überraschend realistisch aus.
Ja, es gibt mittlerweile einen riesigen Markt für Sexpuppen mit (fast schon) lebensechten Funktionen, wie in Japan zum Beispiel.
Dort gilt man deshalb auch nicht gleich als perverser "Freak", obwohl sich die wenigsten Männer öffentlich dazu bekennen würden, Sex mit einer Puppe zu haben.
Allerdings ist nicht jede Puppe aus Silikon.
Viele sind nach wie vor aus aufblasbarem Plastik, so wie die Puppe im Sonett...


Das Sonett ist (m)ein Versuch, dieses Thema etwas humoristisch und ironisch darzustellen ...
Gut, gerade der Schlussteil ist da sicherlich ausbaufähig und nicht optimal gelungen, das muss ich zugeben.

Vielleicht kann man das Gedicht auch als eine Art psychotherapeutische Übung für das LyrIch sehen...
Für mich war es in jedem Fall eine (weitere) Übung.

Danke nochmals für Eure Kommentare!

Gruß
Mimi
 

James Blond

Mitglied
Ob das Sonett nun "altbacken" klingt oder eher "klassisch" daherkommt, auch darüber kann man natürlich diskutieren.
Nur das wir uns nicht missverstehen, liebe Mimi: Das "altbacken" bezog sich nicht auf die Form, sondern auf die thematische Herangehensweise. Ein allwissender Autor schreibt hier über "ihn", blickt analysierend auf dessen Treiben. Allein in dem Wort "Gynophobie" steckt schon ein ganzes psychologisches Modell.

Grüße
JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 24194

Gast
er streicht mit seinen händen über haut
die glatt und willenlos sich an ihn schmiegt
schon seit vier tagen hat er eine braut
und weiß wie weich es sich auf kunststoff liegt

im kopf da blüht die phantasie im stillen
er schmeckt sie gierig auf der rauen zunge
und lobt sich frauen ohne freien willen
denn seine braucht nur luft aus seiner lunge

es stören weder bauchweh noch migräne
das liebesspiel zu jeder späten stunde
und selbst beim anblick ungepflegter zähne
sagt sie nicht nein zu einer zweiten runde

dann schläft er selig bis zum morgengrauen
erträumt sich insgeheim mehr selbstvertrauen
hallo in die runde -
warum sollte die wichtigste aussage gestrichen werden?
 

fee_reloaded

Mitglied
Sehr flott und unterhaltsam, liebe Mimi!

Für mich kommt der humorig-ironische Ton gut durch und ich habe es beim Lesen definitiv nicht als wertend empfunden. Dein neuer Schluss ist perfekt und das Tempo und die Formulierungen richtig gut! Man muss und kann ja auch gar nicht das Rad dauernd neu erfinden bzw. bedichten...es kommt darauf an, WIE man Bekanntes so verpackt, dass der Leser - so wie ich - sich gut unterhalten fühlt. Ich lese allderdings auch gerne Psychologisch-Augenzwinkerndes. Trifft also voll meinen Geschmack!

Sehr gerne gelesen, weil gut gemacht!

Liebe Grüße,
Claudia
 

petrasmiles

Mitglied
Da möchte ich Fee auf den ersten Blick grundsätzlich recht geben.
Ich bin da nur vorsichtiger mit den 'Diagnosen' in griechischer Sprache. Wenn ich mir vorstelle, einen Körper zu haben, den ich erst mühsam 'in die Spur' bekommen muss, weil er mich mit unfreiwilligen Erektionen peinigt, feuchte Laken beschert oder meine Aufmerksamkeit nach sekundären Geschlechtsmerkmalen filtern lässt, dann kann ich mir das verkürzt auch als einen Akt der Autonomie vorstellen. Da geht es nicht genuin gegen die Frau, sondern um die Rahmenbedingungen von männlicher Sexualität. Es ist nicht mehr 'modern' zu versuchen, sich in 'den anderen' einzufühlen, hingegen Männerschelte schon. Ich fühle mich nicht wohl bei Texten, die jemanden vorführen.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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