Häretiker (Limerick)

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sufnus

Mitglied
Hey James!

Ich freue mich - dreimalhohes Sehr - dass Du den kürzlich mal wieder weitergeknüpften Limo-Faden so diskussionswürdig fortsetzt. Ich liebe Limos sehr und hadere doch mit dieser Form wie mit wenig anderen.

Also. Diskussionswürdig:
In der äußeren Form natürlich nicht, ich würd den Limo-Swing der Zeilen hier als durchgängig auftaktisch gestalteten Daktylus mit Katalexe beschreiben. Sehr schön. Auch die Reimwörter sind ohne Fehl und Tadel, insbesondere wie es halt auch mal etwas unverbrauchtere Reimwörter sind und nicht einfach im Wie-gehabt-Stil Garten-warten-Liebe-Diebe-Beine-Steine (usw.) Üblichkeitsreimwörter gereiht werden. :) Alles wunderbar also.

Und wo bleibt das große ABER?
Bei folgendem erstmal noch nicht (ha!): Das Sujet ist natürlich ein Aufhänger für schwarzen Humor und würde von empathischen Seelen sicher mit der Vorbemerkung "Triggerwarnung" gekennzeichnet werden. Der Gebrauch dieser Warnung (den ich nicht per se gar nicht ablehne, aber insgesamt als zu inflationär empfunden habe) scheint mir übrigens seinen Höhepunkt überschritten zu haben und so richtig kam diese durchaus mitmenschlich-fürsorglich angedachte Formulierung nie beim "einfachen Volk" an - das ist aber jetzt ein nur angrenzendes Thema.
Wie dem auch sei: Das Schwarzhumorige ist - ähnlich wie die weiter oben angerissenen formalen Aspekte - im Limo-Humor tief verankert. Also daher auch an diesem Punkt erstmal gerade kein ABER von meiner Seite. Das ist vielmehr geradezu Limo-prototypisch. :)

Jetzt aber genug des "Spannungsbogens".
Was m. E. noch nicht so richtig hinhaut, ist eine Unwucht zwischen Gesellschaftskritik und Komik. Dieser Limo ist m. E. eher gesellschaftskritisch (oder: kirchenkritisch) als lustig und es sollte anders herum sein. Und dann sind beide Teilaspekte, die Kirchenkritik und der Humor hier ein wenig altbacken, wie ich finde.
Limericks sollen ja nun wirklich vor allem zum Lachen bringen und dabei dürfen sie sich (müssen natürlich nicht) auch mit bösem Humor auf den schmerzbefreiteren Teil des Publikums konzentrieren. Ich postuliere aber mal, dass die Mehrheit der Leser*innen, und gerade auch der schwarzhumorigen Zeitgenießenden, hier beim Thema "Lustigkeit" eher sagen würde, naja... geht so... (Widerspruch bitte umgehend hier anmelden! :) ).
Der Topos des lüsternen Priesters ist als "Witz", glaube ich, irgendwie "auserzählt". Allzulange sind wir hier schon in einer Phase angekommen, in der - zumindest in Deutschland - ein so breiter gesellschaftlicher Konsens zu diesem Thema im Speziellen und zum "Bodenpersonal" der Kirche im Allgemeinen besteht, dass ein kritischer Witz zu diesem Thema wirklich Eulen nach Athen trägt (in anderen, exotischen Weltgegenden, wie zum Beispiel in Bayern, mag das sicher anders aussehen).
Und dann die eigentliche "Pointe" mit den "Protestanten" … also als ich im letzten Jahrtausend Grundschüler war, da war getrennter Religionsunterricht für die beiden "christlichen Gemeinschaften" die übliche Stundenplan-Prozedur und da haben wir Schüler*innen uns an Wortspielversuchen zu "Protest" und "Protestanten" im Sinne eines interkonfessionellen Humors versucht. Es gab damals schon zündendere Pointen. ;)

LG!

S.
 

James Blond

Mitglied
Lieber sufnus,

ich bin dir wirklich sehr dankbar für die Energie, die du an diese althergebrachte Form "verschwendest", die hier üblicherweise nur ein müdes Lächeln hervorruft und bestenfalls noch eine Übungsaufgabe für den Dichternachwuchs stellt.

Nach etlichen Konjunkturzyklen ist die Rentnerbeschäftigung "Limerick" mittlerweile auf das Kreuzworträtselniveau einer tolerierten, zumeist aber beschwiegenen Wortkunst herabgesunken. Dabei hält diese Disziplin auch für erfahrene Experten noch einige Überraschungen bereit.

Aus diesem Grund habe ich einen Griff in meine Archivkiste gewagt und einen Limerick geangelt, der zumindest in seiner Form dem geforderten Muster entspricht und für neue und alte Interessierte einen Anreiz zu eigenem Schaffen geben könnte. Das gilt auch für den Gebrauch von Inhalten, deren ethisch-moralische Brisanz empfindsameren Seelen eine Triggerwarnung erwarten ließe. Doch wer Limericks liest, ist selbst schuld und braucht auch keine zusätzlichen Anreize wie: "Der nachfolgende Text könnte empfindsamere Leser verletzen oder verstören. Zu Risiken oder Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Therapeuten." ;)

Nun ja, das heikelste und oft nicht erfüllte Gebot des Limericks bleibt der Überraschungshumor, der sich auf die Schlusspointe konzentriert. Und der ist in diesem Fall - zugegeben - recht mager. Ein abgedroschenes Thema, selbst mit einem Kalauer aufgepeppt, macht noch keinen großartigen Witz.

Wer allerdings sich etwas eingehender mit der Geschichte der Limericks beschäftigt, wird feststellen, dass sich der Humor in dieser Form seit Edward Lears Zeiten, (Mitte 19.Jh) immer wieder gewandelt hat: Vom Unsinnigen zum Skurrilen, Hintersinnigen, Satirischen, Sarkastischen und auch Kalauerhaften.
Insofern halte ich eine Satire über den geilen Priester zwar etwas klischeebehaftet, es fehlt damit das Überraschungsmoment eines echten Witzes.

ABER: Die politische Dimension der Kirchenkritik ist auch nicht zu verachten. Eine Definition für Humor lautet bekanntlich: Lach doch, wenn du kannst. :) Und angesichts der fortwährenden Nachrichten zu diesem Missbrauchsthema kann einem das Lachen schon mal im Halse stecken bleiben. Auch das lässt sich gut in einen Limerick kleiden, es muss auch hier nicht immer der Schenkelklopfer oder die Kicherarie sein.

Bemerkenswert an diesem Limerick ist, wie ich finde, dass in wenigen Worten sogar mehr als eine kleine Geschichte erzählt wird. Denn die Pointe zielt hier nicht auf den Fummelpriester, sondern auf seinen Vorgesetzten und damit auf die traditionellen Vertuschungsstrategien seiner Kirche. Darin, dass sich die Wehrenden den Vorwurf als "Abweichler" einhandeln, zeigt sich das wahre Antlitz dieser Institution. Insofern ist der Begriff der "Protestanten" hier weit mehr als nur ein alter Kalauer von Gymnasiasten. Er zeigt zugleich die historischen Bezüge wie auch die Denkungsart ihrer Vertreter. Wem das nicht lustig genug ist, dem kann ich auch nicht helfen. Wie gesagt, ist alles auch eine Frage des eigenen Humors ...

Gern geantwortet.

Grüße
JB
 

sufnus

Mitglied
Hey James!
Vermutlich wäre es hier um der korrekt gewichteten Wiedergabe meiner Seelenlage klüger gewesen, erst mit meinem Einwand zu beginnen, dann die formalen und sprachlichen Qualitäten des Limos zu benennen und dann meine Grunderfreunis über die Limo-Faden-Fortspinnung zu äußern. Im Sinne von: Das Wichtigste zuletzt. :)
Aber vielleicht wär Dir das dann auch wieder ein wenig zu harmoniesüchtelnd vorgekommen? ;)
Ich geh jedenfallsdavon aus, dass Du gerade auch an der etwas falschrum gewickelten Reihenfolge der Argumente Deinen Spaß hattest. :)
LG!
S.
 

N. Valen

Mitglied
Ein präzise gebauter Limerick mit satirischer Klinge – formstreng, pointiert und alles andere als harmlos.
Der Kontrast zwischen der verspielten Form und dem schwerwiegenden Inhalt wirkt verstörend – und genau das scheint Absicht zu sein.
Der letzte Vers kippt ins bitter Ironische: eine Anklage gegen das institutionelle Wegducken, verpackt in vermeintlichen Witz.
Wer nur auf den Reim hört, könnte lachen. Wer den Inhalt spürt, bleibt wahrscheinlich stumm. Und genau da entfaltet sich die Kraft des Textes.
 



 
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