Hallo Flumi,
ich habe gerade beim durchforsten meiner alten Gedichte eines gefunden, das zu unserer Diskussion passt:
Toll, was Menschen alles wissen
über guten deutschen Stil,
so ist´s gut und so beschissen -
hier zu wenig, da zu viel.
Drum las ich bei den alten Meistern,
wie man schön und edel schreibt,
und fing an Verse hin zu kleistern,
Verse, deutsch und wohlbeleibt.
Ich baute Sätze gleich den Domen,
kathedrahlengroß und schwer,
voll mit Relativpronomen,
tiefgeschachteltes Geplärr.
Halt, hör ich den ersten Meister,
wie er mich zur Ordnung ruft,
meinen schönsten Satz zerreißt er,
weil die Metrik gar nicht groovt.
Viel zu viele Stolpersteine,
viel zu vieles das sich reibt,
und viel zu viel unreine Reime,
so wie der eben, ...doch - der bleibt!
Dann geht er mir an meine Sätze
und streicht mir jedes Adjektiv,
das Beiwort sei die schlimmste Krätze,
meint er, provinziellster Mief.
Knete deine Sätze, sagt er,
quetsch alles, was nicht muß, heraus,
Bete, weine, petzte! klagt er,
und fletscht dabei die Zähne kraus.
Ich frage ihn, was dann noch bleibe,
wenn man sein Werk so hart massiert,
und les mein Werk in seiner Schreibe
und fühl mich dann doch arg kastriert.
Nun, was Menschen alles wissen
über guten deutschen Stil,
scheint mir doch oft sehr verbissen,
Was ist Form ohne Sexappeal?
Ho! ruf ich den zweiten Meister,
einen wahren Lyrikgott,
auf meinen ersten Lehrer scheißt er
und sitzt auch sonst oft auf dem Pott.
Dichten ist ein Ding des Bauches,
aus dem Bauche kommt das Wort,
er meint, für wahre Lyrik braucht es
nur den einzig wahren Ort.
Ich glaub, der schreibt nicht für die Masse,
sein ganzes Euvre riecht schon so,
doch seine Dichtung, die hat Klasse,
nur wird der Platz knapp überm Klo.
Sogleich erzähl ich dem Poeten,
was der erste mich gelehrt,
erzähl vom Satz- und Versekneten -
Kneten? - fragt er - Nicht verkehrt!
Doch dichten wir nicht zur Erbauung,
Erbauung ist so lebensarm.
Wahres kommt aus der Verdauung,
fließt wie Dünnschiß aus dem Darm.
Dann zeigt er mir die Materialien
aus denen er uns Oden strickt,
doch mir reicht es an Fäkalien,
drum hab ich die Lektion geknickt.
Tja, was Menschen alles wissen,
über guten deutschen Stil,
...die Kunst korrekt vorbeizupissen
ist auch `ne Schule ohne Ziel.
Nun steh ich hier, ein dummer Dichter,
der schweigend seine Flappe zieht,
mein Vers, entmannt vom Metrikrichter,
verdorben, wie mein Appetit.
Poch! Klopft da der dritte Meister,
seine Meinung hör ich noch...
Mit südländischem Namen heißt er
und ist ein wahrer Zeilenkoch.
Er trägt die Seele auf der Zunge,
sein Herz, dad er in Töpfen schleppt,
singt er heraus aus voller Lunge,
er singt mir sein Geheimrezept:
Allzu lange Sätze nerven,
in der Kürze liegt die Macht,
die Gewürze die hier schärfen,
sind kurz gebraten, schnell gedacht.
Ein Vers muß dem Geschmack entspringen,
lecker, knackig und mit Biss,
damit die Leser ihn verschlingen
steht auf guten Versen "Friss!"
Leider ist mir nie ein passender Schluss eingefallen.
Gruß
Stefan