Haiku (Taube)

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G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Lb. poetix,

die Idee und das Bild der beiden letzten Zeilen ist interessant. Aber bei dem Text fehlt mir etwas. "Schnelle Autos" - das ist zu billig, zu berechnend. Und es ist nur beschreibend. Es fehlt der Pfiff, ohne den ein gutes und vor allem interessantes Haiku nicht auskommt.

Mal auf die Schnelle ein Vorschlag:

Berufsverkehr -
die Taube stupst
ihr totes Junges

Ist aber nur ein schneller Versuch! ;) Vielleicht kannst du trotzdem mit meinem Kommentar etwas anfangen.

LG
BeBa
 
A

Architheutis

Gast
Hallo poetix,

Dein Haiku wirftein unstimmiges Bild:

Taubenküken, vom Auto überfahren...

Also, ich wohne in der Stadt. Tauben stubsen nicht ihre Jungen, nichtmal ihre toten. Die klatschen aus der Dachrinne, sind eh tot und werden nicht weiter beachtet. Und wenn ein Auto über das (unwahrscheinlich, aber meinetwegen noch lebende) Küken fährt, dann ist es platt wie der Asphalt. Gestupst wird hier gar nix.

Weder biologisch, noch physikalisch korrekt.

Da ein Haiku ein stimmiges Naturbild abgeben sollte (sonst ist es ja symbolisch, wertend), ist Dein Versuch leider misslungen.

Ich möchte auch eine Lanze brechen für die Nichtfütterung von Stadttauben. Weder den Tieren, noch dem Menschen wird dadurch geholfen. Wer Tauben füttert, ist kein Tierfreund. Er ist ein erbärmlicher Idiot.

Sorry,
Archi
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Da hat Architheutis aber mal richtig zugeschlagen! Und das nicht nur mit Worten, sondern auch in der Benotung. Man könntre fast meinen, er brennt nach längerer Abstinenz. ;)

Die Psychologie der Tauben war nie mein Thema. Sollte Architheutis (wer denkt sich nur solche Namen aus!) mit seinen wissenschaftlichen Behauptungen im Recht sein, so ist dein Haiku wohl nicht mehr zu retten. Das Naturbild (heutzutage kein Muss, aber ein Kann), soweit verwendet, muss schon stimmen. Ob es so ist, das macht unter euch aus. ;)

LG
BeBa
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
auch und auch und auch

Was liegt hier wirklich vor?
Es gibt in diesem Dreizeiler schnelle Autos, und dann gibt es eine Taube, und die stupst ihr Küken. Und außerdem gibt es gewiß noch Trauerweiden, Hundekot, Fußgänger, Radfahrer, Spatzen, Fliegen usw., nun ja, die müssen nicht alle genannt werden in einem Kurzgedicht. Warum dürfen die Impressionen nicht schlicht nebeneinander stehen? Oder wollen wir den Zusammenhang noch in die Richtung "vertiefen", die Taube habe ihr Junges totgestupst?
Da logische Verknüpfungen nicht in ein Haiku gehören, und da die hineinlesbaren logischen Verknüpfungen (wie bewiesen) nur auf Absurditäten hinauslaufen, sollte man solche Kausalitäten auch nicht zwischen den Zeilen lesen, sondern lieber davon ausgehen, daß auch der Verfasser die Impressionen nicht durch Folgerungen oder gar Wertungen verknüpfen wollte.
 

poetix

Mitglied
Hallo BeBa,
danke dir für deinen wohlwollenden Kommentar. Das vorliegende Haiku ist nicht die erste Fassung. Ursprünglich waren da keine Autos, nur die Taubenmutter und ihr Junges. Die Autos waren der (wohl zu offensichtliche) Versuch, einen zweiten Pol einzuführen. Der "Berufsverkehr" passt nicht ganz in das erlebte Bild; denn es war relativ ruhig. Ab und zu ein Auto, aber für ein fliegenlernendes Junges zu schnell. Vielleicht könnte man schreiben
Autos hupen -
die Taube stupst
ihr totes Junges
Ich werde noch darüber nachdenken.
Viele Grüße
poetix
 

poetix

Mitglied
Hallo Architheutis,
danke, dass du dir die Mühe machst, deine Bewertung zu begründen. Dein Kommentar zeigt ein Problem der Kürzestgedichte auf: ihre Missverständlichkeit. Es geht damit los, dass du in der Stadt wohnst, ich in einem Vorort. Die Tauben, die ich beobachtet hatte, waren keine Stadttauben, sondern Wildtauben. Sie sind keine "Ratten der Lüfte", sondern stehen unter Naturschtz. Sie werden nicht gefüttert, sondern suchen sich ihr Futter selbst in der Natur. Sie nisten nicht in Dachrinnen, sondern in Baumkronen. Tatsache ist auch, dass die Taubenmutter ihr Junges mehrfach angestupst hat. Mag sein, dass es zuerst noch gezuckt hatte. Vielleicht hätte ich schreiben sollen "sterbendes Junges". Aus dem Nest gefallen war es nicht, das Nest befand sich nicht dort. Nach seinem Alter zu urteilen hatte es begonnen, fliegen zu lernen. Dabei muss es wohl von einem Auto erfasst worden sein. Gesehen habe ich das nicht und es wird auch nicht explizit gesagt. Der Leser könnte aber auf dieselben Schlüsse kommen wie ich. Ich habe nur das Bild beschrieben, wie es sich mir darbot (biologisch und physikalisch korrekt, so wie es war). Gewertet habe ich überhaupt nicht, das hast du getan. Trotzdem Dank für deine Beschäftigung mit dem Werkchen.
Viele Grüße
poetix
 

poetix

Mitglied
Hallo Mondnein,
du hast recht,
daß auch der Verfasser die Impressionen nicht durch Folgerungen oder gar Wertungen verknüpfen wollte.
Genau so ist es. Auch damit hast du recht, dass so ein Kurzgedicht immer selektiv sein muss, nicht alle Spatzen und Fliegen erwähnen kann.
Viele Grüße
poetix
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Lb. poetix,

Der "Berufsverkehr" passt nicht ganz in das erlebte Bild; denn es war relativ ruhig. Ab und zu ein Auto, aber für ein fliegenlernendes Junges zu schnell.
kann ja auch nicht! Erstens war ich nicht dabei und zweitens ist es, wie ich schrieb, ja nur ein schneller Versuch zu zeigen, was ich meine. Der Berufsverkehr stand hier lediglich für eine weitere Ebene, die das Haiku reicher macht.

Haiku ist mehr (auch wenn manche es nicht wahrhaben wollen) als lediglich das Schildern eines Erlebnisses.

Aber, wie gesagt, war es ja nur ein Gedanke, dem du nicht folgen musst. ;)

LG
BeBa
 

poetix

Mitglied
Hallo BeBa,
das hatte ich auch so aufgefasst. Dein Vorschlag war für mich ein Anstoß, die Sache noch einmal neu zu überdenken. Und so entstand dann die neue Version. Da es mit Architheutis so viele Missverständnisse gab, habe ich jetzt ausführlicher formuliert und musste dabei auf die 5-7-5-Form zurückgreifen. Ob die "hupenden Autos" die Ebene des "Berufsverkehrs" erreichen, weiß ich nicht. Es könnte sein, dass die Autos warnend hupen, weil sie die Tauben am Straßenrand sehen. Es wäre dann eine weitere Beschreibung der Situation, die doch mit dem Rest in Zusammenhang steht. Ein zweiter Pol.
Viele Grüße
poetix
 
A

Architheutis

Gast
Hallo nochmal,

Die Tauben, die ich beobachtet hatte, waren keine Stadttauben, sondern Wildtauben.
Das ist allerdings missverständlich. Auch die Lyrik lebt von den Bildern, die sie im Kopfe des Lesers erzeugt. Bei nunmehr "hupenden Autos" denke ich halt unweigerlich an die Hektik eines Großstadtverkehrs und denke, dass es Vielen ebenso geht. Ich hätte mit dieser Erbarmungslosigkeit des Stadtverkehrs gegenüber wehrlosen Geschöpfen noch was anfangen können - wenngleich ich eher eine Oma denn eine Taube genommen hätte. Du weisst, ich mag Stadttauben nicht sonderlich, hätte eher noch Gas gegeben, denn gehupt... ;-)

Jetzt haben wir eine Szene, in der ein (suggeriert hektischer) Verkehr eine Wildtaubenidylle bedroht? Betroffenheitslyrik in einem Haiku?

Sorry, aber ich verstehe den Text jetzt eher noch weniger. Es ist auch immer ein schlechtes Zeichen, wenn der Autor seinen Text mit weiteren Erklärungen unterfüttern muss, damit er verständlich wird. Das gilt vor allem in einem Haiku. Ich halte meine Bewertung daher für noch mehr gerechtfertigt, als ohnehin. Das Andere es anders sehen, macht ja das Salz in der Suppe, gelle? ;-)

Ich folgte aber dringend Bebas Rat, in einem Haiku die Finger weg zu lassen von der reinen Beschreibung des Erlebten. Er ist ein weiser. In der Prosa hingegen ist genau dies oft der Schlüssel für einen guten Text. Ich denke, Deine Szene eigente sich besser hierfür.

Soweit,
Archi
 

poetix

Mitglied
Hallo Architheutis,
in der von dir bewerteten Version hatten ja die Autos noch nicht gehupt. Auch ein paar sporadisch vorbeifahrende, beim Anblick der Tauben hupende Autos stellen noch keinen Großstadtverkehr dar. Aber gut. Ich muss das Bild einheitlicher gestalten. Darum habe ich jetzt das Stille des Ortes in den Vordergrund gestellt. Damit gewinne ich Einheitlichkeit, nehme aber natürlich Polarität heraus. Vielleicht geht es hier nicht anders.
Viele Grüße
poetix
 



 
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