Halbzeit mit Mankos

aliceg

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Wir hatten Halbzeit, steckten also mitten im Testurlaub des völlig urlaubsreifen Showstars. Fünf Wochen lang lebte Ronnie Davis nun schon bei mir in meinem Appartement. Früher hatte ich es immer als sehr geräumig empfunden, das galt aber nur für mich als Single. Er sah sich auf engem Raum, bestenfalls wie in einer Hotelsuite untergebracht.

Wie machte er sich in seiner neuen Lebensrealität? Fand er sich damit zurecht, dass er auf vieles verzichten musste? Das hieß: Kein Auto, kein Swimmingpool, kein Jacuzzi Whirl, ja nicht einmal ein Klavier für den Rock- und Popsänger, bloß eine simple Wandergitarre. Auch keine Männerrunde mit Kräfte messenden Aktivitäten, kein Billardspiel, keine Einladung zu Preisverleihungen und Gala-Empfängen. Keine bewundernden Fans oder kreischenden Girls im Rahmen eines Superauftritts und keine Wortfetzen in seiner Muttersprache rund um ihn, wenn wir die Wohnung verließen. Nichts, was seinen aufregenden Alltag früher ausmachte, was Außenstehende faszinierte.
Vielleicht noch am ehesten mit einem Kuraufenthalt vergleichbar. Die nächste Stufe wäre wohl ein Schweige-Orden. Davor bewahrte ich ihn jedoch als sein einziger 'Kurschatten'.

Konnte ich ihm die gewollten Mankos auf dieser Liste, die noch nicht einmal vollständig war, wenigstens teilweise ersetzen? Wohl kaum. Auch nicht, wenn ich mich noch so bemühte um ein angenehmes Zusammenleben, wenn meine Liebe zu ihm noch so stark war. Diese Zeitspanne musste von ihm trotz des Vakuums so gut wie möglich überstanden werden, ehe ihm seine eigene Normalität wieder zur Verfügung stand.
War er bemitleidenswert? Mein Eindruck war ein anderer, auf mich wirkte er trotz allem ausgeglichen, und kein bisschen unglücklich wie ein gefangen Gehaltener. Oder wollte ich es einfach so sehen, weil das mit seinem ersten richtig entspannenden Urlaub meine Idee war?

"Das halten andere Urlauber auch aus", war er sich sicher, "ich denke an solche, die Wüstentrips unternehmen, oder Bergtouren, oder sich von unbequemen Autos in noch unbequemere Zelte quetschen, die sind alle auch von ihren Lebensgewohnheiten abgeschnitten."

"Ja. Die hatten aber sicher nicht in so rasantem Tempo diesen Kontrast wie du. Dich bewundere ich, weil du aus deiner buntglitzernden Show-Wunderwelt direkt im Alltagsgrau gelandet bist."

"Aber du, Al, du hast dieses Grau für mich umgefärbt und auch begrünt. Dafür möchte ich dir danken."
Er nahm mich in die Arme und küsste mich.

Seine Ausstrahlung ließ ihn auch ohne seine Schminke und sein Bühnenoutfit glänzen. Ohne seine aufwühlende Musik, ohne die tobenden Fans. Bar allem, was sein Showimage ausmachte, wie völlig entkleidet, so hatte er sich mir präsentiert. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, dass es ihm hier nicht gefällt. Er sprach nie von Abbruch des Experiments oder dass er das Ende herbeisehnte.
Das war meine Sicht der Dinge. Wie aber ist seine? Das werde ich ihn gleich fragen.

"Ronnie, heute haben wir Halbzeit. Geht es dir gut? Bist du zufrieden mit allem hier? Wünschst du dir etwas oder hast du Heimweh?"

"Heimweh? Was ist das? No, I'm not homesick. Ich fühl mich in diesem Umfeld gut aufgehoben."

"Was gefällt dir am meisten, was am wenigsten? Möchtest du etwas ändern?"

"Ich wüsste nicht, was. Deine Küche schmeckt mir sehr gut, du umsorgst mich liebevoll, und ich langweile mich nicht. Die Umgebung ist auch zauberhaft. Es könnte nicht besser sein!"
Und dann fügt er noch halbflüsternd, mit einem Zwinkern, hinzu:

"Und das Sexleben stimmt auch!"

Ich lächelte erleichtert. So sollte es sein! Gings ihm gut, dann gings mir auch gut. Es war ja Sinn der Sache, ihm körperliche und seelische Erholung zu verschaffen. Die Waldspaziergänge, Radausflüge, Wasserski auf der Donau und unsere gemütlichen Gespräche, abends bei einem Gläschen oder zwei auf der Terrasse im Kerzenlicht, sorgten dafür. Aber so ganz hatte er mich noch immer nicht überzeugt, dass ihm wirklich nichts abging.

"Ronnie, hast du nicht manchmal Sehnsucht nach dem Rummel um dich? Vermisst du es, dass Fans zu dir stürmen und dich küssen, Fotos machen oder Autogramme wollen? Sei ehrlich!"

Ein Star brauchte die Bühnenpräsenz, das zustimmende Publikum, die bewundernde Aufmerksamkeit. Das war doch sein Lebenselixier. Warum sollte es bei ihm nicht so sein?

"Ja und nein, es geht mir jetzt noch nicht ab. Ruhe haben in der Öffentlichkeit und von niemanden mit der Kamera verfolgt werden, ist auch ganz schön. Und ich hab ja dich als meinen größten Fan!"

Er legte seine Wange an mich und umarmte mich. Für mich war es herzerwärmend, das zu hören und meine Gefühle hoben ab. Er nahm meine Hand und fragte:

"Soll ich dich maniküren?"

"Du, Ronnie??" fragte ich ganz verwundert zurück.

"Ja. Ich mache das manchmal selbst, wenn mein Friseur keinen Termin für mich hat. Ich habe früher unsere ganze Familie manikürt. Für sowas war kein Geld da. Drum hatte ich auch immer so lange Haare. Den Friseur konnten wir uns meistens nur zu Weihnachten leisten."

Wie rührend, was er da erzählte. Mir waren immer schon seine schön gepflegten Hände und Nägel aufgefallen, wäre aber nie auf die Idee gekommen, dass er selber mit Feile und Polierkissen umgehen konnte. Also soll
er auch bei mir loslegen, das ließ er sich nicht nehmen.

"Dafür werde ich mich revanchieren und dir nach einem anstrengenden Tag die Füße massieren. Und ich habe noch eine Überraschung für dich, die wird jetzt noch nicht verraten!"

Ich werde ihn mit einer wohltuenden erotischen Ölmassage beglücken. Ein Artikel über das Phallusfest Mitte Mai in Japan hat mich auf eine Idee gebracht. Doch das ist eine andere Geschichte!

Den Umgang mit Nagellack hat Ronnie nicht drauf.

"Nein, deine Nägel lackieren traue ich mir nicht zu. Ich schaue dir lieber zu. Ich mag nämlich den Geruch, er erregt mich, weil ich ihn total weiblich finde."

"Da geht es dir so wie mir, wenn du dich rasierst. Das finde ich erregend. Ich kann dir die Haare föhnen und die Spitzen schneiden aber ich könnte nicht mit dem Rasiermesser hantieren. Ich schaue dir gerne dabei zu. Es ist super sexy, wenn du den Rasierschaum im Gesicht Strich für Strich entfernst und damit deine schönen Züge freilegst."

Wir prosteten uns zu:
"Stoßen wir an auf unsere nächsten fünf Wochen!"

"Yes, my Sweetheart."

Wir hatten beide schon vor dem ersten Schluck glänzende Augen.
Der schönste Dank an mich war nachher dann unser intimes Zusammensein und unsere Freude aneinander.
Ich betete, dass Ronnie nichts zustoßen möge und alles so toll bliebe, wie es sich angelassen hatte.
'Die Götter werden leicht neidisch, wenn alles zu glatt läuft', interpretierte ich für mich die griechische Mythologie, 'dann schickten sie Ungemach'. Und auch der biblische Unruhestifter hasste glückliche Gottesgeschöpfe und schlief bekanntlich nie, um irgendwas gegen sie auszuhecken ... aber an die Wand malen sollte man ihn niemals, nicht einmal gedanklich.
 
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GerRey

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Hallo aliceg!

Come on! Das soll es sein? Du erzählst doch keine Gute-Nacht-Geschichten für Kinder.

Eine Kurzgeschichte eilt auf einen Höhepunkt zu und bricht dann ab. Bildlich gesprochen, läuft man einen Berg hinauf, um dann vor Glück runter zu springen, weil man oben angekommen ist.

Ich will Dich nicht vom Schreiben abschrecken. Du erzählst stellenweise recht gut, sogar mit einem hintergründigen Witz. Das Thema ist auch gut; es gibt sicher Leute, die diese Rock- und Popstar-Geschichten mögen (wer schaut nicht gerne backstage). Aber Du musst etwas mehr davon zeigen. Am Ende wusste ich schon gar nicht mehr, wo wir sind.

Ronnie zieht mit der Klinge seine Bahnen durch den Rasierschaum, um seine " schönen Züge" (von mir aus) freizulegen. Er gibt sich dabei betont lässig, weil er weiß, dass das seine Kleine anturnt. Da schneidet er sich - und wird - angesichts des Blutes - zum Kleinkind. Und was macht eine brave Mama? Sie küsst ihm das Blut weg .... knister, knister ...

Für mich gibt's übrigens nur einen Ronnie - und der ist schon seit geraumer Zeit tot. Ich sah ihn irgendwann zu Beginn der 2000er live - Ronnie James Dio.

Und ich geh jetzt walken.

Gruß
GerRey
 

aliceg

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Er gibt sich dabei betont lässig, weil er weiß, dass das seine Kleine anturnt. Da schneidet er sich - und wird - angesichts des Blutes - zum Kleinkind. Und was macht eine brave Mama? Sie küsst ihm das Blut weg .... knister, knister ...
yes I know what you mean - aber 'sex and crime' sind hier nicht mehr gerne gesehen. Die Fortsetzung hatte ich ja schon vorweggenommen und damit eine Menge Stunk erzeugt. Jedenfalls danke fürs Lesen und deine interessanten Anregungen.
lg aliceg
 
Hallo aliceg,

ich muss GerRey zustimmen. Das ist viel zu brav erzählt. Ein bisschen mehr wäre, glaube ich, schon möglich. ;)

Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 

GerRey

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aliceg,

und Du willst Dich brav anpassen und nur noch schreiben, was man hier von Dir verlangt?

Mach das nicht! Wenn Du nicht für Deine Kunst oder das Herantasten daran einstehen willst - wer soll es?

Es ist zwar nie falsch, an sich zu arbeiten - aber nicht um es anderen recht zu machen.

Stell Dir beim Schreiben ein Ziel vor, wohin Du mit Deiner Geschichte willst. Und dann beginne zu schreiben. Folge dabei Deiner Stimme (sie ist gut; im obigen Text hast Du sie verloren). Und wenn es Passagen gibt, die Dir beim Nachlesen zu drastisch erscheinen, kannst Du sie immer noch abschwächen oder umschreiben. Wichtig ist, dass der Schreibfluss nicht unterbrochen wird. Und denke nicht an irgendwelche Moralisten - denk an Deine Geschichte, die Du aufschreiben willst!

Es grüßt Dich
GerRey
 

aliceg

Mitglied
lieber Rainer Z.
lieber GerRey,
ich bleibe dran! Das obige Kap. wird den Hinweis FF erhalten, das nächste befindet sich noch in
der (Ver)besserungsphase, bevor es neuerlich, fast schon als 'Mach-mit-Roman' :) in die Öffentlichkeit entlassen wird. Dann halte ich mir selber die Daumen (nach oben).
lg aliceg
 

Blue Sky

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Hi aliceg,
Ich finde diesen Teil schön zu lesen, und er passt gut in deine Reihe.
Wir hatten beide schon vor dem ersten Schluck glänzende Augen.
Der schönste Dank an mich war nachher dann unser intimes Zusammensein und unsere Freude aneinander.
Hier ist mir das etwas zu allgemein formuliert.
Ich hätte mich gefreut zu erfahren, wofür die Augen so glänzten.
Doch nicht wegen des guten Tropfens im Glas? (Was gab es da überhaupt Schönes?)
Der Kahn hier ist sicher nicht mehr hochseetauglich, aber etwas weiter ins Tiefere hättest du dich schon trauen dürfen.
Als Höhepunkt der Episode ein Tütchen Ahoj-Brause für die Fantasie.;)

LG
BS
 

aliceg

Mitglied
Hi Blue Sky,
es gelingt Deiner inspirierenden Lautmalerei immer wieder, zumindest einen Absatz in
verbessernde Vorschläge zu kleiden. Ich nehme es mir vor. Danke dafür.
lg aliceg
 

aliceg

Mitglied
Ronnie zieht mit der Klinge seine Bahnen durch den Rasierschaum, um seine " schönen Züge" (von mir aus) freizulegen. Er gibt sich dabei betont lässig, weil er weiß, dass das seine Kleine anturnt. Da schneidet er sich - und wird - angesichts des Blutes - zum Kleinkind. Und was macht eine brave Mama? Sie küsst ihm das Blut weg .... knister, knister ...
Deine Rasier-Idee gefällt mir, werd ich schon noch nachgeliefert unterbringen, die nächste Folge juckt in den Schreibfingern und wird nicht ganz so brav sein, versprochen!
Als Höhepunkt der Episode ein Tütchen Ahoj-Brause für die Fantasie.
BLUE SKY, auch du bist ein Ideenlieferant!
Die ewigen Meckerer freuen sich schon zu früh, weil sie keinesfalls meinen Rückzug erwirken werden.
lg aliceg
 



 
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