haldenmond

Dimpfelmoser

Mitglied
haldenmond

wohin flüchteten sie
frage ich den letzten knappen
während sein geborgter schein
mir eine ahnung vom glanz
gewesener größe vermacht

warum sind sie wieder hier
frage ich den treuen steiger
wenn sie doch nur wie heuschrecken
durch meine vergangenheit krabbeln
messen feiern unter der sohle
invertierter bedeutungen
und dabei die traditionen
in den abraum mischen

so gerne sänge ich
dem alten mann
von lichten zeiten
doch meine taube gestalt
erinnert die lieder nicht mehr
sondern ahnt nur noch ihr echo
das weit unter den senken
durch geschmolzene herzen
irrt

nimm mich mit auf deine schicht
ich stützte deine fahrt
während meine formen schwänden
und ich in deiner tiefe
das grau deiner unschuld förderte
den staub vieler wetter schenkte ich dir
dass er sich in deine furchen schlüge
sie ließen wir zurück
in ihrem revier
und in ihrer nostalgischen
leere
 

sufnus

Mitglied
Hey!
Die bergbaulichen Stichworte lese ich heraus... und bin dann etwas verwirrt, was ich mit der Bergbau-Assoziation im Zusammenhang mit diesem Gedicht eigentlich anfangen soll.
Der Text oszilliert seltsam zwischen einem gegenwärtigem Wehmutston, einem irgendwie verklärend wirkenden Vergangenheitsecho und konjunktivischer Rede und beim Lesen blinkt die ganze Zeit meine Ironie-Anzeige, aber nach stattgehabtem Augenzwinkererhaschungsversuch steh ich nur etwas bedeppert mit leeren Händen da.
Ich bin verwirrt.
Aktuell fühlt es sich auch noch nicht wie eine Verwirrung kurz vor dem Erkenntnisdurchbruch an. Aber vielleicht kannst Du mir mit einer Grubenlampe aus dem Stollen helfen, lieber Dimpfelmoser?
LG!
S.
 

Dimpfelmoser

Mitglied
Hallo Sufnus,

Du kennst das vielleicht, wenn man in einer dieser Nächte den Mond betrachtet, in einen etwas seltsamen Gedankenstrom gerät, über das Sein überhaupt, das Gestern und Morgen sinniert, und sich dann vielleicht einfach weg wünscht, um all das, was sich nicht (oder nicht mehr) so richtig richtig anfühlt, hinter sich zu lassen? Nun, ich hatte so ein Bild vor Augen, neben einem von meiner alten Heimat (irgendwo im Ruhrgebiet), und sah diese Halde, dieses Manifest schwerster Arbeit, die man in ihr überhaupt nicht mehr erkennen kann und von der ich (und so viele andere) höchstens noch aus Museen oder den Erzählungen Altvorderer weiß. Was ist sie heute für mich (und so viele andere)? Vielleicht nichts weiter als eine Art Park mit etwas zu viel Steigung, oder ein pittoreskes Landschaftselement, das einem gentrifizierten Ruhrgebiets-Stadtteil etwas optische Spannung verleiht. Wie wäre es für sie (oder vielleicht eher für den kollektiven Geist all derer, die für ihr Entstehen verantwortlich waren), wenn sie in einen solchen Dialog mit dem Mond träten?
Naja, ist vielleicht etwas … schräg? Keine Ahnung. Nebenbei, ich liebe das Ruhrgebiet immer noch, und muss "meine" Halde unbedingt mal wieder besuchen.

LG Dimpfelmoser
 

sufnus

Mitglied
Hey Dimpfelmoser!
Ganz lieben Dank für diese Erklärung, die mich tatsächlich sehr berührt und die ich - so für sich - sehr gut nachvollziehen kann.
Besuche Deine Halde unbedingt mal wieder! Selbst wenn dort jetzt alles anders aussieht und der Besuch formal erstmal etwas enttäuschend wäre (oder wenn sich gar nichts verändert hat und der Besuch dadurch ins Surreale spielen sollte), dürfte sich das unbedingt lohnen! Bestimmt kommt dabei dann noch das ein oder andere Gedicht bei heraus.
Ich würde der lieben Heimat vermutlich noch ein Gastgeschenk aus der Fremde mitbringen und ihr ein bisschen erzählen, wie es da so zugeht in dem Weit-weit-weg. Die Heimat bleibt ja immer Kind und Kinder lieben doch exotische Geschichten aus der Fremde. :)
Was die Bildsprache des Gedichts angeht, ist jetzt natürlich beim Stichwort "Ruhrgebiet" auch einiges klarer geworden, aber ich glaube, dieser Text ist insgesamt stärker für Dich geschrieben (und für die Heimat, das innerliche Kind) als für ein Publikum. Zugleich bin ich sicher, dass es - gerade mit dem von Dir erläuterten Hintergrund - auch einzelne publikumsseitige Resonanzen erzeugen kann. Mir fehlt da vermutlich einfach u. a. der Bergbaubezug. :)
LG!
S.
 



 
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