Handtaschenschätze

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Meine Handtasche ist eine wahre Fundgrube. Das Survivalpaket ist umfangreich: Taschentücher, Labello, Hustenbonbons, Kaugummis, Pflaster, Kamm, Fahrplan der S-Bahn, Kuli, Terminkalender, Geldbörse, Zahnseide, Fotos der Lieblingsmenschen aus Jahrzehnten.

Eine Scherbe ist auch dabei.

Eine dunkle Spiegelscherbe, so geschliffen, dass man sich nicht verletzen kann. Meine Finger stoßen beim Kramen daran und ich nehme die Scherbe heraus, um sie wieder einmal zu betrachten. Die Rückseite ist glatt und mein Gesicht spiegelt sich darin. Vorne ist die Scherbe rau und unansehnlich, hat eine verzerrte Oberfläche.

Die Scherbe ist eine Erinnerung an eine Firmvorbereitung, bei der wir mit Jugendlichen lange Gespräche zum Thema Schuld und Versöhnung hatten. Was ist zerbrochen in meinem Leben? Wo hat es Scherben gegeben? In Beziehungen, im Glauben, beim Versuch, sein Leben zu gestalten? Wo gibt es Unfertiges in der Gesellschaft? Die Liste war lang. So viel zu Bruch gegangen, bei uns allen. Zersplitterte Träume, Hoffnungen, Pläne. Beziehungen, die mit aller Liebe nicht mehr zu kitten waren. Eine Welt, in der der Unterschied zwischen Arm und Reich immer größer wird. Die von Kriegen und Katastrophen heimgesucht wird. Eine Gesellschaft, die ihre Scherben am Wegesrand liegen hat. Die der Glauben an Gott abhanden kommt.
Ich hätte diese Scherbe auch einfach liegen lassen können. Damals. Aber ich habe sie mitgenommen. Als Erinnerung daran, dass es immer etwas Zerbrochenes gibt, was man versuchen kann zu heilen. Und wenn es nicht geht, bei und mit aller Liebe nicht, muss man auch das akzeptieren. Das Leben ist nicht heil. Es bleibt immer etwas Unheiles, Unfertiges übrig.

Daneben fühle ich einen glatten Stein. Er schimmert bläulich, türkisfarben. Er liegt kühl, angenehm und rund in der Hand. Ich betrachte auch ihn. Erinnerung an eine glückliche Stunde. Bei der Abiturfeier der ältesten Tochter sollten die Schüler während des Gottesdienstes diese Steine als Symbol für alles das, was in der Schulzeit im Wege lag, vor den Altar legen. Es wurden eine Menge Steine! Und doch war das ein positives Zeichen. Diese Steine waren überwunden worden. Sie wurden beiseite geräumt, um nun ungehindert den Erfolg feiern zu können. Hoffnungsvolle Steine.

In der Geldbörse entdecke ich etwas sehr Goldenes, was gar keine Münze ist. Ein kleiner Stern, mitgegeben nach einer Adventfeier. Er soll eine leuchtende Spur in den Alltagsbahnen des Lebens ziehen, wenigstens für ein paar Sekunden, während des Bezahlens. Das tut er auch regelmäßig.

Handtaschenschätze. Die, die mir wichtig sind, haben nichts gekostet!
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
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Lieber anonymer Werter, 9 Punkte sind sehr schön und ich bedanke mich, aber ich wüsste auch gern, weshalb und wieso, wenn ich schon nicht weiß, von wem. Naja, man kann nicht alles haben! ;-)
LG Doc
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber Rhonaldy, vielen Dank. Aber ich habe den Text einfühlsam GEschrieben und das Thema einfühlsam BEschrieben. ;-)
LG Doc
 



 
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