hardcore nature

I

Er schläft am Tag.
Erschläft sich eine neue Nacht.
Er schläft. Die großen Kiefer zugemacht.
Und seine dunkle Höhle in den Tannen ist ein Grab.
Die Knochen achtlos ausgebracht.
Der ganze Wald ein offener Sarg.
Er schläft am Tag.
Der rote Spielzeugteddy lacht.

II

Das schwarze Kleid, das sie nicht tragen wollte.
Wie gut es ihr jetzt steht.
Die langen schwarzen Haare abgelegt.
Die weiße, fahle Haut,
die so erregt
wunderschön abgelöst.

Sonst bloß die kleinen, weißen Füße aufgeschürft.
Von schwarzen, viel zu großen Stöckelschuhen.
In denen ihre Fersen bluten.
Ein allerletztes Foto noch,
dann darf sie ruhen.
Der Kopf, der wird sein schönstes
Loch.

III

Das Loch, das irritierte ihn am meisten.
Jetzt starrt es ihn nie wieder an.
Er fühlt sich nicht als Mann.
Er fühlt sich nicht als Frau.
Er ist das Kruppstahlbrückengrau
des kapitalen Schraubenschlüssels.
Das Fleischerfarbene des Rüssels.
Der Vater war ein Werkzeugmacher.
Im Wald, da warten die Gespenster.

Hi Dio,

das ist so schön makaber! Da muss ich einfach mal Sterne regnen lassen! Mit deinen gereimten Sachen tue ich mich ja immer schwer, ich glaube, das weißt du. Deine Texte wirken auf mich immer so, als würdest du sie direkt aus dem Bauch in die Tastatur hämmern und keine Sekunde für Kosmetik verschwenden. Ich möchte da am liebsten immer dran fummeln und hau mir dann auf die Finger, weil sie mir andererseits den Eindruck vermitteln: Das ist aus dem Moment heraus geboren und soll sich genau so und nicht anders in den Köpfen der Lesenden entfalten!

Vielleicht ist der Eindruck ja falsch? Jedenfalls sollst du wissen, dass ich deine Fantasie großartig finde. Und mit diesem Thema hast du mich so gepackt, dass ich den Fußpflegekoffer einfach mal in die Ecke stelle und nur nach meinem Bauchgefühl handle.

LG Claudi

Hi claudi

Zunächst freue ich mich, dass der doch sehr spezielle Text eine Fürsprecherin in dir gefunden hat. Wunderbar!

Ungeschminkt sollen meine Texte sein. Ehrlich. Direkt. Authentisch. Dass du mir die Freundlichkeit erweist hier dein Bauchgefühl sprechen zu lassen ist ein großes Kompliment das ich -ich will es gerne zugeben- sehr gerne gelesen habe!

Du weißt wie sehr ich dein Wissen um das handwerkliche der Lyrik schätze . Da konnte nur Ferdi mithalten der ja leider zur Zeit fort ist um die Welt zu retten. Insofern bist du für mich schon die letzte ihrer Art von solcher Qualität. Quasi die galadriel von Form und Vollendung, hinabgeschickt unter uns Sterbliche um zu helfen. Anders habe ich deine qualifizierten Beiträge nie verstanden. Du bist also jederzeit eingeladen auch mir zu helfen und darfst jederzeit deine göttlichen Finger an meine weltlichen Ängste/Texte legen ;-)

Wir beide sprachen gelegentlich über unsere jeweiligen Ansichten. Das muss hier von meiner Seite nicht weiter öffentlich ausgelegt werden.

Nun, „gehämmert“ wird bei mir schon lange nicht mehr. Ich bevorzuge das geschmeidig- leidenschaftliche, organische, orgiastische. Das *kann* eruptiv sein und sich sofort weg bahnen , kann aber auch bedeuten, dass ein Text lange reifen muss bis er sein Einverständnis zur Veröffentlichung gibt damit er sodann sich in Kopf und Herz des Lesers neu gebären kann, denn jeder veröffentlichte Text ist für mich auch ein verschenkter Text über den der Autor im Zeitpunkt seiner Veröffentlichung die Deutungshoheit verliert. In jedem Leser soll der Text seine eigene neue intime Verbindung finden die mit den Ansichten des Autors nichts gemein haben muss.

Sich von diesem doch sehr speziellen Text packen zu lassen erfordert sicher eine Investition, so dachte ich, belohnt aber möglicherweise doch aus einer Richtung aus der man es nicht erwartet hätte.

merci !

mes compliments

dio

Das scheint mir hemmungsloser Surrealismus zu sein und gerade drum für mich schwer zu entschlüsseln. Ich arbeite dran.
Gruß lp