Harry Kotter

Stefan_Senn

Mitglied
Zweifellos ist der 15. Geburtstag ein Grund zu Feiern. Markiert er doch einen wichtigen Schritt ins Erwachsenenalter. Neben der Erlaubnis, Leichtkrafträder zu führen, schließt mancher an diesem Tage eine Bekanntschaft die sich unter Umständen zu einer lebenslangen Freundschaft entwickeln kann: Die erste Erfahrung mit Genosse Alkohol.
Harald Trebel, von Freunden nur Harry genannt ist 14 Jahre alt. 14 Jahre und exakt 364 Tage. Morgen wird ihm dieses Ereignis bevorstehen. In dessen Vorfeld wurde viel Planungsarbeit verrichtet: Man hatte ein lauschiges Plätzchen ausgewählt, für musikalische Untermalung gesorgt und eine angemessene Menge an Gästen geladen.
"Aber sag ma, hast du eigentlich auch an genügend Girls gedacht?" eine bange Frage in ein Mobiltelefon. Gerichtet an Harrys besten Freund Jonas, dem die Organisation der Party übertragen worden war.
"Logisch Mann, auf mich kannste dich doch verlassen. wart´s nur ab-du wirst schon sehen!"
Manchmal kann das Leben seltsame Züge tragen. Man begibt sich zu Bette im Alter von 14 Lebensjahren, nach einer unruhig verbrachten Nacht öffnet man die Augen und man steht im 15. Lebensjahr.
Eltern und Verwandte mühen sich reichlich, diesen Tah zu einem unvergesslichen Ereignis zu machen. Aber ach, so gutherzig ihre Anstrengungen auch sein mögen, es ist doch eigentlich der Abend, der diesen Tag mit dem Stempel der Denkwürdigkeit versieht.
Früh trifft Harry am Ort der großen Zelebrierung ein. Angespannt und voller Erwartungen. Langsam tröpfeln die ersten Gäste ein, doch die Stimmung ist noch mäßig, bis die erste Flasche Gerstensaft defloriert wird. Harry jetzt wirst du getauft. Im Namen des Lebens. Öl sie deine Kehle, öle sie tüchtig, heute wird gefeiert. Aber er zögert-noch.
Bar von Weiblichkeit bleibt de Gesellschaft gottlob auch nicht lange. Eine Gruppe junger Mädchen trifft kurz darauf ein. Ein Girl löst sich aus der Gruppe und überreicht Harry ein Geschenk. Von Form und Gewicht hebt es sich ab von den Präsenten der Mehrheit, die überwiegend Compact Discs oder Alkoholika verschenkt hatten.
Harrys tastende Hand fühlt einen Hardcovereinband. Die bunten Hüllen der Verpackung fallen und entschleiern ein Buch: Harry Potter und der Feuerkelch. Einem leicht enttäuschten Blick wird geantwortet:"Ich hab´ mir gedacht, es könnte dir gefallen. Ich hab´s geradezu verschlungen."
Harry will feiern, will nippen vom Trank der Ausgelassenheit. Welchen Verwendungszweck hätte er für dieses Buch?
Ein zweiter Blick in Richtung des Mädchens. Die Sonne scheint ihr aus den Haaren zu strahlen. Ein heller Schein
der das zarte Pflänzchen der Sehnsucht in Harry treiben lässt. Blühen wird es wohl nicht, wird es doch überschattet vom schwarzen Tuch der Schüchternheit.
Harry stürzt sich ins Getümmel. Doch so rechte Laune mag bei ihm nicht aufkommen. Immer wieder fixieren seine Augen dieses holde weibliche Geschöpf. Getanzt wird auch an diesem Abend. Etliche gegengeschlechtliche Paare wiegen sich bereits zur Musik. Auch Harry bevölkert gelegentlich die Tanzfläche. Doch keine seiner Tanzpartnerinnen vermag es, die Sehnsucht nach dem Sonnenmädchen zu vertreiben.
Flehentlich meldet sich sein Herz zu Wort, er möge doch jene bitte einmal zum Tanze auffordern. Doch die gelähmte Zunge verweigert den Befehl.
Jonas, verzweifelt um Rat herangezogen, meint, die zunge sei zu lösen mit einer entsprechenden Menge Alkohol.
Dankbar über diesen Tipp, ergibt sich Harry dem Sturztrunk. Einem seltsam Gebräu aus verschiedenen halbleeren Flaschen.
Harrys Schritt: Er wankt. Der Verstand: Schwummrig.
Doch vor Mut platzt er aus allen Nähten.
In gespannter Erwartung nähert er sich seiner Angebeteten, das Gesuch nach einem Tanz auf den Lippen. Doch nun ist es der Magen, der den Gehorsam verweigert. Ohne Vorwarnung entlädt er sich in feuchtem Gras. Die Stimme ist noch fest:"Würdest du mit mir tanzen?" "Äääh, ääh, lieber nicht..Harry Kotter!"
 

anemone

Mitglied
Hallo Stefan,

hatte erwartet, dass er ihr das Buch schenkt, aber so gefällt deine Geschichte mir auch recht gut, das hat was!
 
Hallo Stefan,
Deine sehr gut gelungene Geschichte hat mich an ein wahrscheinlich verdrängtes Erlebnis von anno dazumal erinnert.
Doch als ich meine, mit jugendlichem Herzen heißgeliebte Flamme nach einem viertel Jahrhundert zufällig wieder traf, war ich dem Alkohol zum ersten Mal in meinem Leben dankbar.
Aber nicht alles, was man in der Leselupe einstellt, muss ja autobiografisch sein.
Viele Grüße -Bernhard-
 



 
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