Haus ohne Stufen

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Trist

Mitglied
Am Ende des Weges steht ein Haus ohne Stufen,
auf einem Hügel, umringt von Gestein.
Niemand gibt Antwort - vergebliches Rufen -
und Dornenbüsche lassen keinen hinein.

Die Dornen sind Mauern aus verletzten Gefühlen,
der Hügel ein Wall aus zerbrochenem Mut.
Die Steine ringsum, sie schweigen, sie kühlen
das Haus ohne Stufen - ein Herz ohne Blut.

Wer gelangt in die Tiefe eines Menschen hinein?
Was kann Dornen durchdringen, die Enttäuschungen schufen?
Es gibt Seelen aus Glas, umringt von Gestein,
am Ende des Weges steht ein Haus ohne Stufen ...
 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gelöschtes Mitglied 23893

Gast
Das ist ein sehr trauriges, aber stark bildlich formuliertes Stück. Ich ziehe den Hut....
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Trist,
ein wehmütiges Gedicht! Rhythmus und Tonfall unterstreichen eine Abgeschiedenheit, die der Vergessenheit anheimgefallen ist. Das Spiel mit den Motiven umdorntes Haus / umdornter Mensch gefällt mir. Der Anklang an das Märchen-Motiv Dornenhecke liegt auf der Hand:
"Rings um das Schloss aber begann eine Dornenhecke zu wachsen, die jedes Jahr höher ward ..."
Mit der Schlusszeile schließt sich ein Kreis und so ließe sich das Ganze noch hundert Mal oder vielleicht hundert Jahr' fortsetzen. Die kreisförmige Gestaltung gefällt mir besonders gut.
Darf ich noch einige Stellen erwähnen, die noch einmal in den Blick genommen werden könnten? Ich möchte dabei nur handwerkliche Fragestellungen aufwerfen. Ob du die Gedanken aufgreifen möchtest, entscheidest du.

Es gibt niemand Antwort
Ich bin nicht der Grammatik-Spezialist, aber nach meinem Gefühl müsste es heißen (wenn an dieser Stelle es als Pronomen für das Haus verwendet wird):
Es gibt niemandem Antwort.
Alternativ, bei nicht pronominaler Verwendung:
Dort gibt niemand Antwort.
oder: Niemand gibt Antwort.

Hier wollte ich zunächst sogleich ein vergebliches Rufen vorschlagen. Allerdings ließe sich auch eine Brücke zu: vergebene Liebesmüh bauen. Im Sinne der Verständlichkeit würde ich zu vergebliches tendieren, damit kommt auch ein weniger routinierter Leser klar, die routinierte Leserin indessen mag vielleicht gerade den antiquierten Touch eines vergebenen Rufens besonders gerne, letztlich Abwägungssache.

Was kann Dornen durchdringen, die Enttäuschungen schufen?
Dieser Satz scheint mir grammatikalisch uneindeutig zu sein. Schufen die Dornen die Enttäuschungen? Oder die Enttäuschungen die Dornen? Ist es legitim zu sagen: So oder so, ist doch grade egal, die Mehrdeutigkeit ist hier ein Gewinn.
Für mich ist es im Gedicht der Satz, der mir nicht so gut gefällt. Allerdings habe ich auch keinen anderen Vorschlag parat.

lg wüstenrose
 

Trist

Mitglied
Hallo Mikevandyke,

ich danke dir!

Hallo wüstenrose,

vorerst mein Dankeschön an dich!
Jetzt zu deinen Gedanken und Vorschlägen.
"Niemand gibt Antwort" passt, das kann ich gerne übernehmen,
"vergebliches Rufen" ebenfalls.
"Was kann Dornen durchdringen, die Enttäuschungen schufen"
würde ich so stehen lassen, ich denke der Leser wird den Zusammenhang erkennen.
So, dann wünsche ich euch noch einen schönen Abend
und bis zum nächsten Mal

Liebe Grüße
Trist
 
G

Gelöschtes Mitglied 23893

Gast
Für mich immer noch eines der schönsten hier veröffentlichten Gedichte.
 

Arianne

Mitglied
Guten Tag, Trist!

Es kommt selten vor, dass ich zur Veranschaulichung den Rhythmus darstelle, da mir beim Lesen sofort etliches auffiel.
Schade wäre es, das Gedicht so stehen zu lassen, ohne entsprechende Korrekturen vorzunehmen.
Zwar sehr selten, aber es kann nicht schaden, wenn Du zugleich im Gedicht die Symbole deutest.
In der vorletzten Zeile der letzten Strophe, gelingt es mir nicht ganz leicht, die Logik unterzubringen, es sei denn,
das Lyrische Ich bezeichnet seine Seele wie Glas, also dem Einblick freigegeben. Aber das wurde schon vorher
im Gedicht erklärt.

Das Gedicht erweckt den Eindruck, es handelt von einem LI, der in einer Phase der Enttäuschung bzw. Verbitterung ist,
womöglich ein Jugendlicher, der eine oder mehrere Enttäuschungen erlebte.

Durchaus wert, die Gedanken nochmals und rhythmischer zu verarbeiten – Danke für das Lesen dürfen.

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Silben
Am Ende des Weges steht ein Haus ohne Stufen, ................................xXxxXxXxXXxXx ..13
auf einem Hügel, umringt von Gestein. ..................................................xXxXxxXxxX ........10
Niemand gibt Antwort - vergebliches Rufen ..........................................XxxXxxXxxXx ......11
und Dornenbüsche lassen keinen hinein. .............................................xXxXxXxXxxX .......11

Die Dornen sind Mauern aus verletzten Gefühlen, ..............................xXxxXxXxXxxXx ...13
der Hügel ein Wall aus zerbrochenem Mut. ..........................................xXxxXXxXxxX .......11
Die Steine ringsum, sie schweigen, sie kühlen ......................................xXxXxxXxxXx .......11
das Haus ohne Stufen - ein Herz ohne Blut. ..........................................xXXxXxxXXxX ......11

Wer gelangt in die Tiefe eines Menschen hinein? .................................XxXXxXxXxXxxX ..13
Was kann Dornen durchdringen, die Enttäuschungen schufen? .......XxXxxXxXxXxxXx .14
Es gibt Seelen aus Glas, umringt von Gestein, ......................................XxXxxXxXxxX .......11
am Ende des Weges steht ein Haus ohne Stufen .................................xXxxXxXxXXxXx ...13
 

Trist

Mitglied
Moin, Mikevandyke,

freut mich ehrlich dass du Gefallen an dem Gedicht findest, aber es scheint mir etwas überbewertet.
Trotzdem noch einmal herzlichen Dank!

Guten Morgen, Arianne!

Da hast du dir nun die seltene Mühe gemacht, alles schön seziert und be - Xxt,;)
dann kommt der Trist und sagt; liebe Arianne, es ist mir nicht entgangen, dass die Silbenanzahl
etwas abweicht, aber ich halte es gerade noch für erträglich.
Weil es meiner Meinung nach den Lesefluss nicht sonderlich beeinträchtigt.
Symbole deuten ...
Eines vielleicht - aber nur eines.

Es gibt Seelen aus Glas, umringt von Gestein

Glas ist empfindlich, leicht zerbrechlich.
So wie manche Menschen eben.

Das gilt jetzt nicht für deine Theorie, dass es sich hier um einen Jugendlichen oder
einen pupertierenden Teenager handelt, der einer vergeigten Liebesnacht nachtrauert.

Und das Glas ist umringt von Gestein.
So wie es empfindsame, sensible Menschen gibt, welche sich in einem rauen Umfeld unwohl -
vielleicht sogar bedroht fühlen.
Denn wenn ein Stein ins Rollen kommt wird das Glas zerbrechen.
Es geht also nicht um die Durchsichtigkeit des Glases, sondern um dessen Verletzlichkeit.
Siehst du - es gibt eben so viele verschiedene Arten Methapern zu betrachten, deshalb finde ich,
Gedichte sollte jeder so lesen, wie es seiner Art entspricht die Dinge zu erkennen.
Ehrlich gesagt - ich habe eher eine Anfrage erwartet, warum das Haus keine Stufen hat ...
Weil das möchte ich vielleicht nicht erklären.
Weil es genau so vieldeutig sein kann.

Ich habe zu danken, Arianne.
Für dein Lesen und deine Gedanken zu meinen Zeilen.

Liebe Grüße
Trist
 



 
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