@ pablo
Der Text ist fast einwandfrei gearbeitet, also eine handwerklich gelungene Sache (viel Mühe!).
Inhaltlich würde ich ihn einordnen in "norddeutsche Spätromantik" (weil: in Deutsch verfasst, und "Heide,Moor = norddeutsche Tiefebene), "Spätromantik", weil seine Bilder teilweise sich in nicht-Norddeutschem aufzulösen beginnen (zB der Anklang an "Hund v. Baskerville", und auch "Henker Veith" ist ein Fremdbild).
Original gehen eher die Moorhexe um, oder der Luderjan, der Kiepenklaus, usw. (lies mal Forensik, da ging vor ca 100 Jahren "der Sandmann" um in der nordeutschen Heide, aber der war echt und wegen seiner Tötungsart auch gespenstisch gleichzeitig)
Grob gelesen, könnte der Text ein Derivat zB von A.v.Droste-Hülshoff sein.
Aber mal den Unterschied betrachten zu zB: "Der Knabe im Moor":
http://www.kiekin.de/leute/annette/knabe/knabe.htm
Heidemond
[Hörst du´s klopfen leis´ ans Fenster?
Wie es glimmt am Haselstrauch!
Schatten tanzen und Gespenster,
Nebel dreh´n am Moor sich auch.]
"Gespenster" ist hier eine zu starke Andeutung, kommt im Text zu früh)
[Du willst nicht glauben, was geschieht
im Mondschein auf der Heide?
Dann warte, bis das Irrlicht glüht
und folge mir zur Weide.]
Statt "Mondschein" (ist zu freundlich) wäre "Mondlicht" oder "Fahllicht" besser, und "folge mir zur Weide" zerstört das Erschauern, welches ja aufgebaut werden soll, weil der Sprecher ja offenbar sich nicht ängstigt, denn "er geht anstandslos zur Weide". Wenn Sprecher Angst suggerieren will, muss er sich selbst auch entsprechend verhalten.
[Komm zum verwunsch´nen Hollerbusch.
Es raschelt hinterm Ginster.
Dort spuken Geister, husch, husch, husch.
Die Nacht wird kalt und finster.]
Hier ist ein Absturz des Bildes, das dreimalige "husch" verlächerlicht die Sache, und "Nacht kalt und finster" passt nicht zum bleichen Mondlicht "über" oder "auf" der Heide (über/auf: beachte den Unterschied!).
[Sieh da, sieh da, der Henker Veit!
Weh ihm, dass Gott erbarme!
Er trägt für heut und allezeit
den Kopf unter dem Arme.]
Da verließ Dich wohl die "gespenstische Einbildungskraft"? "Henker, Kopf unter'm Arm" ist inflationiertes Klischee. Da gibt's weit bessere Bilder, gerade zu "Moor", zB Moorleichen; das Hütekind, das im Kolk ertrank; der Brudermord auf der Geest, usw.
[Am schwarzen Tor der Höllenhund
verbrennt im Auge Kohlen.
In seinem blutgetränken Schlund
will er dich lautlos holen.]
Und hier geht's weiter stark darstellungs-bergab. "Höllenhunde" gibt's nicht im Moor, "blutgetränkter Schlund" ist bis zur Unwirksamkeit übertrieben (das Bild ist überstrapaziert)
[Flieh schnell, flieh schnell, du bist verlor´n.
Gleich packt er deine Beine.
Ein Freudentag, als du gebor´n.
Jetzt stirbst du hier alleine]
"Fliehen" und "verloren sein" passt thematisch nicht zusammen. Der Hund packt nicht beide Beine gleichzeitig, und "deine Beine" ist ein unabsichtlicher Reim, der hier deplaziert ist. "Freudentag" zerstört das gesamte Bild. Und das finale Sterben passt überhaupt nicht, weil das Gespenstische gerade aus dem Leben heraus nur funktioniert. In richtigen Gespenster-Events wird derjenige, der sich fürchten soll, nicht umgebracht. Gute Gespenster/filme/stories/darstellungen arbeiten ja gerade mit der Angst der Lebenden (sie drohen), hinter der der wirkliche Tod aber meist nicht steht, weil er die mühsam aufgebaute (Angst)Suggestion zerstören würde.
PS:
"Irrlicht" und Mondlicht haben Probleme miteinander, denn Irrlichter sind derart schwach, dass sie bei Vollmond unsichtbar bleiben, es sei denn, sie glimmen/irrisieren im Schatten. Und Irrlichter sind in sich instabil, sie flackern, zucken und wehen hin und her wie Fahnen (ähnlich den Nordlichtern übrigens), dazu muss man Windstille haben (bei Irrlichtern, nicht bei Auroras).