Heimat

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G

Gelöschtes Mitglied 21589

Gast
Lieber Patrick Schuler,

die letzten beiden Verse deines Gedichtes

nun da schnee fällt
in eden?
finde ich herausragend! Überhaupt gelingt es dir in deiner Lyrik oft, die letzte Zeile so zu gestalten, dass sie noch lange im Gedächtnis bleibt.

Schwierigkeiten habe ich aber dieses Mal am Anfang des Textes. Einerseits erscheint mir die Genitivkonstruktion in Vers 1 im Vergleich zu den anderen Versen etwas überformt, andererseits kann ich nicht nachvollziehen, wie die fänge eines falken verdorren können? Vor meinem inneren Auge sehe ich, wenn ich an die "Füße" von Greifvögeln denke, nichts, was noch austrocknen könnte.

Ein weiteres Problem stellt für mich der Übergang von den ersten beiden Versen auf den dritten dar. Zwar könnte ich das Gedicht als Anspielung auf Rilkes Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen verstehen und damit das Thema der Identität, also letztlich der inneren Heimat, in den Mittelpunkt der Interpretation rücken, aber meiner Meinung nach würde dies ohne den Bezug auf Rilke der Text selbst nicht ohne Weiteres leisten.

Ließe man allerdings die ersten beiden Verse gänzlich weg, würde dem Gedicht wiederum die Einleitung fehlen - irgendetwas sollte dort also unbedingt stehen. In meinen Augen würde sich das Suchen nach einer Alternative sehr lohnen, denn die Ausstrahlung des Textes und die grandiosen letzten beiden Verse sind alle Mühen wert.

Herzliche Grüße
Frodomir
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Frodomir

Absolut nachvollziehbare Kritik. Ich hab mal eine Zweitversion eingestellt, die einfacher gestaltet ist, aber denselben Gedanken vermitteln will. Ist die besser? Mir gefällt sie jedenfalls besser.

L.G
Patrick
 
G

Gelöschtes Mitglied 21589

Gast
Lieber Patrick,

nein! Ich würde keinesfalls auf das Ende der ersten Version verzichten wollen. Die Spannung zwischen dem Paradies auf der einen und der Kälte auf der anderen Seite als Conclusio des gesamten Gedichtes hat die erste Version gerade so stark gemacht. Wenn du sie nun an den Anfang stellst, startet dein Text machtvoll und baut dann aber ab. Der letzte Vers der zweiten Version nimmt außerdem etwas von dem Geheimnis, welches in deinem ersten Text zumindest bei mir so viel Wirkung erzielt hat. Ich kann dies leider gar nicht so richtig begründen, aber ich würde wie gesagt lieber an den ersten beiden Versen von deinem ursprünglichen Gedicht schrauben.

Was mich noch interessieren würde: Hast du wirklich einen Rilkebezug gehabt oder habe ich das nur so gedeutet?

Herzlichst
Frodomir
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Frodomir

Also noch ein Versuch. Wenn das jetzt nichts ist, werde ich den Text einfach nochmal zurücknehmen und irgendwann in Zukunft überarbeiten.

Der Rilkebezug war übrigens so nicht geplant gewesen. Auch wenn es etwas danach aussah :)

L.G
Patrick
 
G

Gelöschtes Mitglied 21589

Gast
Lieber Patrick,

gut Ding braucht Weile. Dein erster Versuch war in meinen Augen der Beste, ich würde an dem - bis auf die ersten zwei Zeilen - nichts ändern, d.h.: Ich würde den Rest genauso und auch in der Reihenfolge lassen, wie er war. Die Überarbeitung muss ja nicht heute sein :)

Herzliche Grüße
Frodomir

PS: Lass die erste Version doch drin stehen und schau mal, was die anderen so sagen. Bisher war es ja nur meine Meinung.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Patrick,

die aktuelle Version ist gut.
Ich hätte auch kein Problem mit den verdorrten Fängen des Falken gehabt, im bildlichen Sinne von: unfähig noch etwas zu greifen.

Liebe Grüße
Manfred
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Patrick,

die Erinnerung ist das Paradies aus dem man nicht vertrieben werden kann.
Alle physischen Orte sind „Verlust – reiche“.

Wir tragen Bruchstücke in unseren Taschen, wir sind immer auf dem Weg, und es ist Winter vielleicht vor der Zeit?
„wohl dem der Heimat hat – oder eine geschnittene Locke Gottes.

Ungreifbar „nah“ sind ist der Ou-topos der nicht Ort. Du greifst die Locke und du spürst ihn hinter deiner Schläfe ruht er.


Gerne gelesen

Ralf
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Wenn es Winter ist, erscheint der Ursprungsgarten als Heimat. Der farblose Schnee macht uns heimatlos. Deshalb muß nach dem, was das denn sein soll, Heimat, gefragt werden, oder der, ders wissen will, fragt sich selbst, da das nicht auf der Hand liegt. Die Erinnerung an die Locke der Geliebten, oder das Gold der sommerlichen Sonne, genügt nicht als Antwort auf die Frage, was denn Heimat sei.

So lese ich es zuerst.

grusz, hansz
 

Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Manfred

Ich mag die Version jetzt eigentlich am liebsten, aber Frodomir hat schon recht, das Falken Bild ist etwas schief.

L.G
Patrick

Hallo Jakob

Echt jetzt? O man ey ... vielleicht stelle ich sie ja doch wieder ein :D

L.G
Patrick


Hallo Ralf

Hmm.. das regt mich zum Nachdenken an. Sind alle physischen Orte "Verlust-Reiche"? Und ist das ein Zitat? Wäre nicht aber Eden ein Meta-physischer Ort? Zumindest ging es mir darum, den Verlust von etwas Transzendentem zu Papier zu bringen, etwas, von dem man vielleicht noch Erinnerungsstücke wie die Locke einer geliebten mit sich trägt, das aber unerreichbar geworden ist.

L.G
Patrick


Hallo Hansz


Ja, so kann man es lesen. Interessant, dass du die Locke, als Locke einer Geliebten liest, denn so war es gedacht.
Und wie man ein Paradies verliert, na ja, die Erfahrung haben wir alle gemacht. ;)

L.G
Patrick
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo, ist Eden ein metaphysischer Ort. Hm, im eigentlichen Sinne der biblischen Erzöhlung ist er denke ich als Realität gedacht.
Empirisch ist das sicher nicht haltbar.Aber die Denker und Schreiber der Genesis erklären ja die Welt und das jetzige sein des Menschen in Schuld durch ihn.

Er ist also eher ein Mythos.
Im Zusammenhang mit dem Titel „Heimat“ begreife ich Eden bzw das Paradies als durchaus irdisch angelegt.
Meine Heimat ist physisch verloren gegangen:
Wo die Häuser standen ist jetzt eine Strasse, wo ich Cowboy und Indianer spielte stehen nun Reihenhäuser
Der Ort ist verschwunden, er ruht - wie ich sagte - hinter meiner Stirn .
Dort ist er ewig...

so in etwa meine Ansicjt
Lg
Ralf
 



 
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