Heimkehr (Teil I)

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Max Neumann

Mitglied
Als ich davonflog vor mir selbst
Als ich mich schämte vor mir selbst
Als ich alle Menschen hasste
Als ich am Größenwahn erstickte

Da wachte ich auf in einer Pension
Rolläden unten ohne Gefühl für Zeit
Zerknüllte Zettelchen auf dem Boden
Leere Flaschen unterm Kopfkissen

So tat mein Kopf weh am Morgen
Es war schon lange nicht mehr Tag
Der Sinn für Zeit ging mir verloren
Auf der Straße kaufte ich Drogen

Von Männern zwischen Schatten
Wer war wer und was noch was?
Scheine flatterten zu Boden
Als Menschen zu Tieren wurden

Plötzlich flogen Fäuste durch die Luft
Auf Fingerknöcheln tanzte das Geld
Klaviertasten zerbrochener Träume
Wünsche ohne Ankunft und Hoffnung

Am Ende des Kampfs lag ich im Blut
Neben den Zähnen des Siegers
Sirenen heulten zwischen Blaulichtern
Die Bullen suchten nach Mörder-Mike

Mich übersahen sie in der Gosse
Mit Schaum vorm Mund spuckte ich aus
Wer war ich geworden und was war was?
In meiner Tasche fand ich eine Scherbe

Mit ihr kratzte ich im Bordstein herum
Nach Fetzen von Scheinen zu suchen
Zwischen Blut und Pisse und Kotze
Das grub sich mir in die Nägel

Dann hörte ich eine Stimme sprechen
Sie sagte mir vergessene Wörter
Während ich nach dem Geld stocherte
Mit der Rage eines Süchtigen

Passanten drängten sich an mir vorbei
Ihre Schuhe sahen so gepflegt aus
Die vergessenen Wörter dazwischen
Ein uraltes Licht fiel mir ins Herz
 
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Mitglied
Die Reise LyrIchs fort von sich selbst und seinem falschen Platz in der Welt....um letztlich doch noch diesen kleinen Funken in sich selbst zu entdecken.
Das lese ich hier - wie immer bei dir - wunderbar urwüchsig und kraftvoll beschrieben, Tissop!

Und nie kommt etwas wie Pathos auf oder empfinde ich es als zu gezwungen oder einem Textfluss geschuldet. Ich mag die Bilder, die du verwendest. Ich mag das Unkomplizierte wie zum Beispiel den Bösen in Gestalt von Mörder-Mike. Ich mag, wie du erzählst und was du erzählst. In deiner ganz eigenen, unverwechselbaren Stimme.
Einzig ein der Zeitensprung hier stört mich ein bisschen. Da hüpfst du zwischen Präsens und Imperfekt hin und her:

Scheine flatterten zu Boden
Wenn Menschen zu Tieren werden
Man kann mit gutem Willen und einem zweiten oder dritten Anlauf die zweite Zeile schon getrennt von der ersten als eine Art "Zitat" lesen, wie eine Randbemerkung des Autors sozusagen. Aber der erste und zweite Impuls sind doch, dass man es in einem Rutsch liest und dann müssten beide Zeilen eine einheitliche Erzählzeit bedienen. Also: Scheine flatterten zu Boden als Menschen zu Tieren wurden. So mein ich das.

Und aus dem Lichtlein würde ich persönlich ein Licht machen. Der nicht allzu tiefsinnige Spruch "wenn du glaubst, es geht nichts mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her" liegt da einfach zu nahe, um das Lichtlein hier schmerzfrei lesen zu können (wenn du verstehst, was ich meine ;) ).

Insgesamt aber wieder ein toller Text von dir und aus deiner dir so herrlich eigenen Welt, der mich gefunden und gefesselt hat. Danke!

LG,
fee
 

Max Neumann

Mitglied
Hallo fee,

danke für das Feedback. Das hilft mir sehr, da ich ständig glaube, keine Stimme zu haben. Das schreibe ich ohne Selbstmitleid, es ist ehrlich so.

Deine beiden Anmerkungen verfeinern das Gedicht. Habe sie bereits in der Überarbeitung umgesetzt.

Super

Wünsche dir einen schönen Tag.
Max
 



 
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