Es ist Zeit zu gehen. Ich drängle mich durch die noch zahlreich anwesenden Partygäste hin zur Garderobe. Vor mir warten zwei weitere auf ihre Jacken. Das Personal arbeitet schnell. Eine der beiden Mitarbeiterinnen ist mir bekannt – die Tochter einer Arbeitskollegin meiner Mutter. Alle für mich notwendigen Dinge (Haustürschlüssel, Geld, Kopfhörer, Handy und Ausweis) sind ebenfalls bei mir. Noch bevor ich den Bereich der Ausgabe verlasse, ziehe ich meinen Mantel an, um meine absolute Willensstärke im Hinblick auf meine endgültige Entscheidung, die Feier zu beenden, nach außen zu tragen. Es steht fest, ich gehe jetzt. Mit dieser Methode erzielte ich stets die schnellsten Abgänge und so verläuft es auch heute.
In der Nacht zum Zweiten Weihnachtsfeiertag ist es kalt, aber nicht zu kalt, um den Weg zum Elternhaus spazierend absolvieren zu können. Bei dem Passieren des Klubs neige ich mein Gesicht noch einmal Richtung Asphalt, damit mich nicht doch zufällig eine leicht bekleidete Person aufhält. Niemand erkennt mich. Außerhalb der visuellen Schusslinie hole ich meine Kopfhörer hervor und starte Musik, die mir genau das Gefühl gibt, was mich in diesem Moment die Freude auf den elterlichen Kühlschrank, die kürzlich entstandene Erinnerung an ehemalige enge Freunde, die Vertrautheit dieser Situation und die beruhigende Gewissheit über meine fast ganzjährige Abstinenz von meiner Heimatstadt wahrnehmen lässt. Würde ich nicht in tiefster Melancholie schwelgen, hätte ich auf dem Weg durch die Nacht womöglich Angst, aber nicht unter diesen Bedingungen. Ich wähle wie immer den längsten Weg, deshalb stecke ich die Route entlang der innerstädtischen Hauptverkehrsader, wo die Lampen ausnahmsweise noch leuchten und die Nacht ihre Undurchdringlichkeit ablegt. Ich will meine Heimatstadt sehen können. Der einzig kritische Abschnitt ist der Stadttunnel, dessen Ambiente an eine Szene mit Monica Bellucci erinnert. Ich durchquere auch heute den Tunnel problemlos. Während des halbstündigen Spazierganges begegnen mir lediglich drei Autos, die alle scheinbar schnellstmöglich an ihren Zielort gebracht werden müssen. Ich bin allein, ungestört und zufrieden. Je seltener ich die Stadt besuche, desto vertrauter erscheint die Gegend, die ich immer noch Heimat nenne, denn sie ist nicht mehr wie einst selbstverständlich. Jedes Haus, jede Ampel und jede Straße gehören zu mir. Ich kenne sie besser als jeden anderen Ort. Sie geben mir die beschwichtigende Zuversicht, dass es trotz unaufhaltsamer Veränderungen einen Fleck gibt, der von einem Wandel unberührt bleibt und mich an dieser Stelle kurzzeitig mein fortschreitendes Leben vergessen lässt. An diesem Ort werde ich nie die Person sein, die ich anderswo bin, denn nur hier darf ich meine Vergangenheit sein. Die Playlist ist atmosphärisch ebenfalls auf den Zustand der Rückbesinnung ausgelegt: Lang ungehörte Lieder (unter anderem: Birds of Tokyo – Plans, The 1975 – Chocolate, Bruce Springsteen – I’m On Fire, Bloc Party – Kreuzberg, The Smiths – There Is A Light That Never Goes Out, Filter – Take A Picture) begleiten mich.
Mein Streifzug führt durch die leere Innenstadt mit all den unbeleuchteten Schaufenstern. Ich kreuze die Straßen, die zu meinem Kindergarten und meiner Schule führen. Die zwei Tankstellen, an denen wir uns als Kinder regelmäßig Lollis und Kratzeis geholt haben, sind um diese Uhrzeit selbstverständlich auch geschlossen. Ich schaue versöhnlich zurück.
Daheim gibt es noch Oliven, ein Stück der mittäglichen Gemüselasagne, Weihnachtsgebäck und eine Flasche Wasser, die bereits vor dem folgenden Mittag geleert sein wird. Nächte wie diese verschwinden immer mehr. Irgendwann werde ich gar nicht mehr nach Hause gehen.
In der Nacht zum Zweiten Weihnachtsfeiertag ist es kalt, aber nicht zu kalt, um den Weg zum Elternhaus spazierend absolvieren zu können. Bei dem Passieren des Klubs neige ich mein Gesicht noch einmal Richtung Asphalt, damit mich nicht doch zufällig eine leicht bekleidete Person aufhält. Niemand erkennt mich. Außerhalb der visuellen Schusslinie hole ich meine Kopfhörer hervor und starte Musik, die mir genau das Gefühl gibt, was mich in diesem Moment die Freude auf den elterlichen Kühlschrank, die kürzlich entstandene Erinnerung an ehemalige enge Freunde, die Vertrautheit dieser Situation und die beruhigende Gewissheit über meine fast ganzjährige Abstinenz von meiner Heimatstadt wahrnehmen lässt. Würde ich nicht in tiefster Melancholie schwelgen, hätte ich auf dem Weg durch die Nacht womöglich Angst, aber nicht unter diesen Bedingungen. Ich wähle wie immer den längsten Weg, deshalb stecke ich die Route entlang der innerstädtischen Hauptverkehrsader, wo die Lampen ausnahmsweise noch leuchten und die Nacht ihre Undurchdringlichkeit ablegt. Ich will meine Heimatstadt sehen können. Der einzig kritische Abschnitt ist der Stadttunnel, dessen Ambiente an eine Szene mit Monica Bellucci erinnert. Ich durchquere auch heute den Tunnel problemlos. Während des halbstündigen Spazierganges begegnen mir lediglich drei Autos, die alle scheinbar schnellstmöglich an ihren Zielort gebracht werden müssen. Ich bin allein, ungestört und zufrieden. Je seltener ich die Stadt besuche, desto vertrauter erscheint die Gegend, die ich immer noch Heimat nenne, denn sie ist nicht mehr wie einst selbstverständlich. Jedes Haus, jede Ampel und jede Straße gehören zu mir. Ich kenne sie besser als jeden anderen Ort. Sie geben mir die beschwichtigende Zuversicht, dass es trotz unaufhaltsamer Veränderungen einen Fleck gibt, der von einem Wandel unberührt bleibt und mich an dieser Stelle kurzzeitig mein fortschreitendes Leben vergessen lässt. An diesem Ort werde ich nie die Person sein, die ich anderswo bin, denn nur hier darf ich meine Vergangenheit sein. Die Playlist ist atmosphärisch ebenfalls auf den Zustand der Rückbesinnung ausgelegt: Lang ungehörte Lieder (unter anderem: Birds of Tokyo – Plans, The 1975 – Chocolate, Bruce Springsteen – I’m On Fire, Bloc Party – Kreuzberg, The Smiths – There Is A Light That Never Goes Out, Filter – Take A Picture) begleiten mich.
Mein Streifzug führt durch die leere Innenstadt mit all den unbeleuchteten Schaufenstern. Ich kreuze die Straßen, die zu meinem Kindergarten und meiner Schule führen. Die zwei Tankstellen, an denen wir uns als Kinder regelmäßig Lollis und Kratzeis geholt haben, sind um diese Uhrzeit selbstverständlich auch geschlossen. Ich schaue versöhnlich zurück.
Daheim gibt es noch Oliven, ein Stück der mittäglichen Gemüselasagne, Weihnachtsgebäck und eine Flasche Wasser, die bereits vor dem folgenden Mittag geleert sein wird. Nächte wie diese verschwinden immer mehr. Irgendwann werde ich gar nicht mehr nach Hause gehen.
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