Heiße Luft

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Ich solle den Diebstahl auf der Polizei anzeigen, wurde mir gesagt. Ein Beamter nahm auf der Wache meine Geschichte über meinen Verlust entgegen.
„Es handelt sich um ein Schmuckstück?"
„Ja. Vor allem ein Erinnerungsstück."
„Aus welchem Material ist es denn?"
„Aus .....Luft."
Der Beamte glotzte mich verständnislos an. „Was meinen Sie - aus Luft? Man kann es doch anfassen?"
„Nun ja ....eigentlich nicht."
Der Beamte schob das Formular verärgert zur Seite. „Für blöde Scherze ist meine Zeit zu teuer, Herr ...."
„Bellinger, Nathan Bellinger." Ich stand auf und zog einen imaginären Hut. „Ich bin Illusionist, Herr Wachtmeister." Ich drehte meinen imaginären Hut in den Händen. „Ich kann alles verschwinden lassen, was ich will. Und alles aus Luft formen, was ich will. Sehen Sie hier, meinen Hut zum Beispiel. Mit dem vermissten Schmuckstück klappte es leider nicht mehr. Jemand muss es gestohlen haben."
Der Beamte musterte mich misstrauisch. „Ist das ein PR-Gag, Herr Bellinger? Da sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Gehen Sie zur Zeitung, vielleicht lassen die sich ja darauf ein."
„Da war ich schon. Sie sagten mir dort, ich solle einen Diebstahl auf der Polizei anzeigen."
„Also ist Ihnen jetzt wirklich etwas gestohlen worden?"
„Ja."
„Also dann beschreiben Sie das gute Stück mal."
„Ich hatte eine unsichtbare Medaille, Herr Wachtmeister. So unsichtbar wie mein Hut. Und nun ist sie mir abhanden gekommen."
Der Beamte musterte mich mit dem unmissverständlichen „Der hat nicht alle Tassen im Schrank"-Blick. Gleichzeitig hatte er wohl beschlossen, seine Taktik zu ändern und sprach nachsichtig zu mir wie zu einem Kind.
„Etwas Unsichtbares kann nicht verschwinden."

„Da haben Sie recht", nickte ich, ehe ich ihn verschwinden ließ.
 

ThomasQu

Mitglied
Sehr schön, Frau Delfine!
Grüß Gott erstmal.

Gefällt mir richtig gut, wie du mir deinen Illusionisten nahebringst, bzw. zeigst!
Ich seh den vor mir, als säße ich im Kino.
(Auch sprachlich ist deine Geschichte nicht schlecht.)

„Ich kann alles verschwinden lassen, was ich will. Und alles aus Luft formen, was ich will.

Einmal was ich will würde mir genügen.
Und das mit dem verschwinden lassen würde ich ganz streichen. Das passt zum alles aus Luft formen nicht so recht, weil das zwei ganz unterschiedliche Dinge sind. Das eine kann man in die Schublade Kleinkunst stecken, das andere ist echte Zauberei und somit Fantasy.
Lass ihn doch nur Pantomime sein.

Wenn ich einen Plot zu Papier bringen will, gerate ich manchmal in eine Sackgasse, aus der ich nur schwer wieder herausfinde. Ich glaube, das ist dir hier auch passiert, denn der Schluss überzeugt mich nicht mehr so ganz. Der ist ein bisschen wie aus der Not geboren.
Der Text bräuchte am Ende noch eine richtig zündende Idee.
Und falls dir nichts dazu einfällt, dann spinn doch die Geschichte noch ein wenig weiter, mach eine Kurzgeschichte daraus. Kann sein, dass sich dadurch etwas später eine Tür auftut und du ganz lässig aus der Handlung rauskommst.
Würde mich jedenfalls freuen, wenn ich noch ein paar Szenen mit deinem Illusionisten lesen dürfte.

Grüße, Th.
 
Hallo Thomas,

vielen Dank für deinen Kommentar und die Sternchen!
Ich hatte den Text schon länger in der Schublade und du hast mein Dilemma mit dem Schluss gut erkannt - richtig zufrieden bin ich damit auch nicht und er fiel mir auch erst nach Wochen ein.

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Das eine kann man in die Schublade Kleinkunst stecken, das andere ist echte Zauberei und somit Fantasy.
Lass ihn doch nur Pantomime sein.
Das wollte ich zuerst auch, aber dann passte der Schluss ja nicht mehr dazu... Die Sache mit dem Verschwinden lassen habe ich übrigens in die Mitte auch erst reingepackt, nachdem mir der Schluss eingefallen war.
Du hast trotzdem recht, nur Pantomime finde ich auch besser.
Ich werde nochmal über einen anderen Schluss nachdenken.

Danke für deine Anregungen!

LG SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:

Soljanka

Mitglied
Hallo SilberneDelphine,

Auch mir gefällt die kleine Geschichte.
Ich könnte mir einen Ausweg so vorstellen, dass der Illusionist beginnt, das Schmuckstück so plastisch zu beschreiben, dass es der Polizist genau vor sich sieht...
Dann könntest du weiterspinnen.

Gern gelesen.

LG von Soljanka
 

Ji Rina

Mitglied
Soljanka schrieb:

"Ich könnte mir einen Ausweg so vorstellen, dass der Illusionist beginnt, das Schmuckstück so plastisch zu beschreiben, dass es der Polizist genau vor sich sieht... "

Und somit wäre das Schmuckstück auch wieder gefunden! Das wäre eine poetische Pointe!
Gruss, Ji
 



 
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