Herbst Haiku

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Mitglied
Das Goldene Vlies ist keine schlichte Metapher
und wo steht das? DAS goldene Vlies?

es steht geschrieben

Jedes Schaf der Herde hat
[red]Ein[/red] goldenes Vlies

ein Schnitter mit einer Sense muss nicht der Tod sein, es kann ebensogut jemand sein, der Gras mäht

Die Metaphern klingen zwar mit an, sie sind es aber nicht nur deshalb, weil die Worte dort auch vorkommen. Es kommt auf den Zusammenhang an.

Das sehe ich in diesem Fall hier als das Haikumoment
Vlies = Schafspelz, golden= von den Sonnenstrahlen gefärbt
+ der Anklang an DAS goldene Vlies
 

James Blond

Mitglied
Nachhilfe für Unbelehrbare

Septemberabend
Jedes Schaf der Herde hat
Ein goldenes Vlies
Ein wenig Nachhilfe in Deutsch:

"Vlies" ist ein Schafsfell, "golden" ein Adjektiv, das sich auf Farbe und Material beziehen kann.

"Ein goldenes Vlies" ist Singular.
Der Plural lautet: "Die goldenen Vliese". :)

"Das Goldene Vlies" ist ein Mythos aus der griechischen Sagenwelt.
"Ein goldenes Vlies" ist nicht "das Goldene Vlies"; es enthält aber eine Anspielung darauf.


Ein wenig Nachhilfe in Lyrik:

Lyrik setzt sich absichtsvoll über die Restriktionen der Wirklichkeit hinweg, sie schöpft daraus ihr kreatives Potenzial:"Jedem eiligen Aal seinen Heiligen Gral", selbst wenn es nur einen gibt. ;)


Ein wenig Nachhilfe in Humor:

Die Jagd nach dem Goldenen Vlies kennzeichnet die Goldgier des Menschen, die Schafsherde seine Dummheit, die Septemberabendsonne die kostenlose Kostbarkeit der Natur.

Ein wenig Nachhilfe in Haiku:

"Septemberabend" klingt für mich sehr kalendarisch, nicht besonders bildlich. Warum nicht "Herbstabendsonne"?

:)
Grüße
JB
 

Walther

Mitglied
Hi JB,

dein vorschlag hat viel für sich, weil er das Kigo "Abendsonne", und darauf sollten wir es reduzieren, hervorhebt. das problem des texts ist das explizite nennen einer jahreszeit. das ist (a) unnötig und (b) platzverschwendung.

jetzt würde mich die rückmeldung des autors interessieren. die textlichen und nichttextlichen gegebenheiten sind jetzt sicherlich durchdekliniert. :)

lg W.
 

Bernd

Foren-Redakteur
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[blue]Ich bitte um Diskussion mit gegenseitigem Respekt und zum Thema.
Beiträge, die Verachtung des anderen ausdrücken, schneide ich, wenn möglich, ab jetzt ab oder blende sie aus, dann fallen unter Umständen auch die Antworten weg.[/blue]
 
G

Gelöschtes Mitglied 14616

Gast
Hallo Walther,

Hi JB,

dein vorschlag hat viel für sich, weil er das Kigo "Abendsonne", und darauf sollten wir es reduzieren, hervorhebt. das problem des texts ist das explizite nennen einer jahreszeit. das ist (a) unnötig und (b) platzverschwendung.
"Herbstabendsonne" finde ich hier mehr als passend. Zunächst habe ich auch gedacht, was ist denn das für ein Wortemonstrum von JB. Aber: es hat dieses gewisse Etwas ;-). Ich glaube schon, dass dem Autor der Herbst wichtig ist. Und mit der reinen "Abendsonne" geht etwas verloren.

Besonders gelungen an "Herbstabendsonne" finde ich, dass hier zweifach so etwas wie Abschied und Kälte ausgedrückt wird, und zwar durch Herbst und durch Abend. Und das ist doch wohl mehr als passend für den Rest des Textes. ;-)
 
A

aligaga

Gast
Sprachkompositumkomposita wären in Gedichten, gleich welcher Art, nur dann angemessen und erträglich, wen sie eine neue Begrifflichkeit schüfen. Das ist bei der "Herbstabendsonne" aber nicht der Fall. Dem Leser wird vielmehr die Arbeit abgenommen, sich etwas zu imaginieren. Er muss beim "Genuss" des Gedichts nicht mehr selber beißen, sondern bekommt einen vorgekauten Brei serviert, für den er nur noch einen Strohhalm braucht ...*schlürf*... das Hai-Schaf schüttelt sich.

Das Haikuh-Hüten ginge anders, ganz anders ...

Haiter

aligaga
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Sprachkompositumkomposita wären in Gedichten, gleich welcher Art, nur dann angemessen und erträglich, wen sie eine neue Begrifflichkeit schüfen.
nein.
"Sprachkompositumkomposita" - es genügt: "Komposita" (oder, genauer: "Nominalkomposita")
"gleich welcher Art" - es gibt ganze Genres, in denen Nominalkomposita üblich sind, und Stilrichtungen, in denen sie monströs übertrieben werden. So insbesondere im indischen Dichtungsuniversum, reflektiert im Kavyadarsha.
Es gibt natürlich Sprachen, die die Nominalkomposita vermeiden: Latein, Französisch, Englisch.
Bei nichtflektierenden Sprachen ist es eine Frage der Schreibweise, und einzig und allein der Schreibweise, ob Silben in Zusammenhängen verklettet sind oder nicht. Japanisch schreibt sich in Silbenzeichen, wir trennen Wörter, Sanskrit schreibt alles hintereinander, macht aber durch die Flexionsendungen deutlich, wo Wörter innerhalb des Satzes voneinander zu trennen sind.
 
A

aligaga

Gast
Niemand hinderte dich, o @Mondnein, deine Werke in Beamtendoitsch abzufassen und sie vermöge drei- bis fünffach-Komposita zu componieren oder zu compostieren.

Du solltest uns aber nicht beleeren wollen, was man mit dereley zusammengestzten Zusmammensetzungen wirklich anfangen könnte, wenn man nur wüsste, wie.

Wer "Herbstabendsonne" für eine vertretbare lührische Konstruktion hält, weiß es definitiv nicht. Der sollte seine Katzeng'schichterln besser in Sanskrit abfassen. Vielleicht wäre da ja eine Marktlücke?

Quietschvergnügt

aligaga
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Von besonderem Interesse ist dabei, wie in nichtflektierenden Sprachen Wörter aneinandergehängt werden.
Das Englische - auf dem Entwicklungsweg von einer kaum noch flektierenden zu einer isolierenden Sprache - läßt zudem noch die meisten Komposita unverbunden (mit Pausa) stehen, das führt zu solchen kühnen Fügungen an der Schwelle von Komposita zu bloßen Wortreihungen wie z.B.
no short haired yellow belly son of tricky dicky's gonna mother hubbard soft soap me
(John Lennon, "All I want is some truth")

Von weiterem Interesse sind dann auch elliptische Prädikatsnominalsätze, und unter denen wiederum diejenigen, in denen Thema und Rhema (oder Subjekt und Prädikatsnomen) vertauschbar sind.

Daher die Fügungen in den japanischen Gedichten, die wie Substantiv-Reihungen anmuten, die vielen scheinbar prädikatlosen Sätze, die hypermoderne brevitas (Zen ist immer modern).
 
A

aligaga

Gast
Was du reflektierst oder nicht reflektierst, o @Mondnein, spielt hier in diesem Thread erst mal keine Rolle.

Der Haiku, um den's geht, heißt bereits "Herbst-Haiku". Die siebzehn Silben, die dann noch kommen, mit Wortungetümen wie "Herbstabendsonne" zu verthun, ist nicht nur komplett unhaiküisch, sondern obendrein dürftigdoitsch.

Du erinnerst @ali ein wenig an Kara Ben Nemsi selig. Der hat vor den doitschen Knaben mit seinen Indianisch-Kenntnissen geprotzt, ohne selber ein Wort davon zu verstehen. In München hat er zu Lebzeiten Kaiser Wilhelms mal unter dem Pseudonym "Dr. May" einen Vortrag über den Wilden Westen gehalten. Er soll gut besucht gewesen seyn!

Herrlich nicht wahr?

Amüsiert

aligaga
 



 
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