pleistoneun
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Herr Achselscheuer ist - und da schwanken die Angaben - zwischen 57 und 63 Jahre alt. Er wurde als Sohn einer arbeitslosen Holzfällerin und eines arbeitslosen Seidenmalers in Strauchlingen geboren. Als großer Anhänger der 2.-Weltkriegs-Küche meldete er sich in den 60er-Jahren freiwillig als Köchin zum Wehrdienst und verbrachte deshalb viele Jahre in unzähligen Kasernen. Der auch heute noch leidenschaftliche Verehrer der deutsch-österreichischen Feldküche ist zwar unverheiratet, aber trotzdem kinderlos geblieben und mittlerweile schwer atemgestört, weil das Einatmen der Bio-Essensdämpfe seinen Bronchius nachhaltig geschädigt hatte. Herr Achselscheuer besucht in seiner Freizeit Militärausstellungen und Schießstände. Während seiner ganzen Dienstzeit beim Bundesheer hatte Achselscheuer es zu keiner einzigen Beförderung gebracht. Köche werden nie befördert, wohin auch? Zum Vorkocher, zum Überwachungskocher, zum Kontrollkoch, zum Oberkoch, zum Stabskoch, zum obersten Kochmeister? So erschwindelte er sich damals im Jahre 1967 in der Offiziersmesse von Herrn Major Maximilian Pflug ein Verdienstkreuz, leider nur ein Imitat. Herr Achselscheuer trägt aus Selbstschutz immer eine Waffe oder einen Kochlöffel bei sich, aus Sicherheitsgründen aber nie beides. Der alte, gemütliche Achselscheuer ist als ehemaliger Kasernenkoch noch ein viel begehrter und gern gehörter Radiogast, wenn es um Zeitzeugenberichte von Menschen geht, die beim Bund weiß Gott alles erlebt haben. Herr Achselscheuer geht heute das letzte Mal zu Bett, denn das frisch zubereitete Mittel gegen seine Atemnot wird tödlich sein. In seiner lebensgefährlichen Kurzsichtigkeit hatte er im Laden zum falschen Mittel gegriffen. Er wird sein Asthmagerät mit Strichnin füllen und mit einem letzten, ordentlichen Schub die Feldküche, das falsche Verdienstkreuz, die Radiosendungen und sogar sein Asthma mit einem Mal vergessen. Herrn Achselscheuers Leben war nichts Besonderes. Wir werden ihn deshalb bald vergessen haben.