Herzensschläue

Herzensschläue

Dein Hirn ist aufgeschmissen,
wenn hinter den Kulissen
das Herz die Strippen zieht.
Es macht der Liebe Wirken
leichthin in Fühlbezirken
den Mensch zum Feuchtgebiet.

Und wenn in Schmachtmorasten
wir mit Kalkül belasten
die Schritte des Geschicks,
bleibt unser hehres Streben
in Wackelpudding kleben,
da helfen keine Tricks.

Drum lass die Vorsicht fahren!
Beim Eins-plus-eins-Gebaren
macht Adam Riese dumm.
Dich wird im Liebesbuhlen
mit Fleiß das Leben schulen,
jetzt schalt die Klugheit stumm.

Ein gelungenes Werk mit einfallsreichen und reizvollen Sprachbildern und der (für mich) weisen Erkenntnis:
Das Fühlen ist ja doch zentral für alles, das Fühlen ist primär. Vor allem sind wir doch fühlende Wesen.
Mir scheint, das wird in der heutigen Zeit nur allzu oft vergessen.
Wo nur noch harte Fakten und harsches Kalkül zählen, der Mensch unter technokratischen Gesichtspunkten funktionieren soll und das gesamte Weltgefüge einmal mehr als etwas starr Mechanistisches verstanden wird, geht das Wesentliche, Softe, Menschliche in großem Ausmaß verloren: Phantasie, Poesie, Romantik, Liebe…
Die kühle Vernunft wird hochgejazzt und bejubelt, wird gar als DAS menschliche Distinktionsmerkmal herausgekehrt – nur das wird dem Menschlichen so gar nicht gerecht.
Viel öfter als vernünftig sind wir doch das schiere Gegenteil, aber oft unvernünftig im besten Sinn.
Wenn wir lieben, hoffen, träumen… sind wir doch alles andere als vernünftig, und sind wir in diesen Momenten nicht menschlicher als sonst wann? Ist das nicht das Beste an uns Menschen?
Herzensschläue ist etwas immens Gescheites, Kluges, Wichtiges will ich meinen und: Viel lieber folge ich einem dummen Herzen als einer herzlosen Intelligenz.

Ich weiß ja nicht, ob du mit deinen Zeilen diese Überlegungen im Sinn hattest; bei mir haben sie diese Assoziationskette ausgelöst.

Nochmal Kompliment jedenfalls für das handwerklich einwandfreie Gedicht mit Gruß von


Erdling

Hi D. E.!
Deine etwas weiter gefasst Deutung meiner Zeilen freut mich außerordentlich! Letztlich kommt es natürlich auf eine gelungene Mischung aus knackigem Herzsalat mit einem Schuss Hirndressing an. Und ich stimme völlig zu, dass ein dummes Herz garantiert weniger großformatigen Schaden anrichten kann als ein herzloses Hirn. Im Mikrokosmos einer zwischenmenschlichen Zweierbeziehung muss das zwar nicht unbedingt gelten, da kann auch Herzensdämlichkeit gravierende Traumata bewirken, aber die weiteren Unheilskreise zieht wohl tatsächlich das kalte Gehirn mit mangelnder Herzensgüte.
Vielleicht war halt doch dieses ganze Homo-Projekt ein bisschen ein Irrweg und die kleine, feine Laus, die sich Hirn- und Herzensüberschuss erspart und mit ein paar Schlückchen Pflanzenschorle ihrem Darm zu Diensten ist, die ist der wahre Himmel. Wer weiß?
LG!
S.