Horst M. Radmacher
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Eine Großstadt ohne die Farbigkeit bunter Graffiti, garniert mit mehr oder weniger originellen Sprüchen, ist heutzutage schwer vorstellbar. Täglich sind Tausende Graffitikünstler des nachts in Straßen oder Bahnhöfen unterwegs, um sich plakativ abzuarbeiten, oder ein Lebensgefühl zu posten. Oft mit nur kurzem Verfalldatum. Es muss meistens auch ein Urheberhinweis als Klarname, Pseudonym oder Kürzel dazugehören. Eine Anonymität wie bei den allerersten “Graffiti” aus der Antike genügt den meisten der hier tätigen Kreativen nicht. Seit den Sechzigerjahren gilt der Schriftzug CORNBREAD eines jungen US-Amerikaners als das erste durch ein Pseudonym verschlüsseltes Beispiel der Street-Art in Form von Graffiti-Writing. Das lange Zeit vorher entstandene, und weltweit plakativ verwendete, KILROY WAS HERE, hat Vorläuferstatus, ist aber anonymen Ursprungs.
Der Grieche Teofilo M. schuf seine Werke ganz ohne Anlehnung an vereinzelt auftauchende Graffiti aus Amerika im Athen der frühen Sechziger. Sein erstes aufsehenerregendes Objekt entstand auf dem großen Eingangstor einer leerstehenden Lagerhalle in einem Industrievorort seiner Heimatstadt. Die Motive orientierten sich an Reliefs oder Wandbilder aus dem antiken Ort Aphrodisias. Solchen Nachbildungen von Darstellungen aus dieser Quelle, wie zum Beispiel eine moderne Interpretation von Leda und der Schwan in knallbunten Farben, wurden zu seinen viel diskutierten Graffitis. Und bald gingen weitere erotische Motive der Antike von ihm an großflächigen Wänden in Serie, von denen sich das Bürgertum in Athen provoziert fühlte. Teofilos Variante des Vasenbildes, Hetäre über Nachttopf, in Großformat, führte zu einem unglaublich empörten öffentlichen Aufschrei. Hier war es nicht die sonst von ihm dargestellte pralle Erotik, die zu Protesten führte. Es war das Sujet als solches, eine Frau beim Pinkeln über einem Nachttopf.
Für alle seine Werke benutzte der Künstler ein Semi-Pseudonym als Signatur. Er verkürzte seinen nicht bekannten Klarnamen auf Teofilo M. In Schwarz unterlegt und von einem gezackten, stilisierten Siegel in Rot und Gelb umgeben. Das dort eingefügte TM, in Anlehnung an das internationale Zeichen für Trade Mark, war der einzige Bezug zum Erschaffer des Kunstwerks. Diese Darstellungen wurden zum Skandal. Nicht wegen der Schmiererei, wie die Presse die Abbildungen anfänglich bezeichnete, sondern wegen der realistisch dargestellten erotischen Motive. Fortschrittlichere Stimmen sprachen von gelungener moderner Kunst. Wie auch immer, das erste Kunstwerk des Teofilo M. wurde mit dunkler Deckfarbe übermalt, nachdem Versuche, es durch Abwaschen zu beseitigen, fehlgeschlagen waren. Und zeitlich versetzt tauchten bald weitere dieser erotischen Bilder auf. Immer in verlassenen Gegenden und immer stellten sie erotische Szenen des griechischen Altertums dar. Es waren die ersten Spray-Wandgemälde überhaupt. Die Zuordnung zu einem bestimmten Künstler war durch die Signatur einfach. Nur wurde der Erschaffer dieser Kunstwerke nie als eine real existierende Person identifiziert. Die Diskussion über diese neue Art von bildlicher Darstellung wurde in der Öffentlichkeit hitzig geführt. Es überwog die Meinung, dass diese Kunstvariante die vielen unansehnlichen, öden Industriebrachen verschönern würden. So entwickelte sich diese neue Alternativ-Kunstrichtung zum festen Bestandteil im Lebens kunstaffiner Bürger.
Die Zahl Teofilos Gesamtwerke war nach wenigen Jahren im oberen zweistelligen Bereich angekommen. Es dauerte nicht lange, und es wurden geführte Touren zu diesen dekorativen Bildnissen angeboten. Kurze Zeit später tauchten Hinweise als 'Must See' in einschlägigen Reisehandbüchern auf. Der Betrachter konnte feststellen, dass der Künstler sich im Laufe der Zeit in seinem Schaffen weiterentwickelt hatte. Die Bilder der ersten Serie waren noch stark an die antiken Originale angelehnt, fast Kopien 1 : 1. Im Laufe der Jahre verfeinerte sich dann die bildliche Darstellung. Es war zu erkennen, dass der Maler versuchte, seinen Stil zu variieren. So gelang es ihm, eine impressionistische Note in die Bilder zu bringen, was aufgrund der Spray-Technik nicht einfach ist. Die Betrachter waren sich bei der Bewertung dieser Wandlung uneinig, wie dieses zu bewerten sei. Viele von ihnen bevorzugten den ursprünglichen Stil des Künstlers. Aber dem Erschaffer der Bilder schien auch dieser Stil irgendwann auch nicht mehr zu genügen. Er veränderte ihn stark und versuchte sich am Kubismus eines George Braque. Die Verwandlung der Perspektiven gelang ihm gut und bot Vorteile in der von ihm bevorzugten Technik. Bemerkenswert, wie ein Künstler im Untergrund seine Kunstfertigkeit auf diese Weise öffentlich weiterentwickelte. Im weiteren Verlauf seiner darstellerischen Laufbahn verwendete Teofilo M. später auch völlig andere Motive. Weg von antiker Erotik, hin zu modernen Stadtansichten seiner Heimatstadt. Die von ihm praktizierte gesprühte Maltechnik kam auch in kubistischer Darstellungsart perfekt zur Geltung.
Des Rätsels Lösung, wer sich hinter dem Pseudonym Teofilo M. verbergen könnte, wäre sicherlich irgendwann offengelegt worden. Es kam jedoch kein einziges neues Graffito mehr hinzu. Beim Athener Publikum machte sich darüber Enttäuschung breit. Auch viele der ersten scharfen Kritiker bedauerten inzwischen das Ende dieser ungewöhnlichen Kunstserie. Teofilo M. hatte die Zeit seines Schaffens in dem Moment beendet, als er Abbildungen aus den USA sah, die seine Art der Darstellung nicht nur kopierten, sondern diese auch als Stylewriting in sogenannten Tags verwendeten. Sie verkamen so zu Markierungen von Revieren örtlicher Straßengangs. Das war nicht die Welt des Teofilo M..
Der Grieche Teofilo M. schuf seine Werke ganz ohne Anlehnung an vereinzelt auftauchende Graffiti aus Amerika im Athen der frühen Sechziger. Sein erstes aufsehenerregendes Objekt entstand auf dem großen Eingangstor einer leerstehenden Lagerhalle in einem Industrievorort seiner Heimatstadt. Die Motive orientierten sich an Reliefs oder Wandbilder aus dem antiken Ort Aphrodisias. Solchen Nachbildungen von Darstellungen aus dieser Quelle, wie zum Beispiel eine moderne Interpretation von Leda und der Schwan in knallbunten Farben, wurden zu seinen viel diskutierten Graffitis. Und bald gingen weitere erotische Motive der Antike von ihm an großflächigen Wänden in Serie, von denen sich das Bürgertum in Athen provoziert fühlte. Teofilos Variante des Vasenbildes, Hetäre über Nachttopf, in Großformat, führte zu einem unglaublich empörten öffentlichen Aufschrei. Hier war es nicht die sonst von ihm dargestellte pralle Erotik, die zu Protesten führte. Es war das Sujet als solches, eine Frau beim Pinkeln über einem Nachttopf.
Für alle seine Werke benutzte der Künstler ein Semi-Pseudonym als Signatur. Er verkürzte seinen nicht bekannten Klarnamen auf Teofilo M. In Schwarz unterlegt und von einem gezackten, stilisierten Siegel in Rot und Gelb umgeben. Das dort eingefügte TM, in Anlehnung an das internationale Zeichen für Trade Mark, war der einzige Bezug zum Erschaffer des Kunstwerks. Diese Darstellungen wurden zum Skandal. Nicht wegen der Schmiererei, wie die Presse die Abbildungen anfänglich bezeichnete, sondern wegen der realistisch dargestellten erotischen Motive. Fortschrittlichere Stimmen sprachen von gelungener moderner Kunst. Wie auch immer, das erste Kunstwerk des Teofilo M. wurde mit dunkler Deckfarbe übermalt, nachdem Versuche, es durch Abwaschen zu beseitigen, fehlgeschlagen waren. Und zeitlich versetzt tauchten bald weitere dieser erotischen Bilder auf. Immer in verlassenen Gegenden und immer stellten sie erotische Szenen des griechischen Altertums dar. Es waren die ersten Spray-Wandgemälde überhaupt. Die Zuordnung zu einem bestimmten Künstler war durch die Signatur einfach. Nur wurde der Erschaffer dieser Kunstwerke nie als eine real existierende Person identifiziert. Die Diskussion über diese neue Art von bildlicher Darstellung wurde in der Öffentlichkeit hitzig geführt. Es überwog die Meinung, dass diese Kunstvariante die vielen unansehnlichen, öden Industriebrachen verschönern würden. So entwickelte sich diese neue Alternativ-Kunstrichtung zum festen Bestandteil im Lebens kunstaffiner Bürger.
Die Zahl Teofilos Gesamtwerke war nach wenigen Jahren im oberen zweistelligen Bereich angekommen. Es dauerte nicht lange, und es wurden geführte Touren zu diesen dekorativen Bildnissen angeboten. Kurze Zeit später tauchten Hinweise als 'Must See' in einschlägigen Reisehandbüchern auf. Der Betrachter konnte feststellen, dass der Künstler sich im Laufe der Zeit in seinem Schaffen weiterentwickelt hatte. Die Bilder der ersten Serie waren noch stark an die antiken Originale angelehnt, fast Kopien 1 : 1. Im Laufe der Jahre verfeinerte sich dann die bildliche Darstellung. Es war zu erkennen, dass der Maler versuchte, seinen Stil zu variieren. So gelang es ihm, eine impressionistische Note in die Bilder zu bringen, was aufgrund der Spray-Technik nicht einfach ist. Die Betrachter waren sich bei der Bewertung dieser Wandlung uneinig, wie dieses zu bewerten sei. Viele von ihnen bevorzugten den ursprünglichen Stil des Künstlers. Aber dem Erschaffer der Bilder schien auch dieser Stil irgendwann auch nicht mehr zu genügen. Er veränderte ihn stark und versuchte sich am Kubismus eines George Braque. Die Verwandlung der Perspektiven gelang ihm gut und bot Vorteile in der von ihm bevorzugten Technik. Bemerkenswert, wie ein Künstler im Untergrund seine Kunstfertigkeit auf diese Weise öffentlich weiterentwickelte. Im weiteren Verlauf seiner darstellerischen Laufbahn verwendete Teofilo M. später auch völlig andere Motive. Weg von antiker Erotik, hin zu modernen Stadtansichten seiner Heimatstadt. Die von ihm praktizierte gesprühte Maltechnik kam auch in kubistischer Darstellungsart perfekt zur Geltung.
Des Rätsels Lösung, wer sich hinter dem Pseudonym Teofilo M. verbergen könnte, wäre sicherlich irgendwann offengelegt worden. Es kam jedoch kein einziges neues Graffito mehr hinzu. Beim Athener Publikum machte sich darüber Enttäuschung breit. Auch viele der ersten scharfen Kritiker bedauerten inzwischen das Ende dieser ungewöhnlichen Kunstserie. Teofilo M. hatte die Zeit seines Schaffens in dem Moment beendet, als er Abbildungen aus den USA sah, die seine Art der Darstellung nicht nur kopierten, sondern diese auch als Stylewriting in sogenannten Tags verwendeten. Sie verkamen so zu Markierungen von Revieren örtlicher Straßengangs. Das war nicht die Welt des Teofilo M..