Hier kaufte sie am liebsten (Handlungsorte I)

Chrizzader

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Hier kaufte sie am liebsten !
Auch wenn die Auswahl nicht die größte und die Preise nicht die kleinsten waren.
Auch wenn es sehr beengt war. Deshalb gab es auch keine Einkaufswägen, nur Körbe. Wenn zwei Kunden sich begegneten mussten sie sich dicht an den, nie wirklich ausgelasteten. Regalen entlang drängen um aneinander vorbei zu kommen.
Aber das kam nur selten vor.
Natürlich sie konnte jederzeit ihren Sohn anrufen der würde dann mit dem Auto kommen und sie würden zu dem großen Supermarkt im Industriegebiet fahren.
Aber das wollte sie nicht!
Hier kaufte sie am liebsten. Der Laden war vollgestopft mit Requisiten jahrzehntelanger Einzelhandelstätigkeit. Ausgebleichte Plakate priesen noch immer, längst unbegehrte Produkte an. Einstmals popig grelle inzwischen aber ins schmutzig veraltete abgerutschte Pappständer zeugten von der Nutzlosigkeit vergangener Werbekampagnen. Freizeitartikel die andernorts schon seit Jahren im Sortiment fehlten, schienen, willkürlich im Raum verteilt, ganz zwanglos neben den neuesten Errungenschaften der Marktforschung ihr Dasein zu fristen.
Irgendwie war es auch nicht wirklich hell hier. Die wenigen unmodernen Neonringe an der Decke strahlten ein seltsames ungenügendes Licht ab, das alles was in seinen Schein geriet sofort mit seiner wohligen Gedämmtheit in die Welt der Krämer eintauchte.
Hier kaufte sie am liebsten. Es störte sie auch nicht das es irgendwie immer ein wenig nach alten Kartons und Früchten roch. Und natürlich nach Käse. Käse der frisch, in ganzen Laiben, sortiert nach Herkunft, Geschmack, und Alter ganz hinten im Laden glasgeschützt in einer schmucklosen, lediglich mit Plastiktrauben dekorierten Vitrine lag. Käse, ihr Mann hatte immer Edamer bevorzugt, oder Gauda. Daneben stand, auf einer durch ewiges hin und herschieben von Verpackungen und Geld fast schon spiegelblank polierten Theke, ein uralter Kassenautomat, der mit seinen mechanischen Tasten, dem aufwendig verzierten Gussgehäuse und der analogen Anzeige wohl den Eindruck von ehrlicher Arbeit vermitteln sollte. Erstrecht wenn er bei jeder Öffnung pflichtbewusst “plink“ te.
Fast schon zu frisch und bunt ,um nicht aus der heimeligen Tristes hervorzustechen, erhob sich links neben der Käsetheke ein kleiner pyramidenförmiger Stand:
Grüner Salat war liebevoll drapiert zusammen mit einigen Gurken an die oberste Stelle dieser Rohkostskulptur gesetzt worden. Der farbenfrohe Bereich darunter schien wie zufällig mit Paprika, Tomaten, Möhren und Radieschen besetzt worden zu sein, wogegen die nächste Ebene streng in Golden delicius , Granny Smith und Boskope geteilt war. Orangen, Mandarinen, Bananen, Trauben und Pfirsiche säumten schließlich das untere Ende der Schräge.
Im hohlen Sockel waren Kartoffeln gelagert.Festkochende auf der einen, weichkochende auf der anderen Seite.
Die festkochenden das war seine Lieblingssorte gewesen, und grüne Äpfel, er hatte immer nur Granny Smith gegessen.
Den Krassen Gegensatz zur idyllisch anmutenden Obst und Gemüse Abteilung bildete der globige Spitzdachgleiche Zeitungsständer der im rechten Teil des Kassenbereichs einen Großteil des spärlichen Platzes einnahm.
Schon seit langem führte diese Filiale keine besonders umfangreiche Zeitschriftenabteilung mehr. Der Inhaber, Herr Seller, lagerte in diesem Teil seines Geschäftes, von einschlägig bekannten, täglich in dicken Stapeln auftauchenden und außerdem prima zum Salat einwickeln geeigneten Massenblättern einmal abgesehen, ausschließlich vorbestellte Presseerzeugnisse. Das waren nicht viele! Die vereinzelten Illustrierten und farbigen Spezialausgaben schafften es nicht den schmuddeligen, trostlosen Anblick dieses irgendwann einmal notdürftig selbst aus alten Holzresten zusammengezimmerten Regals zu kaschieren, ja verstärkten ihn sogar wie sie da vereinzelt, mit viel zu viel Platz dazwischen, auf ihren Besteller warteten.
Früher lag, dort an der linken seifte zwischen Frau Müllers“ Haus und Garten“ und dem von Herrn Dietz angeforderten“ Stern“, auch immer ein Exemplar der“ Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Jetzt war diese Stelle leer!
Er und seine FAZ. Nie hatte sie gesehen das er eine andere Tageszeitung auch nur in die Hand genommen hätte.
Wie in Trance hatte sie den Weg von der Eingangstür, die ihr Eintreten mit sanftem, durch kleine an ihrer Oberseite angebrachte Glöckchen verursachtem, Gebimmel angekündigt hatte, bis zum Verkaufstresen zurückgelegt.
Herr Seller der wie immer in einen weißen Arbeitskittel gekleidet war stand freundlich lächelnd dahinter.
„ Ach guten Morgen Frau Haupt , na was darf`s denn heute sein?“
Er war tot . Endlich!
„ Ich hätte gerne 125 g Camembert, ein Kilo weichkochende Kartoffeln ein halbes Kilo Golden delicius, und die Bildzeitung!“
 



 
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