Himbeereis

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Romana

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Himbeereis kann tödlich sein

Anfangs gaben sich meine Freunde verständnisvoll. Doch dann kippte einer nach dem anderen um. Am Ende sogar Lucy, meine beste Freundin. Sie könne meine Klagen nicht mehr hören, ich solle mir Franz endlich abschminken. Alles andere sei irrational.

Lucy hatte Recht. Immer wieder sagte ich mir vor: Aus der Traum, er hat eine Neue, das Leben geht weiter … aber wie sollte das ohne Franz aussehen? Sein Nörgeln, seine schlechte Laune und seine Arroganz verschwanden nach und nach hinter einem rosaroten Schleier.

In den nächsten Wochen wurde der Fernseher mein bester Freund. Doch gestern hat auch er mich verlassen. Es lief die Tagesschau, eine Menschenmenge protestierte … dann zuckte nur noch Schnee über den Schirm. Was sollte ich mit diesem Abend anfangen? Ich beschloss, mich mit einem Eis im Garibaldi zu trösten.

Während ich meinen Himbeerbecher löffelte, blätterte ich in einer Illustrierten. Die Bilder gaben mir das Gefühl, nicht ganz alleine unter diesen fröhlichen Menschen zu sein. Plötzlich spürte ich, dass neben mir jemand stand. Mein Blick fiel auf den Boden – und dort sah ich seine Schuhe!
„Seit wann liest du Schundblätter?“ Franz setzte sich mir gegenüber. Sein Gesicht war eingefallen, die Haut grau und unter den Augen lagen Schatten. „Seit Tagen versuche ich, dich zu erreichen, aber es geht niemand ans Telefon.“
„Na und?“
„Ilona hat sich von mir getrennt … und da dachte ich … schließlich hatten wir eine gute Zeit…“

Aha! Seine Neue verlässt ihn, und jetzt bin ich wieder aktuell! Du elendes Arschloch, hätte ich ihm am liebsten an den Kopf geworfen. Nicht cool, nicht gefasst, sondern laut schreiend. Aber eine Szene wäre zu banal gewesen. Unentschlossen rührte ich im Eisbecher herum und fand eine Fliege. Sie war erfroren. Zwischen Himbeerkugel und Sahnehaube.
„Himbeereis kann tödlich sein“, sagte ich und kicherte.
„Wie bitte?“ Er sah mich mit diesem kalten Blick an, der mich klein machen sollte.
„Himbeereis kann tödlich sein“, wiederholte ich. „Aber nur für Fliegen.“ Ich legte fünf Euro auf den Tisch und verließ das Lokal. In aller Ruhe, mit einem unglaublich guten Gefühl.
 

petrasmiles

Mitglied
:)

Eine witzige Geschichte mit Pfiff!
Locker und zartschmelzend - wenn mir auch der Appetit auf Himbeereis gerade vergangen ist ;-)
Gruß
P.
 



 
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