himmelfahrt 4. (pfingsten)

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
himmelfahrt 4. (pfingsten)


es ist nicht leicht zum geiste du zu sagen
und es zu meinen ohne zu verkleinern
gerechtigkeit zu einem scharfen richter
die poesie des alls zu einem dichter -
soll er als herr die schöpfung überragen?
sein werk will sich zur selbstgeburt verfeinern!

dies blau hat keine häfen oder buchten
kann denn ein Ich durch alle himmel fahren?
wie kann person unendlichkeit durchqueren
entblättern ihre eignen zwiebelsphären
wo schon ekstasen den verstand versuchten
da kann sich keine selbstbehauptung wahren

und doch: des raumes tiefe will erglänzen
in sanfter wölbung joch - empfindungsschleifen
zu einer blütenmitte hingesogen
zu einem sonnenvogelnest gebogen
der ganze will im ganzen sich ergänzen
er schlüpft und fliegt und kann die ferne streifen

kann sich in der geschöpfe schwung berühren
im wurf der saat im rausch der fruchtbarkeiten
in kampfeslust durch milderes verständnis
in wildem sturz durch tragende erkenntnis
in uns will sich die ewigkeit verlieren
und zwischen uns durchkreuzen sich die zeiten
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Dankeschön, Patrick und Mimi!

Ja, da ist eine Entwicklungsschleife vom luziferischen Sturz der ersten beiden Lieder in dem Viererzyklus über das "Flügelstutzen" des dritten zum Pantheismus des vierten.

An der "Selbstgeburt", die der heilige Schöpfergeist in der Schöpfung hervorbringen will, kann man die alte grundsätzliche Kritik vorbringen, die seit Aristoteles an dem platonischen Konzept der "Selbstbewegung" (Unsterblichkeitsbeweis im Phaidros, von Cicero ins "Somnium Scipionis" übernommen) aus dem Grund geführt worden ist, daß es keine Selbstverursachung geben könne. Diese Jahrtausende alte Diskussion mündet in die Diskussion des "Freiheit"-Begriffs ein, sofern Freiheit Selbstverursachung, Selbstschöpfung, Selbstsetzung bedeutet.
Darum geht es unter anderem. Wenn man die alte "causa sui"-Diskussion darin wiederfinden will.

grusz, hansz
 

Scal

Mitglied
es ist nicht leicht zum geiste du zu sagen
und es zu meinen ohne zu verkleinern ( )

sein werk will sich zur selbstgeburt verfeinern

- empfindungsschleifen
zu einer blütenmitte hingesogen
zu einem sonnenvogelnest gebogen
das ganze will im ganzen sich ergänzen ( )

in uns will sich die ewigkeit verlieren
und zwischen uns durchkreuzen sich die zeiten


Sehr dicht und sehr sehr groß.

Gruß
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, Scal,

das müßte man dem Schreiber der Verse mitteilen, der ich vor drei bis vier Leben war. Als Student im zweiten Studium. Bevor ich Lehrer wurde, der ich nicht mehr bin.
Ich schreibe heute anders, und es kommt mir vor, als müßte ich eine Zeitreise ins Vergangene zurück rundschleifen, um dem jungen Autor Deine Wertschätzung mitzuteilen, und das kann ich nicht. Eines der großen Wunder der Zeit, daß man nicht so eine Rückwärtsschleife ziehen kann. Selbst die Erinnerung trägt das Bewußtsein nicht in die vergangenen Taten und Ereignisse zurück, die es imaginativ vor sich sieht. Vergangenes ist nur durch seine Folgen gegenwärtig. Aber das Meiste im Reich des Erlebten wird einfach vergessen. Ich kenne den Sänger der Verse nicht mehr so gut.

grusz, hansz
 

petrasmiles

Mitglied
Ich weiß gar nicht, was ich schöner finden soll, das Gedicht, oder Deine Worte über den 'fremden' Autor. Da sprichst Du wirklich ein Phänomen an, dass man sich selten bewusst macht. Ich weiß von mir noch, dass ich unmittelbarer empfand, ernster nahm, vor allem meine Gefühle absolut setzte und begeisterungsfähig(er) war. Aber das sind auch nur Worte und die Person bleibt ein Schemen. Als ich einmal alte Tagebücher von mir las, spürte ich eher die Differenz als dass ich das alte Sein hätte erspüren können. Das muss so sein, wir sind ja so schon 'gespalten genug; trotzdem wehmütige Momente - obwohl wir ja eigentlich jetzt 'cooler' sind.

Liebe Grüße
Petra
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Du darfst, liebe Petra,

es dem antiken Stilmittel der "affektierten Bescheidenheit" zurechnen, daß ich Scals Wertung des Gedichts als "sehr dicht und sehr groß" zwar dankbarst zur Kenntnis nehme - das versteht sich ja von selbst - aber zugleich etwas beschämt abweisen muß.

grusz, hansz
 



 
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