Hinter dem Horizont

Apolonia

Mitglied
Ein Blatt drehte seine Pirouetten in der Luft und ich spürte dich ganz nah. Noch ein letzter Atemzug. Der Nebel verdichtete sich im Nu. Eine mentale und physische Leichtigkeit nahm mich gefangen. Ich folgte ihr willig und spürte, sie wird mich zu dir führen.

Das Avalon, unser mystisches Avalon, wird uns vereinen. Ich habe verstanden, du dürftest nicht zurück.

Sehnsüchtig ergriff ich deine Hand, die mir helfen sollte, diese Grenze zu überschreiten.

Nein, Angst hatte ich nicht. Trotzdem fühlte ich mich von der immer dunkler und dichter gewordenen Nebel ein wenig gedrängt. Sie füllte, ungehemmt und endgültig, jeden hinter mir freigewordenen Raum sofort aus und so schnitt sie mir den Weg zurück. Ich empfand es, als eine Bedrohung für mein Dasein.

Unbewusst versuchte ich mich dagegen zu wehren. Ganz schwach und unentschlossen. Wollte ich das wirklich?

So stand ich nun mit Rücken zum Avalon und war von dem Nebel im Halbkreis gefangen gehalten. Immer enger rückte er auf mich heran. Die von ihm ausgehende Bedrohung, spürte ich, aber wehren konnte ich mich trotzdem nicht. Ich war kraftlos und machtlos. ER spielte ein böses Spiel mit mir. Jetzt verstand ich, wie listig ER mich überrumpelt hat.

„Habe ich noch eine Chance oder gab es kein Zurück mehr“? - dachte ich verzweifelt und versuchte meine flatternden Gedanken, die um mich in bunten Bilder rotierten, aufzuhalten.

ER drängt mich immer weiter, behutsam, aber zielgerecht an diese Grenze, die keine war. So wurde die Metamorphose vollzogen. Ich betrat eine andere Dimension und vergaß, woher ich kam.

Dunkelheit. Alles hat sich in dem wackeligen geleeartigen Schatten aufgelöst. Meine Sinne auch.



Langsam verlasse ich die Dunkelheit. Ich wache auf, allmählich, schrittweise. Zuerst höre ich ganz leise Stimmen, nur unverständlich. Mit jedem Wort wurde es heller. Irgendwas oder jemand drückt meine Brust ganz fest. Ich spüre mein Herz fast an den Rücken leise klopfen. Meine Lunge pumpt mit voller Kraft, aber ich bekomme noch zu wenig Luft. Ich möchte mehr, mehr, noch mehr...

„Es geht nicht weiter, hör auf mich zu quälen, ich kann schlecht atmen“ – wollte ich laut und deutlich sagen.

Meine Versuche bleiben ohne Erfolg. Ich mache ein Auge auf, nur ein Schlitz. Es blendet. Schnell wieder zu. Jetzt beide Augen auf. Noch sehe ich kaum. Dann gleich, ganz weit im Hintergrund ein paar weiße Gestalten. Klein und zerbrechlich.

Diese werden immer größer und zoomen in meine Richtung.

Ich habe keine Angstgefühle. Mein Atem beruhigt sich, aber mein Kopf arbeitet fieberhaft. Jemand greift meine Hand. Ich spüre eine Wärme, dann eine Müdigkeit erfasst meine Glieder.

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Vagant

Mitglied
Hallo Apolonia,
Also ich lese hier einen Ich-Erzähler in den kritischen Minuten irgendeiner lebensrettenden Maßnahme. Vielleicht ist da ein Sanitäter oder der Notarzt kurz nach einem Unfall am Werk; darüber lässt mich der Erzähler allerdings im Unklaren; jedenfalls denke ich, dass er sich da in irgendeiner schwebenden Phase zwischen Leben und Tod befindet. Der Erzähler beginnt hier mit dem Präteritum um dann die Szene der Rettung im Päsens abzuschließen. das Präteritum macht Sinn, denn jede Art von Nahtoderfahrung im Präsens ist für einen Ich-Erzähler vorneweg erstmal unlogisch, allerdings halte ich einen Wechsel der Erzählzeit in einem solch kurzen Text fast noch problematischer als so ein Logigproblem.
Ich stelle mir die von dir beschriebene Situationen ja grundsätzlich anders vor: Bewusstseinsstrom bis zum Abwinken, wahrscheinlich würde ich fluchen wie ein Rohrspatz und dabei Leuten begegnen, die ich eigentlich nicht mehr sehen wollte; aber was weiß unsereins schon davon, wie es auf der Schwelle einmal aussehen wird, nichts konkretes, denke ich, und obwohl ich's nun auch nicht besser weiß, ist mir - neben dem angesprochenen Zeitproblem - diese diffus-vernebelte-Luftigkeit eine Spur zu wattig, als dass sie die Schwere des Erzählten tragen und auch ertragen kann.

Ein wenig zum Text:
Trotzdem fühlte ich mich von der immer dunkler und dichter gewordenen Nebel ein wenig gedrängt. Sie füllte, ungehemmt und endgültig, jeden hinter mir freigewordenen Raum sofort aus und so schnitt sie mir den Weg zurück. Ich empfand es, als eine Bedrohung für mein Dasein.
Im ersten Satz sollte es vielleicht die "Nebelwand" heißen, damit im Folgesatz das Pronomen "Sie" stimmt. Des weiteren fehlt mir im ersten Satz ein klare Aussagen. Gedrängt, ja gut. Aber wohin? Oder zu was? Zu wem? Kurz gesagt: zu dem Verb "gedrängt" fehlt mir der Bezug.

„Habe ich noch eine Chance oder gab es kein Zurück mehr“? - dachte ich verzweifelt und versuchte meine flatternden Gedanken, die um mich in bunten Bilder rotierten, aufzuhalten.
Hier kommt nun die Gedankenrede. Etwas spät, für meinen Geschmack, und etwas zu allgemein, denn diese Art Fragen kann man sich ja alle nasenlang stellen, da braucht es kein Sterben zu. Hier hast du vielleicht die Chance verpasst, de Protagonisten etwas persönliches zu geben, etwas, wo der Leser laut ruft: Herr, jeden anderen, aber nicht den!
Warum meint er, eine weitere Chance verdient zu haben? Und wenn er sie bekommt, was dann, wofür möchte er sie nutzen? Sind da noch Dinge offen, ist noch was zu erledigen? Der Leser will all die Dinge wissen.
Andere Sache: Die Darstellung der Gedankenrede in seiner Form etwas aus der Zeit gefallen. Da braucht es keine eigentlich keine Gänsefüßchen mehr, und das "dachte ich" eigentlich auch nicht; ohne dem ganzen Schmuckzeug wird die Erzähldistanz überbrückt und das Erzählte rückt näher an den Protagonisten.
Vielleicht ist es hier auch besser, das Verb (aufzuhalten) an den Hauptsatz zu hängen und den Nebensatz dann nachzuschieben; eine Stilfrage, ich weiß, und ich mach das ja auch meist falsch, aber guter Stil - sagt man jedenfalls - macht sich halt an solchen Dingen fest.

Das soll's erst mal gewesen sein, Vagant.

Kleiner Nachtrag: Warum am Ende nicht nochmals das Bild vom pirouettendrehenden Blatt aufnehmen? So als wiederkehrendes Motiv; ein Kniff, der Texte runder werden lässt, was ja hier thematisch - Leben, Tod, Leben - passen würde.
 
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