History X

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Mimi

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History X


Die Luft war schwer, erfüllt von einem Geruch, der sich in jede Pore grub. Die Stille, die auf das Grollen folgte, drückte auf meine Brust und der leere Blick in deinen Augen, Hanna, schnürte meine Kehle enger. Rauchsäulen rankten empor, verdeckten den Himmel, verschlangen den Tag mit samt seiner silbernen Farben, und die hohlen Fratzen aus Beton warfen ihre Schatten wie Krallen in den Staub.

Du lagst neben mir, Hanna, mit diesen leeren Augen, die nichts zu füllen schien, als ob du die Welt um dich herum verneintest, als ob du dich in ihr aufgelöst hattest, Hanna, wie ein Stückchen Zucker im Tee.
Dein Kinn bebte, und dann hörte ich ein leises, gebrochenes Schluchzen, das du in dich hineinpresstest, wie einen giftigen Stachel. Mein Mund wusste nicht mehr, wie er Worte formen konnte, was er dir hätte sagen sollen, Hanna, um dich zu trösten. Ich wollte den Staub aus deinen Haaren streichen, damit du dich zurückverwandelst in das Mädchen, dessen Bild ich sorgfältig gefaltet in meiner Geldbörse trug. Und als die Finger der Dunkelheit in mich hineinwuchsen, bis sie mit mir verschmolzen, wusste ich, dass wir uns schon vor langer Zeit verloren hatten, Hanna. Ich fragte dich nach Erlösung und ob ich sie jemals finden würde, wenn ich dir nur folgte.
 

petrasmiles

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Manchmal braucht es nicht viel, und ein Roman erscheint vor dem inneren Auge.
Ich bin schwer beeindruckt. Eine Szene der 'letzten Dinge', die einen nicht loslässt.

Liebe Grüße
Petra
 

Mimi

Mitglied
Dankeschön, Petra, für Deine Rückmeldung.
Ich schrieb diesen Text im Juli 2006, damals waren es die unerträglichen Bilder vor Ort, die ich versucht habe in Worte zu fassen.

Es ist so erschreckend, wie sehr diese Bilder den aktuellen Bildern gleichen, völlig egal auf welchem Erdteil oder welches Jahr, und leider werden es in 100 Jahren noch die gleichen Bilder sein.
Mir scheint, der Mensch ist nur begrenzt lernfähig.

Gruß
Mimi
 

petrasmiles

Mitglied
Den Eindruck kann man bekommen. Ich denke nur, dass die meisten lernfähig sind, nur leider zu viele - und an den falschen Stellen - die es nicht sind.
Ohne diese Perspektive müste man sonst verzweifeln.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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