Hochzeit wegen EDNA abgeblasen

Naciye

Mitglied
Er kam tatsächlich! Er stand einfach vor meiner Tür. Die Adresse hatte er aus dem Telefonbuch.
Ja... und ich hatte keine Ahnung was ich machen sollte. Die Bude war ein Schlachtfeld, mit den üblichen Wochen alten Jogurtbechern in den die rechts drehenden Kulturen Polonäse tanzten. Peinlich war mir auch das mit Postkarten beklebte Katzeklo, daß vollgemacht direkt neben der Haustür thronte.
Die Brad Pitt Poster sind mir erst später eingefallen, als wir schon gemeinsam auf meinem Bett saßen.

Er stand da jetzt vor meiner Tür, ein Stück Holz trennte uns voneinander. Eigentlich standen wir uns schon gegenüber. Er draußen, ich drinnen. Ich hockte mich hin damit er nicht sehen konnte, das ich mich schon hinter der Tür postiert hatte. Er war total standhaft. Es vergingen bestimmt zehn Minuten in denen ich nicht wußte ob ich ihn überhaupt rein lassen wollte. Rein lassen in mein Leben und meine dreckige Bude. Hockend befand ich mich also, neben dem Katzenklo. Ganz schön mickrig von Dir, dachte ich. Dann, ich wäre fast ins Klo gefallen, kam ein Zettel unter der Haustür hervor.

Ich weiß das Du hinter der Tür bist!
Jack

Hatte ich da noch eine Wahl? Nein!, ich riß die Tür auf und schaute direkt auf seinen freien Oberkörper. Ich mußte kichern, eines von diesen blöden Kichern, das nur Frauen zustande bringen, denen etwas peinlich ist. Eigentlich war die Situation mir nicht peinlich, sondern eher unbeschreiblich. Wir hatten ein paar male telefoniert und uns hundert Emails geschrieben. Wir hatten eine Beziehung aufgebaut, die durch das Medium bestimmt war.

Was wäre jetzt, wenn wir uns total blöde finden? Ich zog ihn herein und bat ihm ein Leitungswasser und ein frisches T-Shirt an. Alternativ könnten wir auch zur Tanke fahren um was alkoholisches zu besorgen schlug ich dann vor.

Nö, sagte Jack, Leitungswasser wäre Prima. Für das was er mir jetzt offenbaren wolle, müsse er nüchtern sein und einen freien Oberkörper haben, weil er sonst ins schwitzen käme.

Das fing ja gut an. Was das denn wäre fragte ich ihn.

Dann sagte er es. Die magischen zwei Worte.
Heirate mich

Wir sind dann auf mein Drängen hin doch zur Tankstelle gefahren. Um Dich ein bißchen kennenzulernen, habe ich gesagt. Jack hatte keinen Führerschein, oder kein Auto. Jedenfalls fuhren wir mit meinem. Die Fahrt war nicht lange, aber ich habe mich in genau den fünf Minuten entschlossen ja zu sagen.

Nichts an Jack, war genau mein Fall. Er hatte nicht das schleimige Grinsen eine Hollywood Adonis, noch muskulöse Arme, die mich über die Türschwelle tragen würden. Ich war nicht einmal sicher, ob er dafür überhaupt genug Kraft besaß. Er war eher schmächtig und mindestens drei Zentimeter kleiner als ich. Er roch etwas nach Marihuana, machte aber nicht den Eindruck eines typischen Kiffers.

Wir sprachen nicht viel. Wir rochen einander, schauten uns immer wieder erstaunt an. Dann fuhren wir nach Dänemark, mit dem eingekauften Rotwein und uns. Wir fuhren die ganze Nacht. Irgendwann lag seine Hand dann auf meinem Knie. Nicht aufdringlich, sondern süß. Wir hatten die Grenze von Anschauen und Riechen passiert und waren nun beim fühlen. Jacks Hände waren klein mit langen fast schon knochigen Fingern. Aber sie fühlten sich gut an.

Vorsicht! Rief Jack noch, aber da war es schon zu spät.
Mit einem lauten Knall, prallte etwas gegen mein Auto. Am ganzen Leib zitternd, kamen wir endlich zum stehen. Jack sah mich eine Weile eindringlich an, als wenn er sagen wollte. Fahr weiter. Er sagte es nicht und uns blieb keine andere Wahl, als auszusteigen und nach zu sehen, was wir angefahren hatten. An Jack seinem Gesichtsausdruck konnte ich schon sehen, das es kein Reh gewesen war.

Wir liefen also zu der Stelle., konnten aber nichts entdecken. Hol eine Taschenlampe, sagte Jack . Ich rannte zurück zum Auto und kramte wie eine wilde im Kofferraum. Endlich hatte ich sie. Als ich zurück ging, sah ich das Jack in den abgrenzenden Graben gesprungen war, und anscheinend etwas gefunden hatte. Mit der Taschenlampe sprang ich ihm hinterher und wollte nicht glauben was ich dort sah.

Sie ist tot hatte Jack gesagt. Er war über einen Leblosen Frauenkörper gebeugt. Es war ein Mädchen, vielleicht so alt wie ich. Man konnte sehen, das es sich um eine Obdachlose oder ähnliches gehandelt haben mußte. Sie war ganz schmutzig, hatte schäbige Sachen an. Jetzt war sie zu dem auch noch Blut verschmiert. Ein ekeliger Anblick.. Die Idee mit den Personalien kam von mir. Ich hatte Jack gesagt er solle mal schauen, ob sie einen Personalausweis dabei hatte.

Jack sagte lange Zeit nichts und ich wollte fast schon selber in der schmutzigen Jackentasche dieses Mädchens kramen, als er mit tränenerstickter Stimme flüsterte,

Es ist Edna..

Wer Edna war und welche Rolle Sie in Jacks Leben gespielt hatte, bekam ich erst viel später raus. Was ich wußte war, daß wegen ihr unsere Hochzeit geplatzt ist. Das nehme ich Ihr zwar nicht übel, aber sie hätte sich ruhig einen anderen Tag aussuchen können, um in den düstren Gefilden, nahe der Dänischen Grenze, herrum zu lungern.

Jack hatte noch Jahre später böse Alpträume und erzählte mir mal, daß er dann träume, ich würde überfahren werden.

In solchen Nächten nahm ich ihn ganz dool in den Arm, wiegte ihn wieder in den Schlaf und flüsterte. Es ist nur Edna, beruhigt Dich.







In freier Anlehnung an "Fishing with Jack" seine SCHREIBAUFGABE:
 

Frank Zimmermann

Junior Mitglied
Road-Movie

Mir gefällt der Text gut. Mit wenigen prägnanten Strichen werden hier deutliche Umrisse von Personen gezeichnet. Das ganze erinnert mich stark an filmischen Stoff, ich finde es könnte der Anfang eines Road-Movies sein.
Danke für den Beitrag!
 



 
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