Hörigkeit

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Dimpfelmoser

Mitglied
Hörigkeit

Im Hellrot verschwimmen die Striemen der Liebe
zu Brandzeichen manischer Abhängigkeit.
Er will nur das Beste, doch all seine Hiebe
erzählen von toxischer Fürsorglichkeit.

Gewittrige Augen durchdringen den Makel,
der dich wie ein zitternder Nebel umgibt.
Du blickst in den Spiegel und siehst das Debakel
für ihn, der nur Reinheit, Vollkommenheit liebt.

Er muss dich doch strafen, dich säubern, dich brechen,
die Braut aus dir formen, die ihm würdig scheint.
Und du musst ihm helfen, dem Wahnbild entsprechen,
den Dämon umarmen. Nun seid ihr vereint.

Den fordernden Händen hast du dich ergeben,
du schmeckst seine eisernen Küsse der Macht.
Der Spiegel verkrustet, erblindet dein Leben,
doch Wunden vernarben so schnell in der Nacht.
 
G

Gelöschtes Mitglied 27550

Gast
Hallo Dimpfelmoser,
Dein Gedicht vermag ich leider nicht zu bewerten, da es mir schlicht eine Spur zu gewalttätig ist.
Es ist überfrachtet mit menschenverachtenden Praktiken, die ich tatsächlich auch teilweise selbst schon erlebt habe.
Nichts für ungut.
Herzlichst Sue
 

Dimpfelmoser

Mitglied
Liebe Sue,

ich hoffe, dass Dein eigenes Erleben solcher Praktiken der Vergangenheit angehört. Denn natürlich sollte kein Mensch in solche Situationen geraten, kein Mann eine Frau als Eigentum betrachten, das benutzt wird, wie es ihm gerade passt. Mir selbst fehlt hier (glücklicherweise) eigene Erfahrung – darf man (Mann) dann darüber schreiben? – aber es passiert eben immer und immer wieder, auch in unserer vermeintlich aufgeklärten, emanzipierten Gesellschaft. Und ja, dies ist grausam, gewalttätig, menschenverachtend. Mich (als Vater großartiger, selbstbewusster Töchter) beschäftigt dies enorm, deshalb komme ich zu solchen Texten.

Liebe Grüße
Dimpfelmoser
 
G

Gelöschtes Mitglied 27550

Gast
Lieber Dimpfelmoser,
vielen Dank für Deine einfühlsamen Worte...Jetzt sehe ich Dein Gedicht mit anderen Augen...
Liebe Sue
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Dimpfelmoser,

ich finde schon den Text sehr einfühlsam, weil er versucht, diese Verstrickung offen zu legen.
Das Gereimte erscheint mr auch irgendwie wie etwas Feines, wie eine zarte Einbettung wie zum Schutz des Lesers und für die Würde der Protagonistin.
Und eigentlich ist der Text ja auch aus der Perspektive der Dominierten geschrieben.
Du bist dem Phänomen der Unterwerfung so nahe gekommen, wie man es vermag, wenn man selbst nicht involviert ist.
Wer kennt schon die Abgründe der Seele, die solche Allianzen schmieden.

En guter Text!

Liebe Grüße
Petra
 

Rachel

Mitglied
Könnte auch eine andere Art Hörigkeit gemeint sein? Zum Beispiel die zwischen Maschine und Mensch? Ich meine, das bleibt im Gedicht offen.

Ich sah "hellrot" zwei Hände, die ein nagelneues Smartphone umarmen und wischen und säubern.

ER, der Algorithmus, will:

Er will nur das Beste, doch all seine Hiebe
erzählen von toxischer Fürsorglichkeit.


Auf jeden Fall ... menschliche Abgründe und sehr spannend geschrieben! LG
 

Dimpfelmoser

Mitglied
Liebe @stadtgeflüster , @petrasmiles , @Rachel und @fee_reloaded ,

ich freue mich über eure Gedanken und/oder Bewertungen zu diesem Text. Dies vor allem angesichts des doch schwierigen Themas.

Die Idee zu einer möglichen toxischen Beziehung zwischen Mensch und Maschine (vielleicht auch Mensch - KI) finde ich spannend. Vielleicht ist das Inspiration für ein anderes Werk.

Danke euch und liebe Grüße
Dimpfelmoser
 

anbas

Mitglied
Hallo Dimpfelmoser,

über Themen, wie dieses zu schreiben, ist schwierig, wie ich finde. Und es ist egal, ob es dieses Thema ist, oder andere dieser Art. Denn das, was da abläuft kann man im Grunde nicht in Worte fassen. Es ist eben oft nicht nur Hörigkeit, wenn die Partnerin oder der Partner bei dem/der bleibt, von dem/der die Gewalt ausgeht. Da können oft noch viele andere Aspekte hineinspielen (z.B. die Hoffnung, dass er/sie sich noch ändern wird, oder die Meinung, man habe selber schuld, da man etwas falsch gemacht hat).
Die Gefahr bei solchen Texten in die "Sozialromantik" , in banales Schwarz-Weisß-Denken oder in irgendwelche Klischees abzudriften ist enorm groß.

Daher versuche ich bei Gedichten dieser Art auch darauf zu achten, welche Stimmung/Atmosphäre vermittelt wird. Und die ist in Deinem Gedicht, wie ich finde, gut eingefangen.

Das Thema ist mir insofern nicht ganz unbekannt, da ich beruflich hin und wieder damit zu tun habe (aber eher am Rande).

Liebe Grüße

Andreas
 

Dimpfelmoser

Mitglied
Lieber Andreas,

dieses: „Daher versuche ich bei Gedichten dieser Art auch darauf zu achten, welche Stimmung/Atmosphäre vermittelt wird“ finde ich wirklich sehr wichtig, selbst wenn die Bewertung dieser Stimmung stark von der Einstellung und den Erfahrungen der Personen, die in das Geschriebene einsteigen, abhängig sein mag. Mein eigenes Empfinden, vielleicht meine persönliche Haltung, ist etwas, was ich mal etwas deutlicher, dann vielleicht auch einmal eher versteckt verarbeite. Und ein Stück weit kann ich dann nur erahnen, wie das Resultat auf die Rezipienten wirkt, was bei verdichteten Texten nochmals deutlich schwieriger ist. Was die Wirkung formaler Aspekte betrifft, experimentiere ich hier vor allem auf der Basis meines eigenen Bauchgefühls. Denn beim Formalen fühle ich mich noch lange nicht sattelfest genug, um eine Wirkungsbewertung vornehmen zu können – bei der eine objektive aber vielleicht auch gar nicht wirklich möglich ist.
Danke Dir für Einschätzung, Bewertung und Beschäftigung (am gestrigen Internationalen Frauentag!) mit dem Text.

Liebe Grüße
Dimpfelmoser
 



 
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