Hoffnungsschimmer - Kurzgeschichte zum Thema Frieden

Hoffnungsschimmer - J. F. Fischer
„Lauft!“ Ich sah nicht mehr zurück. Sie waren nicht weit hinter mir. Es knallte nun öfter als ich blinzeln konnte. Links von mir brach krachend ein Gebäude zusammen. Die Staubwolke verdeckte uns allen die Sicht, doch wir wussten den Weg. Wir hatten ihn in den letzten Wochen so oft geübt. Ich rannte immer noch. Ich kam an unserer alten Schule an. Auch wenn ich nicht klar bei Sinnen sein konnte, wusste ich, was zu tun war. In meiner verzweifelten Angst schrie ich zu ihnen: „Lauft!“ Sie rannten. Sie kannten den Weg zum Luftschutzbunker der Schule genauso. Auch wenn es sich für mich wie Zeitlupe anfühlte, wusste ich, dass sie liefen. Schneller als sie konnten. Sie hatten genauso Angst wie ich. Sie waren Kinder! Dann schlug es mit ohrenbetäubendem Lärm auf die zerrissene Straße ein. Nun blieb die Zeit für mich endgültig stehen. Ich sah zurück. Da wo sie gerade noch liefen, schoss jetzt eine gewaltige Rauchwolke in den Himmel. Ein tiefer, schwarzer Krater kam zum Vorschein. Wo waren sie?


Dann hörte ich ihren Schrei. Es war, als würde mein Leben zusammenbrechen. Sie hatte oft geweint. Doch so eine Höllenangst wollte ich nicht hören. Es brachte mich um den letzten Fetzen Verstand, der mir nach all den Anblicken noch geblieben war. Sie schrie wieder. Ich rannte los. Selbstlos und verzweifelt. Warum konnte es nicht aufhören? Dann sah ich ihren Umriss in der Rauchwolke. Sie lag am Boden. Mein Bruder lag fünf Meter daneben. In Stücke gerissen! Doch ich musste wenigstens meine kleine Schwester da herausholen. Ich nahm sie in die Arme und lief zurück. Da hörte ich schon den nächsten Schrei. Doch er war nicht menschlich. Das laute heulen der Granate verklang, als ich den Trümmerhaufen der Schule erreichte. Eine große Explosion warf den Schutt in alle Richtungen. Beinahe hätte mich eine alte Tafel getroffen. Auf ihr stand noch ein Wort. Nur das eine: „Frieden!“


Ich sprang gerade noch die Treppen hinunter, doch es war schon zu spät. In meinen Armen ein Kind, das gerade einmal neun Jahre lang gelebt hatte, war tot. Es war alles vergebens. Unser ganzes Leben war nur vergebens. Doch es war noch nicht vorbei. Die ganze Straße hatte sich im Keller versammelt. Wir saßen dicht an dicht. Hoffnung hatte niemand mehr. Ab und zu fragte ein Kind, wann wir wieder zu Hause seien. Ich wollte heulen. Doch alles, was ich konnte, war an die Tafel zu denken. Hoffnung hatte niemand mehr.


Ich war der einzige aus meiner großen Familie, der noch am Leben war. Ich fühlte mich schuldig. Sie hätten nicht sterben müssen. Ich habe nicht genug auf sie Acht gegeben. Sie hätte nicht sterben müssen. Ich war zu langsam. Jetzt gab es nichts mehr, was mich davon abhielt, nach draußen zu gehen. Es hatte keinen Sinn mehr gegen den Krieg zu kämpfen. Ich wollte einfach nur, dass dieser Schmerz der Schuld aufhörte. Am Abend schlich ich hinaus. Es war schon fast Neumond, doch die Dämmerung beleuchtete den grauenvollen Anblick. Ich kam in unser Haus. Die blutgetränkten Überreste lagen fahl und grau im Feld. Doch dann sah ich eine Hand in der Ruine. Das konnte doch nicht schon wieder passieren! Dann hörte ich einen Schrei. Es war nicht mehr als ein klägliches Flüstern. Ich wollte helfen. Aber ich konnte nicht. Es war wie ein Déjà-vu. Wieder war ich schuld, denn dann war es zu spät. Ich wollte weinen, doch die trockenen Augen konnten nur noch auf den Fetzen einer Postkarte mit der Aufschrift: „Frieden“ starren. Vielleicht war die Hoffnung doch noch nicht tot.
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber J.F. Fischer,

willkommen auf der Leselupe!

Dein Versuch, den Krieg auszumalen, um den Frieden zu befördern, ist aller Ehren wert, aber bei mir ist in dem Text der Hoffnungsschimmer nicht angekommen, denn der letzte Satzteil widerspricht der Dynamik des Geschehens und den Erlebnissen des Protagonisten. Eben noch wird gerannt, dann gesprungen, überall Tod, Blut, Selbstvorwürfe bis in den letzten Absatz - und dann soll der Blick auf eine Postkarte den Sinn desjenigen aufhellen, der eben erst 'wieder zu spät' kam? Du gibst der Hoffnung keinen Raum will mir scheinen.

Aber vielleicht sehen das andere Leser ja weniger kritisch und bei ihnen kommt die Botschaft an.

Ein paar Redundanzen meine ich, gesehen zu haben.

Liebe Grüße
Petra
 
Liebe Petra,

ich weiß, dass das alles ein bisschen überstürzt läuft. Anfänglich habe ich die Geschichte nur für einen Schreibwettbewerb geschtrieben. Für den hat das offensichtlich gereicht, denn ich habe den 7. Platz belegt. Doch ich verstehe die Kritik. Es war meine erste Kurzgeschichte und ich lerne noch. Nach dem Wettbewerb habe ich mir gedacht, dass ich die nicht einfach wegwerfen kann. Vielleicht mögen andere sie ja. Ich habe nicht vor eine große Schreibkarriere anzutreten.

Aber danke für den Hinweis. Das nächste Mal achte ich darauf.

Lg
JF
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe den Text anders gelesen.

Für mich kommt gerade die Hoffnungslosigkeit des Krieges gut zum Ausdruck. Der Tod, immer wieder der Tod, dem keiner ausweichen kann. Der Tod wird im Krieg zu etwas Alltäglichem, las ich mal in einem Interview mit einer alten Dame, die den Angriff auf Dredsen 1945 überlebt hatte. Erst ist man noch "betroffen", später schert sich keiner mehr um die, die am Straßenrand liegen.

Den Hoffnungsschimmer soll der Fetzen Papier mit den Wort Frieden bringen. Aber es bleibt ja sehr vage, ob es überhaupt einen Hoffnungsschimmer gibt. Für mich eher nicht. Eventuell könnte der Text auch den Titel "Hoffnungslos" tragen. Aber "Hoffnungsschimmer" steht in eher reizvollen Kontrast zum Inhalt.
Für mich ist das ok.

Übrigens hat die Geschichte immerhin den siebten Platz des Wettbewerbs erreicht, du meinst wahrscheinlich, du hast nicht gewonnen. Das macht nichts. Der achte Platz wäre schlechter gewesen. :)

Gruß DS
 
Im eigentlichen Sinne habe ich die Geschichte nur "Hoffnungsschimmer" genannt, weil es ein Text zum Thema "Frieden" sein sollte und ich das Thema noch nicht darin gesehen habe. Deswegen wurde auch die letzte Zeile erst im Nachhinein hinzugefügt. Sie soll den "Zufall" mit der Tafel und der Postkarte nocheinmal beleuchten.

Noch etwas zum Hintergrund der Geschichte: Als ich sie geschrieben habe, wollte ich v. a. einen Vergleich, "wie ein Déjà Vu", schaffen zwischen Ukraine-Krieg und 2. Weltkrieg. Es gibt und gab in den Städten immer wieder extreme Bombenhagel. Ich selbst habe nie irgendwas in der Art erlebt! Und ich habe auch keine spezifische Recherche für den Text betrieben. Ich kann mich selbst nur schwer in die Figuren hineinversetzen. Deswegen sind die Gefühle auch nur wie ich es mir vorstelle. Einige Zeilen sind auch aus eigener Erfahrung mit traumatischen Situationen entstanden, aber nichts kommt an Krieg heran.

Ich finde die Story für den ersten wettbewerbsreifen Versuch mehr als zufriedenstellend.

Übrigens hat die Geschichte immerhin den siebten Platz des Wettbewerbs erreicht, du meinst wahrscheinlich, du hast nicht gewonnen. Das macht nichts. Der achte Platz wäre schlechter gewesen. :)
Danke. Das ist mit Abstand die kreativste Aussage zur MOtivation, die ich je gehört habe.

Lg JF
 



 
Oben Unten