Salute, Patrick und Agiulf!
(1) Die Ausgangslage
Warum hat sich das Universums nach dem Urknall selbst geordnet (Sternenbahnen usw.), warum hat die Weltenuhr einen inneren Mechanismus, warum wurde aus dem Einzeller schließlich ein Mensch mit allen Sinnen?[blue] Die Uhr setzt den Uhrmacher voraus[/blue], das Bild den Künstler, das Universum und die Evolution einen geistigen Schöpfer. Das sind die Themen, um die sich heute ein Gryphius annehmen würde und er würde uns den Spiegel vorhalten, warum wir immer noch solche Tier-Menschen sind und noch immer keine Geist-Menschen. Unter diesen Gesichtspunkten, meine ich, darf meiner bescheidenen Huldigung ein Existenzrecht eingeräumt werden. Oder liege ich total verkehrt?
LG Agiulf
Tja, das ist ein riesiges Fass, das da aufgemacht wird, greifen wir auf eines der vielen Argumente in deinem Plädoyer, Agiulf. [blue] Die Uhr setzt den Uhrmacher voraus[/blue].
Diese Argumentation ist in Langfassung recht oft und mehr oder weniger gern abgehandelt, abgenudelt und mit feurigem Zorn durchfochten worden. Bleiben wir nüchtern und cool und feuerfern. Betrachten wir den Kontext des Uhrenarguments, den "teleologischen Gottesbeweis". (Die Schöpfer- und Designer-Argumentation) – das lässt sich beschreiben als der
Schluss von der wunderbaren Zeckmäßigkeit (Telos) der Natur (Physis) auf einen unendlich weisen und allmächtigen Schöpfer (Theos) (daher auch „physiko-theologischer Gottesbeweis“ genannt)
2. Das Thesengeflecht des teleologischen Gottesbeweises
Eines der am häufigsten verwendeten Argumentationen für die Existenz Gottes ist der teleologische Gottesbeweis (vom griechischen Wort telos, das «Zweck», „Zielgerichtetheit“ bedeutet), der sich auf die Vorstellung einer Absicht stützt, die wir in der Natur erkennen: Wir brauchen uns in der natürlichen Welt nur umzuschauen, um zu bemerken, wie alles in ihr der Funktion angepasst ist, die es verrichtet. Alles gibt Zeugnis davon, geplant worden zu sein. Das soll die Existenz eines Schöpfers beweisen. Wenn wir zum Beispiel das menschliche Auge betrachten, sehen wir, wie seine allerkleinsten Teile zusammenpassen, wie jeder Teil genau dem angepasst ist, wozu er offensichtlich gemacht worden ist: dem Sehen.
Befürworter dieses teleologischen Arguments wie William Paley (1743 1805) behaupten, dass die Komplexität und Effizienz natürlicher Gegenstände wie das Auge Beweis dafür sind, dass sie von Gott geplant sein müssen. Wie sonst könnten sie so geworden sein, wie sie sind? Genauso, wie wir bei einem Blick auf eine Uhr sagen können, dass sie von einem Uhrmacher entworfen worden ist, können wir bei einem Blick auf das Auge sagen, dass es von einer Art göttlichem Uhrmacher entworfen worden ist. Es ist so, als ob Gott eine Art Warenzeichen, ein Branding mit Qualitätssiegel, auf allen Objekten hinterlassen hätte, die er (oder sie) gemacht hat.
Dies ist ein Argument, das von einer Wirkung auf ihre Ursache schliesst: Wir sehen auf die Wirkung (die Uhr oder das Auge) und versuchen, aus einer Untersuchung dieser Gegenstände zu schliessen, was sie verursacht hat (ein Uhrmacher oder ein göttlicher Uhrmacher). Das Argument beruht auf der Idee, dass ein geplantes Objekt wie eine Uhr in gewisser Hinsicht einem natürlichen Objekt wie einem Auge sehr ähnlich ist.
Diese Art von Argument, die auf einer Ähnlichkeit zwischen zwei Dingen beruht, wird als Analogieschluss bezeichnet. Analogieschlüsse beruhen auf dem Prinzip, dass zwei Dinge, die einander in gewisser Hinsicht ähnlich sind, sich sehr wahrscheinlich auch in anderen Hinsichten ähnlich sein werden.
Für die Anhänger des teleologischen Gottesbeweises ist alles, was wir sehen, besonders in der natürlichen Welt ob Bäume, Felsen, Tiere, die Sterne oder was auch immer , eine weitere Bestätigung der Existenz Gottes. Weil diese Dinge weit einfallsreicher konstruiert sind als eine Uhr, muss der göttliche Uhrmacher dementsprechend weit intelligenter gewesen sein als ein menschlicher Uhrmacher. Ja, der göttliche Uhrmacher muss so mächtig und so klug gewesen sein, dass es sinnvoll ist, anzunehmen, dass es Gott war, wie er traditionell von den Theisten verstanden wird. Die eine allmächtige, allwissende, allgütige Instanz.
Es gibt freilich starke Einwände gegen den teleologischen Gottesbeweis, etwa die Argumente des Philosophen David Hume (1711 1776). Es geht um seine posthumen Dialoge über die natürliche Religion und um Abschnitt XI seiner "Untersuchungen über den menschlichen Verstand" (Essays concerning Human Understanding ) erhoben wurden.
3. Kritik des teleologischen Gottesbeweises
3.1 Schwäche des Analogie-Argumentes (David Hume)
Ein Einwand gegen das gerade vorgebrachte Argument lautet, dass es sich zu sehr auf eine schwache Analogie stützt: Es setzt voraus, dass es eine signifikante Ähnlichkeit zwischen natürlichen und geplanten Objekten gibt. Aber es ist keineswegs offensichtlich, dass, um dasselbe Beispiel noch einmal zu verwenden, das menschliche Auge in irgendeiner wichtigen Hinsicht wirklich wie eine Uhr ist. Analogieschlüsse beruhen darauf, dass es eine starke Ähnlichkeit zwischen den beiden Dingen gibt, die verglichen werden.
Wenn die Ähnlichkeit schwach ist, dann sind die Schlussfolgerungen, die aufgrund des Vergleichs gezogen werden können, dementsprechend schwach. So sind sich zum Beispiel eine Armbanduhr und eine Taschenuhr hinreichend ähnlich, dass wir annehmen können, beide seien von Uhrmachern geplant worden. Aber obgleich es zwischen einer Uhr und einem Auge eine gewisse Ähnlichkeit gibt sie sind beide kompliziert und erfüllen ihre jeweilige Funktion , ist es nur eine vage Ähnlichkeit, und alle Schlussfolgerungen, die auf dieser Analogie beruhen, werden im Ergebnis ähnlich vage sein.
3.2 Stärke des Evolutions-Argumentes
Selbst wenn wir das Analogie-Argument nicht kritisieren und eine göttliche Instanz als Designer nicht ausschließen, gilt folgendes: Die Existenz eines göttlichen Uhrmachers ist nicht die einzig mögliche Erklärung dafür, wie es kommt, dass Tiere und Pflanzen so gut an ihre Funktionen angepasst sind. Insbesondere die Theorie der Evolution durch natürliche Auslese, die Charles Darwin (1809 1882) in seinem Buch "Der Ursprung der Arten" (1839) entwickelte, stellt eine weithin akzeptierte alternative Erklärung dieses Phänomens dar.
Darwin zeigte, wie diejenigen Tiere und Pflanzen, die ihrer Umwelt am besten angepasst sind, durch einen Prozess des Überlebens der Tauglichsten ihre Erbanlagen an ihre Nachkommen weitergeben können. Dieser Prozess erklärt, wie es zu solch wunderbaren Anpassungen an die Umwelt, wie sie sich im Pflanzen und Tierreich finden, kommen konnte, ohne dass man den Begriff Gottes einführen muss.
Natürlich widerlegt Darwins Evolutionstheorie auch die Existenz Gottes in keiner Weise viele Christen akzeptieren sie als die beste Erklärung dafür, dass Pflanzen, Tiere und Menschen sich so entwickelt haben, wie sie nun einmal sind: Sie glauben, dass Gott den Mechanismus der Evolution selbst geschaffen hat, er plante den Evolutionsprozess. Aber Darwins Theorie schwächt doch die Kraft des teleologischen Beweises sehr ab, da es dieselben Wirkungen ohne jede Erwähnung Gottes als ihrer Ursache erklärt.
Die Existenz einer derartigen Theorie vom sich selbst steuernden Mechanismus der biologischen Anpassung hindert uns, das Planungs- und Absichtsargument als schlüssigen oder gar zwingenden Beweis für die Existenz Gottes zu nehmen.
3.3 Einschränkungen der teleologischen Schlussfolgerung: Das Monotheismus- und das Theodizeeproblem
Selbst wenn man, trotz der bislang erwähnten Einwände, den teleologischen Beweis überzeugend findet, sollte man bemerken, dass er nicht die Existenz eines einzigen, allmächtigen, allwissenden und allgütigen Gottes beweist. Eine gründliche Überprüfung des Arguments zeigt, dass es in mancherlei Hinsicht sehr beschränkt ist. Es geht zunächst um das Monotheismus- Problem (dann um das Theodizeeproblem).
Das teleologische Argument ist kaum geeignet, den Monotheismus die Ansicht, dass es nur einen einzigen Gott gibt zu unterstützen. Selbst wenn man akzeptiert, dass die Welt und alles, was in ihr enthalten ist, deutlich beweist, dass sie geplant worden ist, gibt es keinen Grund, zu glauben, dass dies alles von einem einzigen Gott entworfen worden ist.
Warum könnte es nicht von einer Gruppe von geringeren Göttern, die zusammenarbeiten, geplant sein? Schliesslich sind ja auch die meisten grossangelegten, komplexen menschlichen Konstruktionen wie Wolkenkratzer, Pyramiden, Raumschiffe usf. von Teams verfertigt worden. Wenn wir also die Analogie zu Ende denken, kommen wir zu dem Schluss, dass die Welt von einer Gruppe von kooperierenden Göttern geplant worden ist.
Nun zum Theodizeeproblem, also dem Problem, inwieweit das Übel in der Welt sich mit der Annahme verträgt, die Welt sei vom theistischen Gott designt . :Also von einer allgütigen, allmächtigen, allwissenden Instanz.
Erstens unterstützt das Teleologie-Argument nicht notwendig die Ansicht, dass der (oder die) Planer allmächtig waren. Es gibt gute Gründe für die Auffassung, dass das Universum eine Anzahl von «Konstruktionsfehlern» hat; zum Beispiel hat das menschliche Auge eine Tendenz zur Kurzsichtigkeit und in hohem Alter zum grauen Star - wohl kaum das Werk eines allmächtigen Schöpfers, der den Wunsch hat, die bestmögliche Welt zu schaffen.
Solche Beobachtungen könnten einige Leute dazu veranlassen, zu glauben, dass der Planer des Universums, weit davon entfernt, allmächtig zu sein, ein vergleichsweise schwacher Gott (oder eine Mehrheit von schwachen Göttern) gewesen ist oder möglicherweise ein junger Gott, der mit seiner (oder ihrer) Macht experimentiert hat. Vielleicht starb der Planer kurz nach Verfertigung des Universums und gab so den Weg dafür frei, dass es aus eigenem Antrieb zugrunde geht. Der teleologische Gottesbeweis liefert zumindest ebensoviel Beweismaterial für diese Schlussfolgerungen wie für die Existenz des Gottes, der von den Theisten beschrieben wird. Folglich kann das Planargument allein nicht beweisen, dass der Gott der Theisten und nicht vielmehr ein anderer Typus von Gott oder Göttern existiert.
Zweitens zu der Frage, ob der Planer allwissend und allgütig ist: Viele Menschen sind überzeugt, dass die Menge des Übels in der Welt gegen diese Schlussfolgerung spricht. Diese Übel reichen von menschlicher Grausamkeit, Mord und Folter bis zum Leiden, das von natürlichen Katastrophen und Krankheiten verursacht wird. Wenn wir, wie das Planargument nahelegt, uns einfach nur umzusehen brauchen, um die Beweise für Gottes Werk zu sehen, wird es vielen Leuten schwerfallen zu akzeptieren, dass das, was sie sehen, das Ergebnis eines wohlwollenden Schöpfers ist:
Ein allwissender Gott würde wissen, dass das Übel existiert; ein allmächtiger Gott wäre imstande, sein Vorkommen zu verhindern; und ein allgütiger Gott würde nicht wünschen, dass es existiert. Aber das Übel besteht immer weiter - so der antike griechische Philosoph Epikur.
Nicht zuletzt ist die vielleicht göttlich fundierte Evolution ein riesiger, verlustreicher und auch grausamer Prozess, weit weg von dem Modellbild eines humanen, gütigen Schöpfers…
greetse
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