Rems Florian
Mitglied
Hotelzimmer 6
von Florian Rems
Es war Erholung, was sie hier suchte. Und dieses ruhige, kleine Hotel abseits der großen Verkehrswege war genau der richtige Ort dafür. Das dachte die Komissarin Eva Harmann jedenfalls.
Gutgelaunt verließ sie eines Abends ihr Hotelzimmer, um sich dem Abendessen im hoteleigenen Restaurant zu widmen. Als sie die aus Naturholz gefertigte Treppe hinunterging, schnappte sie unweigerlich einige Wortfetzen eines Streits zwischen dem Portier und einem Zimmermädchen auf. Es ging wohl darum, dass das Mädchen, eine zierliche Person namens Anna mit blonden, schulterlangen Haaren, in einigen Hotelzimmern hermugeschnüffelt habe. Der Portier, der auch der Hotelbesitzer war, zeigte sich ziemlich verärgert. Was Eva im vorbeigehen noch gehört hatte, war: „Du machst uns jedesmal Ärger. Wenn das noch einmal vorkommt, dann bring ich dich um!“
Eva nahm es mehr im Unterbewusstsein war. Als Teil des tagtäglichen Hotelbetriebs. Schließlich widmete sie sich dem Abendbrot.
Gleich am nächsten Morgen unternahm Eva einen Waldspaziergang. Das Wetter war geradezu ideal. Sie sog die frische Luft durch die Nase und genoss den Duft der Natur.
Vergnügt wie ein Kind schlenderte sie über den weichen Waldboden und schob das feuchte Laub vor sich her. Plötzliche stieß sie mit der Fußspitze auf etwas. Und wäre sie nicht daran gewöhnt gewesen, hätte sie das Grauen gepackt. Da lag eine weibliche Leiche, halb in den Waldboden eingegraben und dann, wie es schien, hastig mit Laub bedeckt. Als Evas berufliche Professionalität zu Tage trat und sie näher an die Leiche heranschritt, erkannt sie, um wen es sich handelte. Es war das Zimmermädchen Anna. Das getrocknete Blut am Kopf machte die Todesursache offensichtlich: Erschlagen mit einem stumpfen Gegenstand.
Eva besann sich auf ihr nächstes Handeln. Zuerst musste sie ihre Kollegen verständigen. Sofort eilte sie ins Hotel zurück.
Als sie dem Portier entgegenkam schoss ihr plötzlich dessen Streit mit Anna durch den Kopf. Eva versuchte sich nichts anmerken zu lassen und fragte: „Wissen sie eigentlich wo ihr Zimmermädchen Anna ist?“
Der Hotelbesitzer antwortete grimmig: „Ich hab‘ keine Ahnung. Sie ist nicht im Hotel, obwohl sie genug Arbeit hätte. Manchmal glaub‘ ich, dass es ohne sie weniger Ärger hier gäbe...“
Das Telefon an der Rezeption klingelte. Der Portier stönte: „Nicht noch einer.“, und hob ab.
„Ja, bitte....Ja, ich werde das sofort in Ordnung bringen lassen...das ist mir klar...ich bitte sie vielmals um Entschuldigung.“
„Was ist denn los?“, fragte Eva Harmann.
„Ach, gestern Abend sind scheinbar die Zimmer ab Nummer sieben nicht hergerichtet worden. Betten und so...Hätte eigentlich mein liebes, nettes und fleißiges Zimmermädchen machen müssen, diese...“
„Verstehe!“, nickte Eva. Der Portier war auf alle Fälle ein, wenn nicht sogar, der Verdächtige.
In diesem Moment kamen zwei junge Männer die Treppe herunter. Beide machten einen freundlichen und sympathischen Eindruck. Sie waren eben im Urlaub und mussten sich über ihren Alltag keine Sorgen machen. Einer der beiden gab den Hotelschlüssel ab und sagte: „Wir fahren nur schnell in die Stadt. Sind bald wieder da!“
Nachdem die Beiden das Hotel verlassen hatten fragte Eva nebenbei: „Wer sind Die eigentlich?“
„Diese Herren teilen sich ein Zimmer. Ich glaube, die sind vorgestern Nachmittag angekommen.“
Eva versuchte im Gesicht des Portiers zu erkennen, ob dieser ein Mörder war. Doch es gelang ihr nicht. Bevor sie sich wieder der Leiche im Wald widmete, erledigte sie noch ein Telefonat.
Evas langjähriger Kollege Komissar Hartberg schneuzte gerade in ein Taschentuch, als sie die Beamten im Wald bei der Leiche traf.
„Und, wie weit seit ihr?“, fragte Eva.
„Nun ja, die Leiche ist defenitiv das Zimmermädchen, wie du uns gesagt hast. Das haben wir überprüft. Auch deine Vermutungen die Todesursache betreffend sind korrekt. Ein Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf. Jetzt wird’s interessant. Schau‘ dir das mal an.“
Hartberg drehte die linke Hand der Leiche um, sodass Eva die Handfläche sehen könnte.
Völlig erstaunt sagte die Komissarin: „Da hat sie sich ja was aufgeschrieben. Eine Zahl: 239. Was kann das bedeuten?“
„Wir haben keine Ahnung was diese Zahl in ihrer Handfläche soll.“, fuhr Hartberg fort: „Hast du schon irgendeine Idee?“
„Vielleicht hab‘ ich bereits einen Verdächtigen, aber diese Zahl...“
Völlig gedankenverloren marschierte sie in Richtung Hotel. War es der Portier? Und was sollte diese Zahl? Das war der einzige Anhaltspunkt. Da musste Eva weitermachen, es war ihre einzige Chance.
Eine dreistellige Zahl! Sie konnte alles bedeuten. Langsam ordnete Eva ihre Gedanken. Wo hatte sie eine solche Zahl schon einmal zu Gesicht bekommen? Und dann traf es sie wie ein Blitz. Eva hatte solch eine Ziffernfolge erst vor kurzem gesehen. Es war im Bahnhof bei der Ankunft gewesen. Ein Schließfach!
Wie von der Tarantel gestochen jagte Eva los. Im Hotel telefonierte sie noch einmal, dann musste sie so schnell wie möglich zum Bahnhof gelangen. Und irgendwie spürte sie Gefahr bei diesem Unternehmen.
Tatsächlich. Es gab am Bahnhof ein Schließfach mit der Nummer 239. Einige Minuten vergingen bis sie mithilfe eines Ditrichs das Schloss geknackt hatte. Als sie die kleine Tür öffnete fand sie eine Sporttasche vor und darin. . . Geld. Viel Geld. Eva versuchte zu schätzen. Es waren wohl um die 300 000 Euro. Auf dem großen Bildschirm in der Haupthalle des Bahnhofs liefen gerade die aktuellen Nachrichten. Und als dort von einem Banküberfall vorgestern Mittag berichtet wurde, fügte sich das Puzzle plötzlich zu einem klaren Bild.
Doch dann hörte sie die Stimme von einem der beiden jungen Männer, die sie an der Rezeption getroffen hatte. Langsam drehte sich Eva um und sah sie. Beide hatten eine Pistole in der Hand und ein tiumphierendes Lächeln auf den Lippen: „Wirklich gute Arbeit Frau Komissarin Eva Harmann. Sie sehen, wir haben uns ausreichend über sie informiert!“
„Ihr wart es also! Das hab‘ ich mir schon gedacht!“
„Ach wirklich? Und wie sind sie darauf gekommen?“
„Vorgestern Mittag“, mit dem Kopf zeigte Eva auf den großen Bildschirm in der Haupthalle: „habt ihr die Bank überfallen. Anschließend seit ihr hierhergefahren, habt das Geld in diesem Schließfach versteckt, und habt euch vorgestern Mittag ein Zimmer im Hotel genommen. Irgendwann gestern Abend habt ihr wohl in eurem Zimmer von jenem Schließfach gesprochen, während das Zimmermädchen ohne eures Wissens anwesend war. Vielleicht im Bad. Ihr habt sie bemerkt und erschlagen. Was ihr nicht bemerkt habt war, das sich Anna noch die Nummer des Schließfachs in die Hand geschrieben hatte, bevor ihr sie erwischt habt. Wenn ich mich recht entsinne,“, Eva dachte an den Schlüssel, den einer der Männer an der Rezeption abgegeben hatte und auf dem die Zimmernummer stand: „dann hattet ihr das Zimmer mit der Nummer sechs. Und alle Hotelgäste ab Zimmer sieben beschwerten sich darüber, dass kein Zimmermädchen da gewesen war. Eins bis sechs hatte Anna ja noch erledigen können, aber dann war sie tot...Da so spät Abends im Hotel wenig los ist, konntet ihr die Leiche schnell im Wald verschwinden lassen. Nicht besonders gründlich, wenn ich das sagen darf!“
„Sehr gut. Wirklich beeindruckend. Nur leider werden auch sie bald eine Leiche sein!“
„Das glaube ich nicht!“, sagte Eva selbstsicher.
„Was?“, lachte einer der Männer ungläubig als plötzlich das Entsicherungsknacken einiger Handfeuerwaffen hinter den Männern zu hören war. Die Waffen gehörten etwa einem Dutzend Polizisten, darunter Evas Kollege Hartberg, der bemerkte: „Frau Harmann, also irgendwie haben sie ein Gespür für sowas!“
Eva zuckte lächelnd mit den Schultern.
von Florian Rems
Es war Erholung, was sie hier suchte. Und dieses ruhige, kleine Hotel abseits der großen Verkehrswege war genau der richtige Ort dafür. Das dachte die Komissarin Eva Harmann jedenfalls.
Gutgelaunt verließ sie eines Abends ihr Hotelzimmer, um sich dem Abendessen im hoteleigenen Restaurant zu widmen. Als sie die aus Naturholz gefertigte Treppe hinunterging, schnappte sie unweigerlich einige Wortfetzen eines Streits zwischen dem Portier und einem Zimmermädchen auf. Es ging wohl darum, dass das Mädchen, eine zierliche Person namens Anna mit blonden, schulterlangen Haaren, in einigen Hotelzimmern hermugeschnüffelt habe. Der Portier, der auch der Hotelbesitzer war, zeigte sich ziemlich verärgert. Was Eva im vorbeigehen noch gehört hatte, war: „Du machst uns jedesmal Ärger. Wenn das noch einmal vorkommt, dann bring ich dich um!“
Eva nahm es mehr im Unterbewusstsein war. Als Teil des tagtäglichen Hotelbetriebs. Schließlich widmete sie sich dem Abendbrot.
Gleich am nächsten Morgen unternahm Eva einen Waldspaziergang. Das Wetter war geradezu ideal. Sie sog die frische Luft durch die Nase und genoss den Duft der Natur.
Vergnügt wie ein Kind schlenderte sie über den weichen Waldboden und schob das feuchte Laub vor sich her. Plötzliche stieß sie mit der Fußspitze auf etwas. Und wäre sie nicht daran gewöhnt gewesen, hätte sie das Grauen gepackt. Da lag eine weibliche Leiche, halb in den Waldboden eingegraben und dann, wie es schien, hastig mit Laub bedeckt. Als Evas berufliche Professionalität zu Tage trat und sie näher an die Leiche heranschritt, erkannt sie, um wen es sich handelte. Es war das Zimmermädchen Anna. Das getrocknete Blut am Kopf machte die Todesursache offensichtlich: Erschlagen mit einem stumpfen Gegenstand.
Eva besann sich auf ihr nächstes Handeln. Zuerst musste sie ihre Kollegen verständigen. Sofort eilte sie ins Hotel zurück.
Als sie dem Portier entgegenkam schoss ihr plötzlich dessen Streit mit Anna durch den Kopf. Eva versuchte sich nichts anmerken zu lassen und fragte: „Wissen sie eigentlich wo ihr Zimmermädchen Anna ist?“
Der Hotelbesitzer antwortete grimmig: „Ich hab‘ keine Ahnung. Sie ist nicht im Hotel, obwohl sie genug Arbeit hätte. Manchmal glaub‘ ich, dass es ohne sie weniger Ärger hier gäbe...“
Das Telefon an der Rezeption klingelte. Der Portier stönte: „Nicht noch einer.“, und hob ab.
„Ja, bitte....Ja, ich werde das sofort in Ordnung bringen lassen...das ist mir klar...ich bitte sie vielmals um Entschuldigung.“
„Was ist denn los?“, fragte Eva Harmann.
„Ach, gestern Abend sind scheinbar die Zimmer ab Nummer sieben nicht hergerichtet worden. Betten und so...Hätte eigentlich mein liebes, nettes und fleißiges Zimmermädchen machen müssen, diese...“
„Verstehe!“, nickte Eva. Der Portier war auf alle Fälle ein, wenn nicht sogar, der Verdächtige.
In diesem Moment kamen zwei junge Männer die Treppe herunter. Beide machten einen freundlichen und sympathischen Eindruck. Sie waren eben im Urlaub und mussten sich über ihren Alltag keine Sorgen machen. Einer der beiden gab den Hotelschlüssel ab und sagte: „Wir fahren nur schnell in die Stadt. Sind bald wieder da!“
Nachdem die Beiden das Hotel verlassen hatten fragte Eva nebenbei: „Wer sind Die eigentlich?“
„Diese Herren teilen sich ein Zimmer. Ich glaube, die sind vorgestern Nachmittag angekommen.“
Eva versuchte im Gesicht des Portiers zu erkennen, ob dieser ein Mörder war. Doch es gelang ihr nicht. Bevor sie sich wieder der Leiche im Wald widmete, erledigte sie noch ein Telefonat.
Evas langjähriger Kollege Komissar Hartberg schneuzte gerade in ein Taschentuch, als sie die Beamten im Wald bei der Leiche traf.
„Und, wie weit seit ihr?“, fragte Eva.
„Nun ja, die Leiche ist defenitiv das Zimmermädchen, wie du uns gesagt hast. Das haben wir überprüft. Auch deine Vermutungen die Todesursache betreffend sind korrekt. Ein Schlag mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf. Jetzt wird’s interessant. Schau‘ dir das mal an.“
Hartberg drehte die linke Hand der Leiche um, sodass Eva die Handfläche sehen könnte.
Völlig erstaunt sagte die Komissarin: „Da hat sie sich ja was aufgeschrieben. Eine Zahl: 239. Was kann das bedeuten?“
„Wir haben keine Ahnung was diese Zahl in ihrer Handfläche soll.“, fuhr Hartberg fort: „Hast du schon irgendeine Idee?“
„Vielleicht hab‘ ich bereits einen Verdächtigen, aber diese Zahl...“
Völlig gedankenverloren marschierte sie in Richtung Hotel. War es der Portier? Und was sollte diese Zahl? Das war der einzige Anhaltspunkt. Da musste Eva weitermachen, es war ihre einzige Chance.
Eine dreistellige Zahl! Sie konnte alles bedeuten. Langsam ordnete Eva ihre Gedanken. Wo hatte sie eine solche Zahl schon einmal zu Gesicht bekommen? Und dann traf es sie wie ein Blitz. Eva hatte solch eine Ziffernfolge erst vor kurzem gesehen. Es war im Bahnhof bei der Ankunft gewesen. Ein Schließfach!
Wie von der Tarantel gestochen jagte Eva los. Im Hotel telefonierte sie noch einmal, dann musste sie so schnell wie möglich zum Bahnhof gelangen. Und irgendwie spürte sie Gefahr bei diesem Unternehmen.
Tatsächlich. Es gab am Bahnhof ein Schließfach mit der Nummer 239. Einige Minuten vergingen bis sie mithilfe eines Ditrichs das Schloss geknackt hatte. Als sie die kleine Tür öffnete fand sie eine Sporttasche vor und darin. . . Geld. Viel Geld. Eva versuchte zu schätzen. Es waren wohl um die 300 000 Euro. Auf dem großen Bildschirm in der Haupthalle des Bahnhofs liefen gerade die aktuellen Nachrichten. Und als dort von einem Banküberfall vorgestern Mittag berichtet wurde, fügte sich das Puzzle plötzlich zu einem klaren Bild.
Doch dann hörte sie die Stimme von einem der beiden jungen Männer, die sie an der Rezeption getroffen hatte. Langsam drehte sich Eva um und sah sie. Beide hatten eine Pistole in der Hand und ein tiumphierendes Lächeln auf den Lippen: „Wirklich gute Arbeit Frau Komissarin Eva Harmann. Sie sehen, wir haben uns ausreichend über sie informiert!“
„Ihr wart es also! Das hab‘ ich mir schon gedacht!“
„Ach wirklich? Und wie sind sie darauf gekommen?“
„Vorgestern Mittag“, mit dem Kopf zeigte Eva auf den großen Bildschirm in der Haupthalle: „habt ihr die Bank überfallen. Anschließend seit ihr hierhergefahren, habt das Geld in diesem Schließfach versteckt, und habt euch vorgestern Mittag ein Zimmer im Hotel genommen. Irgendwann gestern Abend habt ihr wohl in eurem Zimmer von jenem Schließfach gesprochen, während das Zimmermädchen ohne eures Wissens anwesend war. Vielleicht im Bad. Ihr habt sie bemerkt und erschlagen. Was ihr nicht bemerkt habt war, das sich Anna noch die Nummer des Schließfachs in die Hand geschrieben hatte, bevor ihr sie erwischt habt. Wenn ich mich recht entsinne,“, Eva dachte an den Schlüssel, den einer der Männer an der Rezeption abgegeben hatte und auf dem die Zimmernummer stand: „dann hattet ihr das Zimmer mit der Nummer sechs. Und alle Hotelgäste ab Zimmer sieben beschwerten sich darüber, dass kein Zimmermädchen da gewesen war. Eins bis sechs hatte Anna ja noch erledigen können, aber dann war sie tot...Da so spät Abends im Hotel wenig los ist, konntet ihr die Leiche schnell im Wald verschwinden lassen. Nicht besonders gründlich, wenn ich das sagen darf!“
„Sehr gut. Wirklich beeindruckend. Nur leider werden auch sie bald eine Leiche sein!“
„Das glaube ich nicht!“, sagte Eva selbstsicher.
„Was?“, lachte einer der Männer ungläubig als plötzlich das Entsicherungsknacken einiger Handfeuerwaffen hinter den Männern zu hören war. Die Waffen gehörten etwa einem Dutzend Polizisten, darunter Evas Kollege Hartberg, der bemerkte: „Frau Harmann, also irgendwie haben sie ein Gespür für sowas!“
Eva zuckte lächelnd mit den Schultern.