hypotaxe

G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
[ 4]hypotaxe


dominanten spannen begründungen auf
von dem weil oder als in den hauptsatz hinein
die begründungen sind dominanten gespannt
auf den grundton: das subjekt zum satzprädikat

aber subdominantisch ein gegenwurf staucht
den kausalen strom daß die tonika selbst
in die rolle begründender vorläufe rollt –
dominanz von der subdominanz dominiert

denn die aussage dient als begründung zum daß
der finalen folge: die spiegelt das weil
wie die zukunft vergangenheit spiegelt am jetzt
asymmetrisch in offener frage brand neu
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Dominante, Tonika und Subdominante sind grundlegende harmonische Funktionen, wie Kausalsätze im Verhältnis zu Hauptsätzen und diese im Verhältnis zu Konsekutivsätzen grundlegende logische Funktionen in der Sprache organisieren.
 

Willibald

Mitglied
denn die aussage dient als begründung zum daß
der finalen folge: die spiegelt das weil
wie die zukunft vergangenheit spiegelt am jetzt
asymmetrisch in offener frage brand neu
(1) Syntaktisches

Hm, lassen wir die musikalische Analogie beiseite (ich möchte sie erst angehen, wenn genug Verständnis für die linguistische Ebene gefunden wurde), dann bleibt das Thema und die Aussagenfolge der dritten Strophe schon kompliziert genug.

Hier eine Überlegung zu kausalen und finalen Nebensätzen, also der Hypotaxe und ihrem logischen Verhältnis zum ihnen syntaktisch übergeordneten, dominanten Satz, einem Satz, der - etwas vage formuliert - meistens logisch abhängig ist, von seinem scheinbar subdominanten Nebensatz.

Und das sei hier noch kombiniert mit dem, was man gern als das Problem des "freien Willens" bezeichnet und aufzuhellen versucht.

(2) Drei Sätze, ihre Analyse und der "freie Wille"

Drei komplexe Lang-Sätze (Vordersatz kombiniert mit Hintersatz/ „Weilsatz“) dienen uns als Grundlage. Wir setzen voraus, dass in diesen alltagssprachlichen Sätzen gängige, alltagserprobte Konzepte und Modelle des „freien Willens“ erkennbar sind.


Was bedeutet „freier Wille“?


S1: Ich habe ein X auf den Wahlzettel gemacht,
weil ich für Benn stimmen wollte.

S2: Ich habe Magenbeschwerden bekommen,
weil ich für Benn stimmen wollte.

S3: Die Brücke ist eingestürzt,
weil ein Erdbeben ihre Fundamente erschütterte.


Alle drei Sätze enthalten eine kausale Beziehung zwischen Vorder- und Hintersatz, signalisiert durch die Konjunkton „weil“: Der Vordersachverhalt ist durch den hinteren Sachverhalt verursacht. Aber es gilt:

? Satz 3 enthält im Hintersatz eine hinreichende Bedingung, das Erdbeben ist eine zentrale Voraussetzung für den Einsturz der Brücke.

? Auch Satz 2 enthält eine (hinreichende ?) Bedingung, hier für die Magenbeschwerden. Der Satz behauptet nämlich, die somatische Beeinträchtigung sei durch eine „Aktion“ oder die Aktionsbereitschaft einer handelnden Person hervorgerufen.

- Die Magenbeschwerden sind dem Akteur „zugestoßen“, er hat sie nicht willentlich hervorgerufen. Sie entstanden vor oder nach der Wahl.
- Vermutlich ist dem Akteur aufgegangen, dass die anstehende oder bereits erfolgte Wahl für das Land nicht wünschenswert ist. Als Folge dieser Erkenntnis oder des Gefühls ist Übelkeit eingetreten. Die Wahl „hat/ist dem Akteur auf den Magen geschlagen“.

? Satz 1 dagegen ist in mehrfacher Hinsicht ein Spezialfall:

- Der Weil-Satz enthält nicht unbedingt eine hinreichende Bedingung: Nichts zwingt „mich“ dazu, das Kreuz tatsächlich zu machen.
- Es ist wahrscheinlich, dass der Handlung ein Bewusstwerden der Gründe für eine Wahlentscheidung vorausgeht. Es geht nicht um einen Automatismus oder einen Reflex.
- Die Entscheidung und das tatsächliche Ingangsetzen der Handlung sind kein zwingender Prozess. Selbst wenn die Handlung einsetzt, ist nicht gesagt, dass die Handlung auch vollendet wird.
- Satz 1 ließe sich ersetzen durch: Damit Benn gewählt wird, habe ich ein „X” auf den Wahlzettel gemacht. Das bedeutet: Dem Ich ist „bewusst”, dass der Wahlzettel und die Wahlentscheidung ein geeignetes Mittel für die Wiederwahl sind.
- Finalsätze mit „damit” ersetzen bis zu einem gewissen Grad Kausalsätze mit „weil + wollen”. Sie verweisen mit „da-mit“ nicht nur auf eine erwünschte Folge, sondern auch auf den Einsatz eines im Kontext genannten und für die Absicht passenden Mittels: Ich fahre in die Stadt, damit ich das Sonderangebot bei Norma nützen kann.

(3) Vorläufiges Fazit

Offensichtlich hat „freier Wille“ mit folgenden Merkmalen oder Faktoren zu tun; ein Akteur kann

? sich überlegt Ziele setzen
? und diese planmäßig und mit dem Einsatz gängiger Mittel handelnd verfolgen.
? Und sich dabei auf eine Naturgabe stützen, auf ein „psychisches Antriebspotential“.
? Die Handlung bis zu einem gewissen Grad revidieren.

Spricht man von „Willensschwäche“, so ist dieses Antriebspotential beeinträchtigt – wir befinden uns nicht im „Normalfall“. Ähnliches gilt bei Faktoren wie „zwanghafte“ oder „ von außen gesteuerte Handlung“ oder „Hypnose“.

Zu weit weg vom sprachphilososophischen Potential des Gedichtes?

Wünschenswert:

Eine deutliche Explikation der Begriffe kausal. konsekutiv, final, offensichtlich ist diese Begrifflichkeit eine der Grundlagen für das Gedicht, seine Struktur und das Verstehen
 
T

Trainee

Gast
Benn war, Benn ist und Benn wird immer sein

S1: Ich habe ein X auf den Wahlzettel gemacht,
weil ich für Benn stimmen wollte.

S2: Ich habe Magenbeschwerden bekommen,
weil ich für Benn stimmen wollte.

S3: Ich habe meinen Unmut überwunden,
weil ich weiß wer unvermeidbar ist.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Nicht schlecht, Willibald,

die Äste weiter aufzuzweigen.

Man bedenke Schopenhauers Dissertation über die vier Kausalitäten.

In der Tat ist es passend, die Kausalitätsbeziehung zweier Sachverhalte insbesondere hinsichtlich der menschlichen Handlungen und ihrer Willensbegründung zu untersuchen. Und zwar gerade deshalb, weil hier eine Anologisierung mit musikalischen Prozessen "angelegt" worden ist, in dem Gedicht, wo die Dominante (der üblichen Dur-Kadenz) mit dem Kausalsatz "analogisiert" worden ist.
Denn die Logik der musikalischen Spannung und Spannungsauflösung, wie sie von der Dominante in die Schlußwirkung der Tonika hineinzielt, ist nicht so sehr passiv wie das immer schön abwärts strömende Wasser, als vielmehr absichtsvoll wie menschliche Handlungen es sind. Und so, wie auch menschliche Handlungen nicht einfach in Sättigung (Nahrung) und Orgasmus (Sexualität) münden, und dann ist der Trieb "befriedigt", sondern Widerstände bewältigen, die Umstände berechnen, kluge Planungen und das Zugleich mehrerer Nebenhandlungen integrieren, wie ein wenig Selbstzweck im "Sport" der Durchführung liegt, und ein wenig "Das-kommt-später!" dem mehr oder weniger vorläufigen Ende eingepflanzt zu sein scheint, und wie Trugschlüsse und Resignation das Ergebnis vielleicht weiter offenhalten als die erste Absicht erwartet hat - -
dem entsprechend verkomplizieren sich die Bahnen der musikalischen Spannung.

Geht man von der Verzweigung in die Hauptäste zurück - aber nicht unbedingt ganz so weit, daß man die sprachwissenschaftliche Ableitung der "daß"-Konjunktion vom Pronomen "das" erreicht, wie sie die mir bekannten indoeuropäischen Sprachen noch durchklingen lassen - dann kommt man in den Bereich etwa der Diskussion zwischen Kant (Kritik der reinen Vernunft) und den englischen Empiristen (von Kant natürlich nur in seine Vergangenheit rückprojiziert), die im "Schematismus der reinen Verstandesbegriffe (d.h. der Kategorien)" auf die Formel gebracht wird: Das Ereignis, das regelmäßig (immer wiederholt) zeitlich vor einem anderen Ereignis liegt, erscheint uns als Ursache, und die regelmäßige Beziehung der beiden Ereignisse als Kausalität". (Ich zitiere hier nicht, sondern gebe nur wieder, was mir nach vierzig Jahren im Gedächtnis wohnt).

In der didaktischen Vereinfachung (und ich meine essentielle Verdichtung, nicht Vergröberung, trotz der Axthiebe ...) des Grammatikunterrichts fiel mir irgendwann auf, daß die Konjunktionen "als / weil / obwohl / indem und wenn", mit denen ich einen Ablativus absolutus zu übersetzen pflege, eher diese Kausalitätsbeziehung der zeitlich vorherliegenden Aktionen oder Ereignisse zu den in der Erscheinung folgenden anvisieren, während die "daß"-Sätze, mit denen AcIs wiedergegeben werden, aber auch die "ut"-Sätze, und zwar sowohl die finalen als auch die konsekutiven, mehr auf nachzeitige Phänomene hinarbeiten, seien sie Absichten (final), seien sie Folgen aus den Akzidentien der Substanzen (konsekutiv). Diese beiden Zeit-Richtungen, die der Vergangenheit ("cum-Sätze", Abl.abs.) und die der Zukunft (final, konsekutiv) erschienen mir als Hauptäste der syntaktischen Verzweigungen, wie - und das ist der Grundgedanke dieses Gedankengedichts - Dominante und Subdominante im Verhältnis zur Tonika in der Rameauschen Kadenz erscheinen.

Ich bin Dir sehr dankbar für das Lesen, verstehensuchend Durcharbeiten und Mirschreiben Deiner Überlegungen zu diesem Lied. Das ist mehr wert als alle Wertungsbalkenverlängerungen und Daumenhochlikes usw.

Mein Hochachtung, Willbald!

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Noch ein kleiner Axthieb, oder Zuschnitt:

Die indirekten Reden (lat.:die AcIs), die "daß"-Sätze, in denen (nur) ein Gedankeninhalt mitgeteilt wird, sollte man rausnehmen aus der Zukunfts-Dimension.
Sie sind interessante Sprachebenen-Trenner.

Die vergangenheitsorientierten Nebensatz-Konjunktionen (Subjunktionen) einerseits und die zukunftsorientierten Absichtskundgaben andererseits trennen eher Aktionsebenen, nicht Sprachebenen.

Da liegt eine Menge Wolle zum Krempeln.
 



 
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