Ich bau dir eine Schloss

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Hera Klit

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Ich bau dir eine Schloss

Mutter will nicht aufstehen, sie besteht darauf, keine Kraft mehr dafür zu haben.
Ich sage ihr, sie solle noch etwas liegenbleiben und verschwinde oben im Bad, um zu duschen. Kaum, dass ich ausgezogen bin, höre ich von unten jämmerliche Hilfeschreie.
Ich rufe runter, was denn sei und erwähne, dass ich nackt bin. In kritischem Unterton, der auf die plötzliche Mobilisierung versteckter Kraftreserven hindeutet, vernehme ich nun von unten, wieso ich denn jetzt nackt sei, was dies zu bedeuten habe.

Ich fühle mich total ertappt. Schuldgefühle machen sich breit. Hatte ich mich nackt gemacht, um zu sexuellen Ausschweifungen, zu denen es bei mir zugegebenermaßen hin und wieder kam und kommt, zu schreiten? Nein freilich nicht. Ich wollte doch duschen. Mit dieser selbst erkannten Erkenntnis meiner momentanen Situation, rufe ich nun mit recht männlichem Brustbassbrummton hinunter, ich habe natürlich duschen wollen. Ein Schweigen aus dem Parterre signalisiert mir die Akzeptanz meines Tuns.

Ich werfe mir kurz was über und laufe geschwind die Treppe hinunter, denn ich bin ein Sohn, der tatkräftig ist und der seine greise Mutter in allem sehr gut unterstützen kann.
Unten liegt sie im Bett und starrt zur Decke und meint, sie wolle auf keinen Fall als Depp die Straße entlang rennen. Ich versichere ihr, nicht der Meinung zu sein, dass dies geschehen könne, außerdem wäre ich ja auch hier, um dies zu verhindern. Darauf beruhigt sie sich etwas und geht ins Bad, um sich tagesfertig zu machen.

Als ich wieder oben im Bad bin und meine Hüllen falle lasse, singe ich plötzlich das Lied „Ich bau dir ein Schloss“, den bekannten Schlager von Heintje und da fällt mir kurz darauf ein, ich sang den meiner Mutter vor, in einer Toilettenkabine im Krankenhaus, als Siebenjähriger. Sie war dort, wegen Nervengeschichten. Ihr gefiel mein Gesang so gut, dass sie drauf bestand, ich solle ihn vor allen ihren Zimmergenossinnen und den Krankenschwestern noch einmal vorsingen.

Ich erinnere mich genau, wie das Gefühl war, als ich vor all diesen Frauen stand und keine Silbe über die Lippen brachte. Ich schwieg und enttäuschte meine Mutter vor allen Leuten.
 
Zuletzt bearbeitet:

ahorn

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Moin Hera Klit,

was für ein schöner Ödipus Text. Richtig etwas für den Advent.
Allerdings halte ich das "jämmerliche Hilfeschreie" für zu gemein, zu hart. Ein "lauthals / markerschütterndes Jammer oder Wehklagen" fänd ich passender.

Nebenbei:
Ich bau' dir ein Schloss
... denn ich bin ein Sohn KOMMA der tatkräftig ist und der seine greise Mutter ...
... sie besteht darauf KOMMA keine Kraft mehr dafür zu haben.
... dass sie drauf bestand KOMMA ich solle ihn vor allen ihren Zimmergenossinnen ...

Gruß
Ahorn
 
G

Gelöschtes Mitglied 26106

Gast
Mutter und Tochter - bitte mehr davon, Hera.
 

Michele.S

Mitglied
Hallo Hera

Für mich ist das irgendwie keine zusammenhängende Geschichte. Was hat der erste Teil der Geschichte mit der Erinnerung an damals zu tun?
Gut geschrieben ist sie aber!

Viele Grüße
Michele
 



 
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