Ich bin die trübe Tasse

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Mistralgitter

Mitglied
ich bin die trübe Tasse
aus deiner Nachbargasse
ich sitz auf der Terrasse
und blinzle auf die Masse
vor der Theaterkasse

da seh ich dich, du kesse
Erscheinung erster Klasse
daneben dieser krasse
Galan von edler Rasse
trägt stolz die starkbiernasse,
beschäumte Schnauzbartfresse

erbärmlich ist der Wicht

er nennt mich trübe Tasse
weshalb ich ihn heiß hasse
bis ich ihn einmal fasse
dann rennt er durch die Straße
und lässt dich los. ich spaße

mit solchen Lümmeln nicht
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Mistralgitter,

was die metrische Qualität Deines Werkleins und dessen Reime angeht, bin ich leider höchst geneigt, dem Titel des Werkes zuzustimmen. ;)

Verzeih aber da kommt keinerlei Rhythmus, Singsang auf und genau den sollte so ein Gedichtlein haben, denn mit seiner recht flachen Sprache hat es ja sonst nichts. Und weil es sonst nichts hat, braucht es den Beat um so dringlicher!

Auch die Geschichte lässt bei der Dramaturgie zu wünschen übrig. Ganz am Schluss wird der Wicht gefasst und lässt nicht los? Was soll denn das heißen? Wer fasst wen?

Verzeih nochmals, aber das Gedicht hat Dir bei der Herstellung sichtbar Spaß gemacht - mir beim Lesen aber gar nicht, weil es nämlich so gar nichts hat, was es gut erscheinen lassen könnte.

Jürgen
 

Walther

Mitglied
Griaßde JoteS,

hier widerspreche ich mal keß: das ist ein lupenreiner dreihebiger jambus, den man - etwas atemlos gesprochen, die angeboten pausen zwischen der versen nutzend und die beiden einzelverse stimmlich anders vortragend - wunderbar dramaturgisch elegant zum besten geben kann.

du hast ja meistens recht - hier aber liegst du kräftig wenigstens formal daneben. der inhalt ist nicht wirklich hochtrabend - aber muß das bei einem blödelgedicht immer sein? du machst doch selbst solche teile mit wachsendem vergnügen!

lg W.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ja geh, Walther,

wenn du des ois im dreihebign Jambus liast, dann klingt 's totoi deppert.

J.
 

Walther

Mitglied
du mußt was in der krone haben oder was geraucht. sonst könntest du bis drei zählen. :D so aber kann leider nur mit dir rechnen, auf dich zählen kamma nich.
 

Mistralgitter

Mitglied
Hab ich es nicht vorausgesagt, nachdem ich gestern(?) Walthers Text kommentiert hatte?
Ich hab so eine Reaktion wie die von JoteS erwartet!
Dennoch vielen Dank, dass er sich die Mühe für einen solch ausführlichen Kommentar und sogar noch eine - wenn auch schlechte -Bewertung gemacht hat.

Danke auch an Walther für die zutreffende Erwiderung und die viel bessere Bewertung.

Blödeleien/Albernheiten sind für manche Leute unverständlich. Macht nichts. Immerhin wird zu Recht vermutet, dass i c h Spaß an der Sache hatte. Ich muss manchmal sowas Bescheuertes schreiben, meist kommt so ein Text als harmloses "Geschwisterchen" zu einem tiefsinnigen, oft schwermütigen Text zur Welt. Leider ist in diesem Fall der tiefsinnige, schwermütige Text auf der Strecke geblieben. Aber wer weiß, vielleicht wird er nachgereicht?

Wenn der Spaß nicht an einen Leser vermittelbar ist, dann denken und erkennen Sender und Empfänger offensichtlich auf verschiedenen Wellenlängen. Rhythmisch und reimtechnisch erkenne ich bisher keinen Fehler - da bin ich in der Regel sehr genau.

Und zum Schluss ein Zitat von Peter Bamm:
Albernheit ist die Fähigkeit, über die allerdümmste Sache das allergroßartigste Gelächter anstimmen zu können. Gewiss gehört Sinn für Humor dazu, über eine komische Sache zu lachen. Zum Albernsein gehört mehr, es bedarf keines Grundes. Erst wenn man die Souveränität und Freiheit besitzt, da zu lachen, wo überhaupt kein Grund vorliegt, dann erst ist man albern. Die Albernheit ist ein Protest gegen die festgefügte und stumpfsinnige Ordnung der Welt, ein Aufstand der menschlichen Seele gegen das Gefängnis, das sie sich selber gebaut hat.
Insofern werde ich, so gut es geht, weiterhin hin und wieder souverän albern sein und dem eigenen Stumpfsinn und der verordneten Tiefgründigkeit die Stirn bieten.

Mistralgitter
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo,

wir kennen und noch nicht wirklich und ich habe mich nicht gerade galant eingeführt. Wahrscheinlich war ich auch nicht allerbestens gelaunt. Verzeihung dafür.

Nun gut. Dennoch bin ich der Meinung, dass man den Klang des einen oder anderen Wortes hier unschön verbiegen muss, damit der Rhythmus passt und das Vers- und Reimschema halte ich auch für wenig gelungen.

Wenigstens ist jetzt die Story beim vierten Lesen so langsam korrekt bei mir angekommen und soweit absolut in Ordnung.

Niemand ist übrigens hier für Albernheiten mehr zu haben als ich aber das nur am Rande.

Also: Nochmals sorry für meine wieder mal zu harsche Art aber in der Sache bin ich leider immer noch nicht wirklich überzeugt...

Gruß

Jürgen
 

Mistralgitter

Mitglied
Es sei dir verziehen - aber ich bleibe dennoch hart in der Sache: Man muss überhaupt kein einziges Wort verbiegen, um den Rhythmus zu halten und der Reim stimmt auch. Es sei denn, du stößt dich daran, dass ich das ewige Geleiere auf "-asse" dreimal mit anderen umgreifenden Reimen durchbrochen habe: "kesse - Fresse", "Wicht - nicht" und "Straße - spaße".
Ich muss doch wohl bei so einem einfältigen, einfach strukturierten Textlein nicht noch eine Analyse mitliefern?
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Sicher nicht aber diese "Riesenklammern" gehören schon mal nicht in ein doch so simpel sein sollendes Gedichtlein, genau so wenig wie "heiß hasse", das ist zu gestelzt und das heiß erkennbar dem Reimschema geschuldet*. Es fehlt hier insgesamt ein wenig an Leichtigkeit, aber das muss ich ja jetzt, da ich schon den Kritiker gegeben habe, so sehen. ;)
Dann noch der "Galan", der als Figur in seiner Gänze einfach nicht stimmig ist. Das könnte man ja als bewusst absurd durchgehen lassen, wäre der Rest nicht so platt. Diese schiefe Bild bedürfte der Verstärkung, um hier nicht aus dem Rahmen zu fallen.
Überhaupt diese Störung des Raum-Zeit-Kontinuums, von der Terrasse der Nachbargasse zur Theaterkasse, dieser Sprung von der Statik des Bildes zu "Jagdszenen" ist einfach nicht absurd genug inszeniert um zu zünden.

Die Absurdität hätte m.E. noch mehr verstärkt und herausgehoben gehört, das Ganze hätte noch viel surrealer sein müssen, um lustig zu werden.

Vielleicht konnte ich wenigstens ein Stück weit verdeutlichen, warum mir das überhaupt nicht gefällt.

*wenn ich suche finde ich noch mehr... aber das lasse ich jetzt.
 

Mistralgitter

Mitglied
Dass du dir so viel Mühe mit diesem, in deinen Augen durchgefallenen Text machst, ehrt dich sehr. Danke dafür.

Anscheinend geht es dir jetzt weniger um handwerkliche Mängel, wie Reim und Rhythmus, sondern um den wenig ansprechenden Inhalt, nämlich die Plattheit und das zu kurz gekommene Amüsante an dem Text.

Also nun muss ich wohl doch weiter ausholen?

1. Manchmal habe ich Lust dazu einen Text zu schreiben, der mit wenigen Reimwörtern auskommt. Das war der Ausgangspunkt. Dann fiel mir auf einmal die erste Zeile ein - warum auch immer. (Selbstbezug???)

2. Dann kam die Szene - die hab ich mir so vorgestellt: Da sitzt jemand daheim auf der Terrasse.
Er wohnt
a) in der Nachbarschaft einer kessen Weiblichkeit, der er sehr zugetan ist,
b) gegenüber des Theaters.
Dort hat sich draußen(!) eine lange Schlange vor der Theaterkasse gebildet.

Mittendrin in dieser Menschenmasse entdeckt er plötzlich (Reimwechsel) seine Angebetete in Begleitung eines Mannes, den er abschätzig "Galan von edler Rasse" nennt und ihn entsprechend seiner missgelaunten Einstellung ihm gegenüber herabwürdigend beschreibt.

Das Weitere spielt sich in einem Selbstgespräch ab, in dem sich der Prot. an eine frühere Beschimpfung das "Galans" erinnert ("trübe Tasse"), die seine Wut steigert - so weit, dass er sich vorstellt, ihn zu verfolgen und zur Strecke bringen zu wollen. Er fühlt sich stark genug, seine Angebetete aus der Umklammerung dieses "Galans" zu befreien.

3. "heiß hassen" - warum kann man jemanden nicht leidenschaftlich = heiß hassen? Das muss doch nicht notwendigerweise eine Verlegenheitslösung gewesen sein.

Ich stufe den Text ebenfalls nicht als absurd ein, auch surreal sollte er nicht sein, sondern einfach nur blöd - inhaltlich einfach gestrickt (= platt) und so blöd, wie Eifersucht meist ist.

Mistralgitter
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Es ist toll!

Hätte Walther es nicht schon getan, hätte ich JoteS heftig widersprochen, denn ich lese es in der Tat flüssig, durch und durch. Flüssiger als bloß flüssig - es ist kurzzeilig-rasch, ich sehe keine Holperstelle, und der Wechsel von -asse zu -esse wird symmetrisch aufgegriffen, so wie auch der scheinbare Waise "Wicht" in der Schlußzeile, so daß die Pointe harmonisch rund läuft.

Ich spreche von meinem spontanen Eindruck beim ersten Lesen, da hatte ich Walthers Einwand noch nicht vor Augen.
 

Mistralgitter

Mitglied
Danke, Mondnein,
schön, dass du vorbeigeschaut und einen Kommentar hinterlassen hast.
Deine Einschätzung und deine Wertung beruhigen mich wirklich.
Wie du nachlesen kannst, hat es ja noch einen weiteren ausgiebigen Meinungsaustausch mit JoteS gegeben.
LG
Mistralgitter
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe es leise vor mich hingesungen, und da war es wunderschön.
Ich lese zur Zeit gerade ein Buch mit deutscher Unsinnspoesie, da fügt es sich gut ein. Und nicht den Sinn im Unsinn verachten.
 

Walther

Mitglied
Dem,

lb. Bernd,

ist wenig hinzuzufügen, außer:

[blue]auf der lupe sollten dringend humorgaben verabreicht werden.[/blue]

lg W.
 

Mistralgitter

Mitglied
Danke euch beiden, @Bernd und @Walther.
@Bernd, darf ich erfahren, welches Buch das ist, das du liest?

Der Sinn im Unsinn .... GENAU!

Und noch ein Problem hab ich - Wo postet man in der LL Aphorismen? Oder ist diese Gattung hier nicht vorgesehen? Ich hätte gerade einen auf Lager... ;-)
 



 
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