Ich bin nicht

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Max Neumann

Mitglied
ich bin nicht die klarheit des wassers
ich bin nicht deine befremdeten augen
ich bin nicht angereist zum hierbleiben
ich bin nicht dein schatten

ich bin nicht das gewissen dieser seite
ich bin nicht der lebemann, der sterben wird
ich bin nicht auf dem weg nach golemland
ich bin nicht zum verlieren angetreten

ich bin nicht ermattet und zertrümmert
ich bin nicht wie mein onkel
ich bin nicht wie mein vater und bin es doch
ich bin nicht blinzelnd im starren blick der statue

ich bin nicht das nächtliche friedhofskreischen
ich bin nicht der hund in dieser außenwelt
ich bin nicht das wasser, der sand und der beton
ich bin nicht das gespaltene meer

ich bin nicht deine gleichgültigen ohren
ich bin nicht dein schuldgefühl
ich bin nicht die reue am tag des großen fressens
ich bin es nicht


 
Zuletzt bearbeitet:
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Tissop, das ist ja eine Menge, was dein LI alles nicht ist. Die Verneinung wird immer, selbst dann, wenn Negatives verneint wird, bis zu einem gewissen Grad negativ und nicht positiv rezipiert. Meiner Ansicht nach fehlt diesem Gedicht als Abschluss noch eine Strophe, vielleicht des Inhalts, was das Ich nach so vielen "Nicht" nun doch ist oder sein will. Irgendwas muss selbst das kleinste Ich ja sein. Ohne diese ungeschriebene Strophe halte ich das Gedicht für nicht ganz abgeschlossen. Auch ist zu überlegen, ob ein Gedicht über mehrere Strophen diesen Gleichklang haben sollte, er ermüdet etwas.

Gruß, blackout
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Max Neumann

Mitglied
Liebe Blackout,

wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen; lese ich in deinem neusten Gedicht "Das Dorf" von einem "Mittag" welcher von "zärtlichen Winden hergetragen" wird und einem lyrischen Ich, das sinnt und versinkt, so drängt sich der Verdacht auf, dass vielmehr die Dichterin im Text wabert, ohne eine kritische Distanz zu ihm haben.

Mehr habe ich dazu nicht zu sagen, außer, dass ich hier im Forum schon einmal betonte, dass es eine Typfrage ist, wie man als Kritiker/in vorgeht: Wir können uns aufs Zerreisen fokussieren oder aufs Wertschätzen oder zumindest einen gangbaren Mittelweg finden. Ich gehöre da eher der zweiten Garde an und wenn ich einen Text nicht mag, lasse ich ihn schlichtweg an mir vorbeigehen.

Much love
Tissop
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Du hast offensichtlich nicht verstanden, dass ich dir Vorschläge gemacht habe, wie du aus dieser Aufzählung, die nun wahrlich kein Gedicht ist, noch ein Gedicht machen kannst. Hast du noch nicht mitgekriegt, dass wir hier Textarbeit machen? Wie kommst du dazu, mir gegenüber einen derartig ungezogenen Ton anzuschlagen? Dazu hast du nun wahrlich keinen Grund, nicht nach dem, was du da oben gepostet hast. Da habe ich dich wohl noch überbewertet.
 

Max Neumann

Mitglied
Ungezogen? Auf Englisch würde ich mal sagen, diese Wortwahl ist im mindesten hilarious, blackout. Preußen gibt es, soweit ich weiß, nicht mehr.
Außerdem würde ich an deiner Stelle mit der Wahl der grammatischen Person behutsamer umgehen, denn du bist kein "Wir". Wie ich es mitbekommen habe, stehst du eher auf einem isolierten Posten.

Nichtsdestotrotz danke ich dir für die Vorschläge.

Much Love
Tissop
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
M O D E R A T I O N

bitte einen Gang zurück und persönliche Angriffe unterlassen.

cu
lap
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Tissop,

in deinem Gedicht sind viele starke Bilder enthalten.
Leider gehen diese in der ständigen Wiederholung von "Ich bin nicht" etwas unter.
Eigentlich würde es doch reichen, wenn du jede Strophe damit anfängst, Dann würden die Bilder stärker beim Leser ankommen.

Diese Wiederholung und Verstärkung würde ich dann am Schluss beibehalten.

Liebe Grüße
Manfred
 

Max Neumann

Mitglied
Top Idee, Manfred. Falls ich das komplett richtig verstanden habe :)

Hier die neue Fassung:


Ich bin es nicht


die klarheit des wassers
deine befremdeten augen
angereist zum hierbleiben
dein schatten

das gewissen dieser seite
der lebemann, der sterben wird
auf dem weg nach golemland
zum verlieren angetreten

ermattet und zertrümmert
wie mein onkel
wie mein vater
blinzelnd im starren blick der statue

das nächtliche friedhofskreischen
der hund in dieser außenwelt
das wasser, der sand und der beton
das gespaltene meer

deine gleichgültigen ohren
dein schuldgefühl
die reue am tag des großen fressens:
ich bin es nicht
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Einerseits - andrerseits:

Zum einen ist das eine ganz eng bestimmte, klare Form: Hauptstilmittel die gehäufte Anapher. Eine Art von Litanei. Geometrisch, hart, kühl. Ich liebe den extremen Formalismus, das Kristallin, den Kubus.

Zum andern überrascht die Version, wo diese 5 x 4 = 20 Anaphern weggeknappst sind, durch ihre Aussagekraft und Frische, es wird ein ausgezeichnetes Gedicht.

Die Anaphernlitanei ist auch ein Lied, da habe ich keinen Zweifel.
Ohne die Anaphern wirds vielleicht weniger eindringlich (aufdringlich) - es blendet nicht so sehr, das Licht ist entlasert, entkristalliert, eisfrei, - und siehe da, es wird wunderschön!

grusz, hansz
 

Max Neumann

Mitglied
Lieber Hansz,

vielen Dank für deinen Kommentar.

Insgesamt hast du/ habt ihr Recht, die Häufung macht den Text schwerer zu lesen als ohne sie, auch die Bilder bzw. einzelnen Verse wirken stärker, wenn das "Ich bin nicht" nicht so prominent ins Rampenlicht gerückt wird.

Ursprünglich existiert das Gedicht bei mir im Englischen, da ich noch mehr auf Englisch schreibe; und eine Übertragung von einer Sprache in die andere funktioniert leider nicht immer, wie hier der Fall.

Ich freue mich darüber, dass die neue Version soviel besser ist und besser ankommt :)

Liebe Grüße
Tissop
 



 
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