Ich hab kein Mann

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Aligator

Mitglied
„Ich hab kein Mann!“
Dieses Problem einiger Frauen ist nichts Neues. Das hat wohl verschiedene Ursachen. Zum Beispiel die ergebnislose Suche nach dem Märchenprinzen. Fast glaube ich, dass da das andere Geschlecht mehr von betroffen ist. Einsame Marlboromänner, die in den Sonnenuntergang reiten. Hmm, besser so. Ist wohl besser so, bei manchen.
Doch was kümmert das eigentlich meine vierjährige Tochter? Sie steht Rotz und Wasser heulend vor mir und konfrontiert ihren überforderten Vater mit dieser Tatsache. Also gut, ich muss meinem Kind ja helfen.
„Wofür brauchst du denn einen Mann?“, frage ich. Erstmal den Ball zurückgeben.
„Ich muss doch heiraten.“
Eigentlich hatte ich erwartet, dieses Thema käme erst erheblich später auf den Tisch. Aber was soll' s, jetzt kann ich sie noch prägen.
„Nein, mein Kind. Du musst doch nicht heiraten. Jedenfalls nicht jetzt.“
Oh nein, sie dreht auf. Die Antwort scheint ihr nicht zu gefallen. Aber da muss sie durch.
„Am besten, du machst erst mal eine Ausbildung oder studierst, dann …“, ich suche nach kindgerechter Ausdrucksweise, „ ... dann bist du finanziell unabhängig.“ Toll gemacht!
Meine Tochter schaut mich mit offenen Mund an.
„In Ordnung? Jetzt geh wieder schön spielen“, sage ich. Entweder man kann mit Kindern oder nicht.
„Ich will dich heiraten!“, murmelt sie.
Was?
„Ähm, das geht nicht, die Mama hat mich schon geheiratet.“
„Dann mein Bruder!“
„Tut mir leid, da wir auch nichts draus werden.“
„Dann Opa.“
Es scheint ihr noch an den Basics zu fehlen. Na dann von vorne.
„Liebe Tochter“, beginne ich, „du kannst nur jemand heiraten, der nicht mit dir verwandt ist. Also nicht Papa, Opa, Bruder, Onkel, Tante und so weiter. Das ist einfach so.“
Die Heulboje startet von neuem.
„Dann kann ich ja gar niemand heiraten!“, plärrt sie.
„Aber doch! Da bleibt noch eine ganze Menge übrig. Eigentlich die ganze Welt. Da wirst du ganz bestimmt, wenn die Zeit gekommen ist, den Richtigen finden.“
Sie blickt skeptisch und zieht den Rotz hoch.
„Ich will einen Prinz!“
Wer will keinen?
„Ja, selbstverständlich kannst du einen Prinz heiraten, meine Prinzessin.“
Eine überaus gute Lösung, auf die wir da gekommen sind. Zufrieden lächelt meine Tochter und freut sich auf ihre Zukunft - und ich erst!
Doch, Moment, wie war das noch mal mit der finanziellen Unabhängigkeit? So kann ich das nicht stehen lassen.
„Aber“, füge ich schnell hinzu, „wenn es jetzt kein Prinz wäre, vielleicht nur ein Arzt oder ein Architekt, dann wär das doch auch in Ordnung, gell?“
„Nein, ich will ein Prinz!“

Da sieht man mal wieder: Manches wird sich wohl nie ändern.
 
Hallo Aligator,

es hat mir Spaß bereitet, deinen Text zu lesen :) (vielleicht sollte ich öfter bei "Humor und Satire" vorbeischauen)

Immer wieder verleitete es mich zum Schmunzeln, was natürlich gut ist, der Humor/Sarkasmus fügt sich fließend ein durch die eingeschobenen Gedankensätze, wie z. B. an dieser Stelle:

„In Ordnung? Jetzt geh wieder schön spielen“, sage ich. Entweder man kann mit Kindern oder nicht.​
Mehr davon :)
 

Aligator

Mitglied
Hallo adrianoeljero! (wow, der Name war bestimmt noch frei! :))

Dein Kommentar hat wiederum mich zum Schmunzeln gebracht. Für mich ist es eine riesige Sache, Leute zum Lächeln zu bringen. Find ich so wichtig. Dank dir dafür!

Grüße,
el Aligatore
 
Hallo Aligator,

Eine Geschichte zum Schmunzeln. Kinder leben eben in ihrer ganz eigenen Welt, und selbst für den Vater kann es schwer sein, sich da einzufühlen bzw. bei der kleinen Tochter Gehör zu finden. Als das Mädchen sagte, sie wolle ihn, den Vater heiraten, dachte ich: „Aha, eine Geschichte über den Ödipus-Komplex nach Freud.“ Aber nein, der Vater war nur eine Wahl von mehreren, Bruder oder Opa wären auch recht, Hauptsache Familie. Gott sei Dank fand sich nachher noch eine andere Heirats-Lösung, wie realistisch die ist, wird die Zukunft zeigen - aber eine 4-jährige hat ja noch reichlich Zeit. Ich fand es richtig amüsant, die Geschichte zu lesen.

Stefan Sternau
 
Hallo Aligator,

da will ich mich aber mal schnell selbst korrigieren, ehe es bestimmt bald ein anderer tut. Mit Ödipus-Komplex meint man nur, wenn sich ein kleiner Junge in seine Mutter „verliebt“. Beim umgekehrten Ödipus-Komplex, also wenn sich ein kleines Mädchen in seinen Vater „verliebt“, spricht man von Elektra-Komplex. Freud lehnte diese Begriffsbezeichnung allerdings ab.

Viele Grüße Stefan Sternau
 

Aligator

Mitglied
Grüß dich Stefan!

Ja, die Kleine in der Geschichte sieht sich anscheinend einem gesellschaftlichen Zwang ausgesetzt, den sie meint befolgen zu müssen, ohne einen Schimmer zu haben, was es eigentlich damit auf sich hat. Das Prinzip der Nachahmung, Familie spielen usw. ist ja ein normaler Spielrieb. Dass sie bei den Männern anfängt, die sie kennt und gern hat, ist irgendwie logisch. Auch hab ich beobachtet, dass die Kleinen im Kindergarten gleich jede/n erstbeste/n heiraten wollen, nur um diese Lücke zu füllen. Wie krass dazu der Gegensatz zu später, wenn keine/r gut genug sein kann. Muss ja nicht immer so sein, aber die ewige Suche nach dem Märchenprinzen, den es ja in Wirklichkeit gar nicht geben kann, ist hier das Thema. Hoffentlich kriegt sie die Kurve und lässt sich mal später nicht von solchen illusionistischen Oberflächlichkeiten blenden.
Übrigens vielen Dank für die Weitebildung mit dem ollen Freud.

See you later,
Aligator
 

RainerK

Mitglied
Hallo Aligator,

ich mache es mir einfach und lobhudele einfach mit - hat Spaß gemacht deinen Text zu lesen.

Eine wönzige Anmerkung (ich habe lange nach irgendwas zum Dranherumkriteln gesucht :)):
Dass eine Vierjährige grammatikalisch gesehen nicht hochkorrekt spricht (noch dazu in dieser aufgewühlten Gefühlslage :)) ist völlig verständlich und sicherlich realistischer als wenn sie das täte...
...aber:
einmal sagt sie "Ich will einen Prinz" und beim nächsten mal "Nein, ich will ein Prinz" - ich denke, man sollte sich auf eine der Versionen beschränken. Jedenfalls meine Lütten haben den gleichen (verzeihlichen) Fehler immer wieder gemacht...:)

VG
RainerK
 

Aligator

Mitglied
„Ich hab kein Mann!“
Dieses Problem einiger Frauen ist nichts Neues. Das hat wohl verschiedene Ursachen. Zum Beispiel die ergebnislose Suche nach dem Märchenprinzen. Fast glaube ich, dass da das andere Geschlecht mehr von betroffen ist. Einsame Marlboromänner, die in den Sonnenuntergang reiten. Hmm, besser so. Ist wohl besser so, bei manchen.
Doch was kümmert das eigentlich meine vierjährige Tochter? Sie steht Rotz und Wasser heulend vor mir und konfrontiert ihren überforderten Vater mit dieser Tatsache. Also gut, ich muss meinem Kind ja helfen.
„Wofür brauchst du denn einen Mann?“, frage ich. Erstmal den Ball zurückgeben.
„Ich muss doch heiraten.“
Eigentlich hatte ich erwartet, dieses Thema käme erst erheblich später auf den Tisch. Aber was soll' s, jetzt kann ich sie noch prägen.
„Nein, mein Kind. Du musst doch nicht heiraten. Jedenfalls nicht jetzt.“
Oh nein, sie dreht auf. Die Antwort scheint ihr nicht zu gefallen. Aber da muss sie durch.
„Am besten, du machst erst mal eine Ausbildung oder studierst, dann …“, ich suche nach kindgerechter Ausdrucksweise, „ ... dann bist du finanziell unabhängig.“ Toll gemacht!
Meine Tochter schaut mich mit offenen Mund an.
„In Ordnung? Jetzt geh wieder schön spielen“, sage ich. Entweder man kann mit Kindern oder nicht.
„Ich will dich heiraten!“, murmelt sie.
Was?
„Ähm, das geht nicht, die Mama hat mich schon geheiratet.“
„Dann mein Bruder!“
„Tut mir leid, da wir auch nichts draus werden.“
„Dann Opa.“
Es scheint ihr noch an den Basics zu fehlen. Na dann von vorne.
„Liebe Tochter“, beginne ich, „du kannst nur jemand heiraten, der nicht mit dir verwandt ist. Also nicht Papa, Opa, Bruder, Onkel, Tante und so weiter. Das ist einfach so.“
Die Heulboje startet von neuem.
„Dann kann ich ja gar niemand heiraten!“, plärrt sie.
„Aber doch! Da bleibt noch eine ganze Menge übrig. Eigentlich die ganze Welt. Da wirst du ganz bestimmt, wenn die Zeit gekommen ist, den Richtigen finden.“
Sie blickt skeptisch und zieht den Rotz hoch.
„Ich will ein Prinz!“
Wer will keinen?
„Ja, selbstverständlich kannst du einen Prinz heiraten, meine Prinzessin.“
Eine überaus gute Lösung, auf die wir da gekommen sind. Zufrieden lächelt meine Tochter und freut sich auf ihre Zukunft - und ich erst!
Doch, Moment, wie war das noch mal mit der finanziellen Unabhängigkeit? So kann ich das nicht stehen lassen.
„Aber“, füge ich schnell hinzu, „wenn es jetzt kein Prinz wäre, vielleicht nur ein Arzt oder ein Architekt, dann wär das doch auch in Ordnung, gell?“
„Nein, ich will ein Prinz!“

Da sieht man mal wieder: Manches wird sich wohl nie ändern.
 

Aligator

Mitglied
Hallo Hr. K!

Herzlichen Dank für dein Lob, ich gehöre nämlich zu der Sorte Mensch, der das braucht, also ruhig her damit :)
Den Fehler in der Kindsgrammatik hab ich verbessert.
Wenn es mir gelungen ist, dich zu unterhalten, ist mir das ein Vergnügen gewesen!

Grüße,
Hr. A.
 

anbas

Mitglied
Hi Aligator,

ein flüssig geschriebener Text, den ich wirklich gerne gelsen habe. Sowohl inhaltlich als auch stilistisch gefällt er mir gut.

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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