Ich habe einen Traum

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Walther

Mitglied
Ich habe einen Traum


Die Fesseln sprengen – einmal Freiheit schmecken:
Die Hoffnung ist mein Traum. Er wird nicht enden.
Ich werde ihn in eine Zukunft senden,
In der sich Menschen nicht aus Angst verstecken.

Den Aufbruch hatte ich erhofft, vollenden
Darf ich ihn nicht. Er blieb im Anfang stecken.
Ich sah auf Barrikaden sie verrecken,
Ich sah sie sich an ihren Traum verschwenden,

Den man die Freiheit nennt, den weiten Himmel.
Die Zeit ist dunkel und die Herrschaft stärker.
Es kommt kein weißer Ritter auf dem Schimmel,

Die schwarzen Schergen kommen, Tod und Kerker.
Noch heute stürz ich mich ins Schlachtgewimmel
Und kämpf für meinen Traum wie ein Berserker.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist ein ganz besonderes Sonett - inhaltlich. Es zeigt das Dilemma jeder Revolution, in der es um Freiheit geht. Hinterher fühlt man sich beztrogen, die Fesseln sind andere, nur fester. Manchmal schnüren sie die Luft ab.
Manchmal gibt es einen Anschein von Freiheit.
Die Freiheit der Gedanken ist eine ebensolche Illussion wie die allgemeine Freiheit.
Und doch ist es keine Illussion, es gibt sie wirklich, denn die Freiheit ist die des anderen, die man ihm gewährt, und die einem gewährt wird.
Somit ist der Traum nicht gar zu fern.

Und schon Heine bemerkte, dass die Deutschen besonders frei im Traum sind.

Im vorliegenden Sonett ist Traum etwas anderes, es ist ein sich in der Realisation befindlich vorgestellter Wunsch, eine Sehnsucht, ein Ersehnen.
 

Walther

Mitglied
Hi Bernd,

danke, daß du dieses texts annimmst. ich habe ihn für die demonstranten in Hongkong geschrieben, in rückschau auf den aufstand in china aus dem jahr 1989. das sonett widme ich dem mut der menschen in Hongkong, habe aber die befürchtung, daß genau das, was ich beschreibe, eintreten wird.

lg w.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich hatte schon gespürt, dass es mit Dr. Martin Luther King verbunden ist.
Es ist immer der Traum der Menschheit auf Besserung ...
 

Walther

Mitglied
Hallo Bernd,

natürlich liegt Martin Luther King nahe. der titel ist deutsche übersetzung von "I have a dream". manchmal ist die kraft der träume so großt, daß sie in erfüllung gehen.

in Hongkong hat die polizei eingegriffen. hier ist das noch nicht ausgemacht. auch wenn ich wenigstens hoffe, wünsche und bete.

lg w.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
In den USA hat auch die Polizei eingegriffen, später andere ...

Dann hat sich viel verändert.
 

Walther

Mitglied
hi Bernd,

daher soll und darf man träumen. es ist wichtig, daß man sich das nicht auch noch nehmen lässt.

lg w.
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Walther,

es wird viel zu wenig von Leitvorstellungen geschrieben, von den politischen Ideen, die nötig sind, damit sich etwas zum Positiven wendet auf diesem unseren Planeten.

Zwar hilft ein engagiertes Gedicht nicht direkt, aber es kann einer der Tropfen sein, die das Überlaufen hin zur Aktion oder zur Abstimmung mit den Füßen oder den Stimmzetteln oder oder oder auslösen. Schmetterlingseffekte lassen grüßen.

Die politischen Träume einzelner, großer Charaktere können Umbrüche einleiten ... leider findet man das in der heimischen politischen Landschaft kaum noch, die im Pragmatismus oder gar im Mantel-in-den-Wind-hängen des Populismus gefangen ist.

Leider drohen manche von den großen Ideen zu versanden - aktuelles Beispiel: die Energiewende - und dann muss man ihnen neuen Schwung geben, so wie der von Dir benannte Berserker.

Dieses immer wieder nötige Engagement gegen die immer drohenden "schwarzen Schergen" wird in Deinem Gedicht mit vollem Recht besungen und gepriesen.

Ich halte dieses Gedicht für eines der wirklich überzeugenden und danke Dir dafür.

Liebe Grüße

Herbert
 

Walther

Mitglied
Hi Herbert,

mich bewegt sehr, daß wir in einer zeit zu leben scheinen, die aus den fugen geraten ist. gewißheiten sind nicht mehr gewiß. sicherheiten sind unsicher. wahrheiten sind unwahr.

als lyriker muß man gewißheiten sich selbst bestätigen. wenn man das dann in die öffentlichkeit entläßt, hofft man, daß sie sich neu schaffen und fortpflanzen. es ist heldenhaft, was die studenten in Hongkong tun, die ihr leben einfach nur selbst in die hand nehmen wollen. sie erstreiten sich ein recht, daß uns gewiß und sicher, wahr und selbstverständlich erscheint.

ist es das?

danke für deinen mut machenden eintrag. ich habe ein anderes thema bearbeitet, das in eine ähnliche richtung weist. mal sehen, was ich dazu hören werde.

ich denke dennoch, daß meine zeit in der lupe sich einem ende zuneigt. das ist vielleicht sogar für alle gut so, mich eingeschlossen. ich schreibe jetzt seit 10 jahren hier, das ist ein lange zeit.

lesen werde ich weiterhin, da ich für meine anthologie ja gedichte suche. ob ich weiter schreibe, weiß ich noch nicht.

lg w.
 

HerbertH

Mitglied
Lieber Walther,

das Du über ein Ende des Schreibens hier nachdenkst, erschreckt mich geradezu. Gerade weil Du solche Gedichte wie dieses schreiben kannst, bist Du sehr wichtig.

Ich habe in letzter Zeit ein wenig reduziert, aber ganz aufhören hier zu schreiben möchte ich nicht.

Es gibt leider immer konkurrierende Belastungen, aber in Abwandlung eines bayerischen Spruches meine ich

"eine geht allerweil noch" :)

Liebe Grüße

Herbert
 

Walther

Mitglied
hi Herbert,

danke. ich werde weiter schreiben, allerdings nicht mehr so stark in den foren, mehr für mich alleine. es gibt mittlerweile einige projekte, an denen ich arbeite. eines davon ist die printversion von Walthers Anthologie.

hier werde ich auf dich und alle anderen autorinnen und autoren, die ich ausgewählt hatte, zukommen, wenn die ASP22 draußen ist, an deren drucklegung wir gerade in den letzten zügen arbeiten. das wird mich ca. 3 bis 4 monate beschäftigen.

danach werde ich an meinen beiden prosaprojekten werkeln mit dem ziel, in beiden fällen das manuskript fertigzustellen. parallel kommen sicherlich zwei ASP ausgaben hinzu, denn dann sehen wir bereits das ende des jahres 2015.

du siehst, ich habe in wahrheit viel vor.

stay tuned!

lg w.
 



 
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