Ich sah Gott (Achtung: kein Dreizeiler)

3,30 Stern(e) 3 Bewertungen

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hey, ich habe Gott gesehen
ich bin mir sicher, dass es stimmt
ich habe wirklich Gott gesehen
im Bibel-Maisfeld-Labyrinth

Ich sah ihn gestern vor sechs Wochen
an einem warmen Sommertag
die Luft, die hat nach Staub gerochen
es war ein Wetter wie man's mag

Die Kinder waren grad am gehen
eins hatte 'n Tigerenten-Rad
sie sollten mehr von Gott verstehen
im Maisfeld-Bibel-Pilgerpfad

Die Eltern schauten sehr zufrieden
sie wussten ja: ihr Gott ist gut
dies stand im Lehrpfad so geschrieben
und das gab ihnen neuen Mut

Von Gottes Zorn und Höllenfeuer
da stand dort nicht ein einzig Wort
auch kein Wort von der Kirchensteuer
von Erbsünde, nein nichts stand dort


Ich bin ins Labyrinth gegangen
und wusste nicht viel anzufangen
mit all den Sprüchen die dort standen
mein Glaube kam mir längst abhanden

Ich ging hindurch auf schmalem Pfad
und suchte bei den Schildern Rat
tat mich durch enge Gänge winden
und wollte gern den Ausgang finden

Es wäre wohl ganz leicht gewesen
und auch entspricht es meinem Wesen
wäre ich gegangen querfeldein
doch aus Respekt liess ich es sein

Langsam wurde es mir schwüle
ich sehnt' mich nach des Windes Kühle
der Mais, der hatte mich gefangen
zwischen seinen grünen Stangen
jeder Blick blieb sofort hängen
an des Maises grünen Stängeln
bis am Ende endlich gar
ich zurück am Anfang war

Gestern mittag beim Spazieren
es war recht kühl schon, fast zum frieren
da zog mich mein Hund, der Racker
hin zu jenem Gottesacker

Mein Blick der ging zum Horizont
etwas war nun ungewohnt
der Mais, der war nun gänzlich weg
man sah nun weiter nichts als Dreck
Nun sieht man weit, nun ist man klug
und spürt des Windes kalten Zug

Nichts mehr was mir den Blick verstellt
statt Mais seh ich die weite Welt
es fällt mir ein nun siedend heiss
ICH SAH GOTT!!!
Er war der Mais.
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Gott

Hallo JoteS,

sprachlich gehts am Anfang so ganz gut. Dann kommt's ein bißchen aus'm Rhythmus und Metrum. Aber das soll hier keine Hauptrolle spielen. Was mir mehr am Herzen liegt: Der Text könnte witzig sein, wenn man Kindervorstellungen von Gott zugrunde legt: Alter Mann mit langem Bart auf weißer Wolke; gütiger, wissender Blick... Oder auch: Wütender, tobender, rachsüchtiger Besserwisser und Moralist usw. Wirklich alles Vorstellungen von Kindern, ich weiß es von meinen und von mir selbst...
Wenn Du Dich aber mal ein bißchen ernsthafter mit den verschiedenen Gottesvorstellungen beschäftigt hast, käme Dir Dein Text nicht mehr ganz so witzig vor. Ich denke da z.B. an den Pantheismus eines Spinoza. Für den war Gott in allen Teilen der Natur, Gott war die Natur - resp. der Mais, resp. das abgeerntete Feld - selbst...
Das Thema ist leider für lockere, oberflächliche Späße nicht das geeignetste.

Pen.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Penelopeia

Natürlich greife ich genau die von Dir richtig erkannte Naivität an. Für die Beschriebenen ist Gott der Mais. Das ist kein billiger Scherz sondern bitterer Ernst.
Auch bin ich mir recht sicher, dass Du mir betreffend Gottesvorstellungen herzlich wenig Neues erzählen könntest. Ich vertrete weiterhin die Auffassung, dass jeglicher Gottesglaube den geistigen Horizont einschränkt auch wenn dabei vordergründig durch den Glauben die Grenzen des Verstandes gesprengt werden.

Gruss

Jürgen
 



 
Oben Unten