Ich wandere behände - Sonett

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Walther

Mitglied
Ich wandere behände


Der Weg ist lang und um den Berg gewunden:
Schroff sind die Felsen, tief der Blick ins Tal.
Das Gehn ist Mühe, Arbeit, beinah Qual:
Die Beine und die Füße sind geschunden.

Ich stehe auf den Steinen und den Flechten
Und frage mich zum wiederholten Mal:
Gab‘s eine Chance? War da eine Wahl?
Ein Meister bin ich nur im Spiegelfechten.

Der Herbstwind kühlt die Stirn und wäscht den Blick:
Man sieht die Weite, und man sieht kein Ende.
Im Schatten dort, da lauert ein Geschick:

Es bringt kein Glück, es bringt die nächste Wende.
Ich trage meinen Rucksack im Genick:
So schwer er ist, ich wandere behände.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
(schon nicht mehr ganz) neue Rechtschreibung: "behände"

Es wäre natürlich eine Fehldeutung, lieber Walther,

wenn man es so verstünde, daß der Rucksack deshalb in den Nacken rutscht, weil der Wanderer seiner kaputten Füße wegen auf den Händen läuft.

grusz, hansz
 

Walther

Mitglied
lb Hansz,

das "behände" hat schon seinen hintersinn - genauso wie der rucksack, den der wanderer trägt. es kann der echte, reale und der figurierte sein, der ja auch sehr "real" ist. und letzterer sitzt in dem fall im genick.

es ist klar, was du meinst. das bild ist jedenfalls nicht reimgeschuldet sondern bewußt so formuliert. lyrik beschreibt nicht, was ist im sinne von, so kann man es physisch/tatsächlich sehen, wie wir wissen, es ist der hintersinn, der interessiert.

lg W.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, das gefällt mir so.
Die Schreibung "behände" kommt Dir da gut zupaß.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
aber

"[red]m[/red]ein Geschick" - das wäre schon Schicksal, Vorbestimmung, und ich (Mondnein) denke, das paßt vielleicht nicht gut zu der offenen Weite "ohne Ende", der erfahrungsträchtigen Prüfungssituation, der Behändigkeit, die dem zweiten Terzett, das dem ersten antwortet, den fast schon heiteren Ausklang gibt.
Und den Titel erfüllt.
 

Walther

Mitglied
Hi anbas und Hansz,

den hinweis von dir, lb. anbas, kann ich nachvollziehen. er ist einleuchtend. allerdings würde das die lakonie der beschreibung durchbrechen. schicksal ist nichts persönliches, sein verwandter, das geschick, auch nicht. glück und unglück sind persönlich. daher habe ich es in der distanz belassen. denn ein geschick wird erst dann mein geschick, wenn ich es annehme. vorher ist es ein zustand, der verändert werden kann.

dein argument, lb Hansz, zielt in diese richtung und darüber hinaus. es ist wichtig, bei gedichten wie diesem die bedeutungsebenen mit zu betrachten. bilder werden in collagen und verfremdungen zusammengestellt, nehmen aber ihre bezüge mit und haben so zusätzliche bedeutungsebenen.

danke fürs reinlesen, vor- wie ratschlagen und debattieren!

lg W.
 



 
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