Im Allgemeinen

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anbas

Mitglied
Im Allgemeinen

Es ist so leicht, die Menschen über einen Kamm zu scheren,
weil man dann nicht viel weiter überlegen muss.
Es ist so schwer, sich gegen Vorurteile gut zu wehren,
gerät man erst mal unter solch einen Beschuss.

So sind all jene Menschen aus bestimmten Herkunftsländern
natürlich alle faul und meistens kriminell.
Die Priester in den Kirchen sind doch alles Kinderschänder
und selbstverständlich auch noch homosexuell.

Es brechen die Politiker andauernd ihr Versprechen
und Friedensaktivisten sind total naiv.
Die Polizei besteht durchweg aus rechten Prügelknechten,
und Demonstranten sind stets äußerst aggressiv.

Die Reichen sind ausschließlich asoziale Schwerverbrecher.
Die Armen sind talentlos und dazu noch dumm.
Die Männer sind per se notorisch-geile Ehebrecher.
Die Frauen mäkeln stets an allem nur herum.

Die Liste könnte man jetzt sicher endlos weiterschreiben,
doch wäre das letztendlich ziemlich sinnentleert.
Zum Schluss wird daher nur die eine Frage übrigbleiben,
wie man sich gegen Vorurteile besser wehrt.
 

molly

Mitglied
wie man sich gegen Vorurteile besser wehrt.
Hallo Andreas,
wer stetig solche Vorurteile pflegt, dem ist nicht zu helfen. Beim Bücherschmökern bin ich neulich auf einen tollen Titel gestoßen:
Liebe Grüße und friedvolle, gesunde Adventstage
Monika
 

anbas

Mitglied
Liebe Monika,

vielen Dank für Deine Rückmeldung.

Leider ist das "am Arsch vorbeigehen lassen" bei Verallgemeinerungen ein eher zweischneidiges Schwert. Denn solche Verallgemeinerungen bestärken alte und schaffen neue Vorurteile. Dies finde ich ist dann sehr gefährlich, so dass ich mir das eben nicht "am Arsch vorbeigehen lassen kann.

In anderen Alltagsbereichen ist das sicherlich ein guter Weg. Mal sehen, vielleicht besorge ich mir das Buch... Auf jeden Fall danke auch für den Tipp.

Liebe Grüße

Andreas
 

James Blond

Mitglied
Lieber anbas,

zwar gut gemeint, aber ein moralischer Appell bleibt hier - trotz seiner akribischen Ausarbeitung schwierig. Ein guter Weg zur Vermeidung des erhobenen Zeigefingers ist natürlich der Griff zur Ironie, die setzt hier leider erst mit der 2. Strophe ein und hört schon mit der vorletzten auf, was ich schade finde, das Gedicht wirkt dadurch so gutmütig und harmlos, dass es niemanden mehr erreicht. Ich würde es komplett in ein ironisches Lob des Vorurteiles umwandeln, um etwas mehr Biss in die Sache zu bringen.

Und von den bedächtigen Sechshebern geht eine einschläfernde Wirkung aus, die Verse zum Teil mit Füllwörtern gespreizt, die Reime teilweise brutal gefügt: 'Herkunftsländern - Kinderschänder', 'Versprechen - Prügelknechten', 'Schwerverbrecher - Ehebrecher', das Metrum leider auch nicht ganz frei von Beugungen: andauernd.

So wird aus der guten Absicht dann doch eine Durststrecke, auch wenn die Drohung zur letzten Strophe 'Die Liste könnte man jetzt sicher endlos weiterschreiben,' glücklicherweise nicht umgesetzt wird, allerdings trifft die Schlussfrage nicht ganz den Kern, denn die Frage, die nach der Lektüre übrig bleibt, lautet, wie man sich der eigenen Vorurteile besser erwehren kann.

Denn Vorurteile sind unumgänglich, weil wir - trotz unzureichender Informationen - immer schon zu Entscheidungen gezwungen sind, ebenso gibt es auch positive Vorurteile, was häufig unerwähnt bleibt. Dir geht es ja um pauschale Verurteilungen, die auf Stereotypien beruhen und die darauf aus sind, uns von den Sündenböcken abzugrenzen. Denn genau dies ist der traurige Teil der Wahrheit, dass der weitaus größte Teil der Straftaten von Familienmitgliedern und nicht etwa von Fremden begangen wird.

Mit diesen Gedanken im Hinterkopf habe ich einmal die beiden äußeren Strophen überarbeitet, natürlich nur zur Veranschaulichung:

Es ist nur recht, die Menschen über einen Kamm zu scheren,
solange man danach an sich nicht zweifeln muss,
sie werden sich der Vorurteile selten nur erwehren
und daher lohnt sich jener mutige Beschuss.

...

Die Liste werden andere noch weiterschreiben,
weil sich der Hass darin höchst selten ganz entleert,
es wird am Ende nur die Frage übrigbleiben,
wie man sich eigner Vorurteile doch erwehrt.

Grüße
JB
 

molly

Mitglied
Lieber Andreas,
das war eigentlich keine Buchempfehlung. Aber ich fand den Titel echt gut, obwohl ich ganz selten solche Ausdrücke verwende. Dieser Titel sagt mir einfach nur: "Bleib gelassen".
Ich habe mir das Buch" Wir sind die Guten" gekauft, doch das ist eher was für Rentner, die gerne lachen. Aber wie das so im Leeben ist, werden nicht alle Seniorinnen und Senioren darüber lachen können.

Liebe Grüße und einen schönen Adventsonntag
Monika
 

anbas

Mitglied
Lieber James,

ja, es geht auch um die eigenen Vorurteile - jene, die jeder hat. Und ja, es ist eine Frage wie man mit ihnen umgeht. Aber nur mit dem Besen vor der eigenen Haustür zu kehren, ist auch irgendwie langweilig :cool:.

Die Füllwörter sind z.T. dazu gekommen, weil ich nicht jede Strophe in der selben Metrik hinbekommen hätte - aber möglicherweise sollte ich genau dieses "Risiko" eingehen (bin doch so ein Metrik-Freak ;)).

Ach ja, und dann ist da der moralische Zeigefinger. Wie ich den gehasst habe in all den Jahren meines Schreibens, und ihn auf jeden Fall vermeiden wollte. Doch dann musste ich die Erfahrung machen, dass er immer wieder zwischen und in den Zeilen zu finden ist - manchmal nur als winziger Schatten, manchmal wie ein Vorschlaghammer :cool:.
So langsam gewinne ich sogar Spaß daran, diesem Zeigefinger herumzuwedeln. Dafür hätte ich allerdings in diesem Gedicht noch mehr auf die Ka... hauen müssen. Von daher ist es in der Tat nichts Halbes und nichts Ganzes. Grundsätzlich finde ich, dass politische Gedichte mit klaren Aussagen weiterhin ihre Berechtigung haben - auch, wenn sie etwas aus der Mode gekommen sind. Es ist halt ein Genre für sich.

Wie auch immer - ich danke Dir für Deine Rückmeldung. Sie hat mich zum Nachdenken gebracht... und das ist auch gut so ;).

Liebe Grüße

Andreas
 

anbas

Mitglied
Liebe Monika,

auch, wenn es nicht als Buchtipp gedacht war, so ist die Aussage natürlich trotzdem eine Überlegung wert.

Liebe Grüße

Andreas
 



 
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